Familienfreundliche Unternehmen

Familienfreundliche Unternehmen: so erkennt ihr sie

Wir suchen familienfreundliche Unternehmen

Gibt es sie überhaupt, familienfreundliche Unternehmen? Vor kurzem haben wir hier zur Blogparade zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgerufen und enorm viel Rückmeldung bekommen. Leider waren die meisten eingereichten Texte voll von negativen Erfahrungen und passten genau zu meiner eigenen: nach der Elternzeit ging es für viele Mütter mit der Karriere steil bergab. Aber damit wir nicht nur traurige Geschichten erzählen müssen, haben wir nach tollen Arbeitgebern und familienfreundlichen Unternehmen gefragt, die Vorbild für andere sein könnten. Und tatsächlich gibt es ein paar Eltern, die sich gemeldet haben.

Unternehmen familienfreundlich

Das Ergebnis zählt, nicht die Arbeitszeit

Sarah Depold vom Blog MamasKind hat einen richtig tollen Arbeitgeber. Sie beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf und hat mir ein paar Fragen beantwortet und etwas über familienfreundliche Unternehmen erzählt:

Laura: Du hast letztes Jahr im Sommer die Aktion #AGformHell gestartet. Wie kam es dazu? Hast du selbst schlechte Erfahrungen gemacht?

Sarah: Ich habe aus dem näheren Bekanntenkreis einige Geschichten erfahren, so vieles lief schief. Ob Eltern in Startups oder kleineren Familienbetrieben: Mutterschaft ist nicht überall gut angesehen. Öffentlich will natürlich niemand drüber reden – Angst um den Job besteht. Und – das fällt mir vor allem bei Frauen auf – man muss dankbar sein, dass man trotz (!) Kindern eingestellt wird. Das wollte ich gerne auch anonym öffentlich machen. Nicht alle Arbeitgeber und Kollegen sind bereit, Eltern zu beschäftigen. Sie könnten ja öfter fehlen oder weniger Leistung zeigen.

Laura: Hast du auch von guten Erfahrungen und familienfreundlichen Unternehmen gehört und wenn ja, was haben Arbeitgeber für Familien getan?

Sarah: Tatsächlich mein jetziger Arbeitgeber, die KleineFabriek. Dort stieg ich nach der 2. Elternzeit ein. Ich kann Homeoffice machen, sehr flexibel arbeiten und meine Stimme zählt. In der Firma meines Mannes gibt es sogar bezahlten Urlaub nach der Geburt – eine tolle Idee!

Laura: Was würdest du einem Personaler sagen, der immer wieder die gleiche Leier von den Müttern erzählt, die so unflexibel sind und dauernd kranke Kinder versorgen müssen?

Sarah: Dass das vollkommen überholt ist. In der Zeit, in der ich für Kleine Fabriek arbeite, musste ich nicht einen Kinderkranktag einreichen. Ich konnte die Zeit nacharbeiten und auch Stunden für diese Fälle ansparen. Klar werden Kinder krank, aber wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber entgegen kommen, sorgt das für ein gutes Arbeitsklima und gute Ergebnisse. Sicher sind Eltern an gewisse Zeiten gebunden – allein die Öffnungszeiten der Kitas und Schulen – doch das muss nicht zum Problem gemacht werden. Wichtig ist der Inhalt der Arbeit.

Laura: Kannst du noch zum Schluss formulieren, was dein Arbeitgeber von seiner Familienfreundlichkeit hat? Wieso macht er es so vorbildlich und wieso kommen nicht andere darauf, dass es so gehen könnte? Hast du dazu eine Erklärung?

Sarah: Homeoffice geht natürlich nicht in alles Jobs. Doch hier liegt der Vorteil darin, dass man weniger Fehltage der Homeoffice-Mitarbeiter zu erwarten hat. Glückliche Mitarbeiter sind zufriedener und vermutlich auch eher bereit, Zeit nach zuarbeiten, anstelle sich krank schreiben zu lassen. Das ist leider noch nicht überall angekommen. Den Eindruck habe ich von größeren Berater-Firmen, in denen Anwesenheitspflicht sehr hoch angesehen ist. Wichtig ist zudem das Arbeitsergebnis, nicht die Anwesenheitszeit. Man kann auch in vielen Stunden im Unternehmen sitzen und nichts schaffen. Mein Mann bekommt in seinem (weltweit agierendem) Unternehmen sogar Kinderkranktage voll bezahlt. Das ist die richtige Richtung. Das müsste nur noch in den Köpfen anderer Arbeitgeber vorkommen. Und aus Sicht des Arbeitnehmers: warum sollte ich zu einem Arbeitgeber gehen, der mir diese Dinge nicht ermöglicht?

