Der Dalai Lama in mir

Manchmal bin ich mir selbst sehr unsympathisch und verwandele mich in ein zeterndes Weib. Entweder teile ich lauthals meine Empörung mit und belästige die Mitmenschen mit meinem Ärger, oder eine Stimme in meinem Kopf keift unermüdlich, bis ich mich selbst nicht mehr hören kann. Dagegen möchte ich nun was tun. Denn eigentlich bringt der ganze Ärger nichts und ich mache vorallem mir selbst das Leben schwer.
Erschreckt hat mich der Gedanke, dass ich mich zwar über Arbeitskolleginnen, Nachbarn und Kassierer stundenlang echauffiere, aber ich meinem Verdruss bei tatsächlichen Ungerechtigkeiten wie der NSA-Affaire, der politische Situation in der Ukraine oder dem Hunger in Afrika nicht annähernd so viel Ausdruch verleihe.

Von nun an bin ich also der Dalai Lama, wenn es um Alltägliches geht. Bisher habe ich gekocht vor Wut und das Herz schlug mir bis zum Hals, wenn ich kinderlose Personen auf den Eltern-Parkplätzen im Parkhaus angetroffen habe. Mit herunter gekurbeltem Fenster habe ich meinem Ärger Luft gemacht. Das Ende vom Lied war ein bissiger Kommentar der Falschparker und eine noch viel größere Wut meinerseits. Es kostet mich zwar sehr viel Kraft, aber nun zähle ich bis zehn und denke an den tibetanischen Mönch in mir, wenn wieder eine Dame im besten Alter im flippigen Cabrio auf dem einzigen Mutterkind-Parkplatz zu stehen kommt. Ändern kann ich die dummen Kühe (und das war jetzt definitiv die letzte Beleidigung in die Richtung, versprochen!) sowieso nicht.

Auch Plastiksäcke in der Biotonne haben die Schwäbin in mir zum Schimpfen gebracht und ein Schild über die Mülltonne zu kleben konnte ich mir nicht verkneifen. Müll auf dem Spielplatz und Hundekot auf dem Gehweg sind noch ärgerlicher. Aber die Dreckspatzen wird es immer geben, das ist eine Tatsache, der ich einfach ins Auge blickeln sollte. Schon zu Studenten-Zeiten habe ich erkannt, dass meine Mitbewohner keinen Wert auf das Wechseln von Spülschwämmen legen und ein geputzes Bad für völlig überbewertet halten. Da ich das WG-Leben nach ein paar Jahren leid hatte, hat sich dieses Thema geklärt. Aber nun wohne ich schon wieder nicht alleine und habe mir fest vorgenommen, mich nie wieder über Socken auf dem Boden und Apfelbutzen neben dem Sofa zu ärgern.

Zuletzt hatte ich wieder die Möglichkeit, den Buddhisten rauszukehren. Eine keifende alte Dame rempelte mich im Supermarkt an, weil ich ihr mit dem Kinderwagen im Weg stand. Sonst meckere ich zurück, aber diesmal blieb ich ruhig und dachte daran, dass das bruddelnde Weib vielleicht einsam und deprimiert ist. Ich selbst bin weder einsam, noch häufig deprimiert und zudem neuerdings mit Nerven aus Drahtseilen ausgestattet. Nun habe ich auch wieder mehr Zeit, mich mit den wichtigen Dingen zu beschäftigen.Omm!!!

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