Familienfreundliche Arbeitgeber

Herzlicher Empfang nach der Elternzeit

Eine Leserin des Blogs hat mir folgende Nachricht geschickt, die Hoffnung auf mehr familienfreundliche Unternehmen macht:

Mein Arbeitgeber ist das Traunmed Sport-und Rehazentrum. Es ist schon immer ein Familienunternehmen und dementsprechend ist die Stimmung trotz der fast 60 Mitarbeitern sehr familiär. Als ich im Herbst 2015 sagte, dass ich schwanger bin, wär die Reaktion meiner Chefs unglaublich: „super, toll, wir freuen uns für euch, das kriegen wir auch noch groß usw.“ Man muss dazu wissen, dass ich als Physiotherapeutin mittlerweile zu einer bedrohten Spezies gehöre…unser Beruf hat richtige Nachwuchssorgen, die Wartezeiten bei uns für Krankengymnastik sind ewig lang. Trotzdem haben mich meine Chefs und auch die Kollegen geschont und beschützt, wo immer es notwendig war. Ich habe bis zum Mutterschutz gearbeitet und mich immer wohl gefühlt. Als meine Maus 3 Monate alt war (ich war trotz Mutterschutz und auch nach der Geburt mind. 1x wöchentlich zum Brotzeit bringen und ratschen dort), hab ich meine Chefs gefragt, ob sie mich für ein paar Stunden wieder haben wollen – ich wurde empfangen wie nach einer ewig langen Reise! Und als ich jetzt zum Wiedereinstieg von 39 auf 36,5 Wochenstunden reduzieren musste, weil ich sonst die Prinzessin in der Krippe nicht abgeben kann, waren sie auch sofort dabei und haben sich riesig gefreut, dass ich wieder komme. Mein Gehalt ist deutlich mehr als vorher und ein Firmenauto bekomme ich auch. Ich kann also echt nur schwärmen!

Wie stellen wir uns familienfreundlichen Unternehmen vor?

Nina und ich haben via Social Media dazu aufgerufen, Texte zum Thema #arschcoolerArbeitgeber einzureichen. Die Zahl der Antworten war bombastisch, allerdings haben die meisten erzählt, warum sie keine coolen Arbeitgeber haben. Familienfreundliche Unternehmen – Fehlanzeige! Dennoch bin ich mir sicher, dass es schon viele Firmen gibt, die da mit tollem Beispiel voran gehen. Aber was erwarten Eltern denn von einem familienfreundlichen Unternehmen? Eine Leserin hat diese Punkte genannt:

  • ohne Probleme nach der Elternzeit zurück in den Job kommen, egal ob Eltern drei Monaten oder drei Jahre weg waren
  • dass Männer Elternzeit nehmen dürfen, auch gerne länger als die üblichen „Vätermonate“
  • Eltern bekommen mehr Kinderkranktage und müssen nicht am schon ersten Tag mit dem fiebernden Kind zum Arzt

Ich selber habe mir natürlich auch Gedanken gemacht und möchte drei Punkte auflisten, die ich mir von einem familienfreundlichen Unternehmen wünschen würde

  • zunächst einmal: Verständnis für Eltern. Wir sorgen nicht nur für uns alleine, sondern wir sorgen uns um mindestens ein Kind. Im Gegenzug aber sollten Vorgesetzte und Eltern Verständnis für Nicht-Eltern aufbringen. Die Kollegen ohne Kinder dürfen sich nicht ungerecht behandelt fühlen, weil immer nur der Familienvater im August in den Urlaub geht oder nur die Mitarbeiterin mit den zwei Kindern den Brückentag frei hat. Der Vorgesetzte hat die Aufgabe, Streitigkeiten zu schlichten und dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeiter wohl fühlen, ob mit oder ohne Kind
  • wichtig ist mir vor allem, die unsägliche Sitte der befristeten Verträge abzuschaffen. Wenn ein Mitarbeiter nicht zum Unternehmen passt, findet das der Chef in der Probezeit raus, und darf diesen dann auch kündigen. Noch schlimmer als ein befristeter Vertrag sind mehrere hintereinander. Hier erwarte ich Lösungen von der Politik. Denn Verträge auf Zeit sind die besten Verhütungsmittel in einer Gesellschaft, die dringend Kinder braucht
  • Ich wünsche mir eine Veränderung in der allgemeinen deutschen Unternehmenskultur. Wie können Abteilungen, die nicht aus Herzchirurgen und Anästhesisten bestehen, Freitags um 16 Uhr einen Termin in den Kalender setzen? Dass das für Eltern schwierig ist, ist wohl klar. Arbeit muss Eltern möglich gemacht werden, denn sie machen es so gut oder so schlecht wie Nicht-Eltern auch. Skype-Konferenzen, Home-Office, menschliche Zeiten für Besprechungen und die Abschaffung der Formel „möglichst viel Zeit im Büro absitzen = guter Mitarbeiter“ sind gute Ideen, um mal generell etwas zu ändern. Das kommt dann auch Nicht-Eltern zugute, die vielleicht mal einen kranken Verwandten oder Partner betreuen müssen oder einfach eine Auszeit brauchen. Das Konzept des „atmenden Lebenslaufs“ könnte da ganz neue Türen öffnen.

In den letzten drei Jahren meiner Selbstständigkeit habe ich übrigens mit meinen Kunden nur gute Erfahrungen gemacht. Ich hänge meine Elternschaft in meiner Agentur nicht an die große Glocke, aber natürlich ist es Thema, weil ich nur vormittags im Büro zu erreichen bin. Bisher hatte jeder einzelne Kunde Verständnis für diese Tatsache. War mal kurzfristig „Land unter“, weil die Kids krank oder der Kindergarten zu war(en), haben wir immer eine Lösung gefunden. Meine Kunden haben Rücksicht auf mich und meine Kinder genommen, ich habe im Gegenzug verlässlich und gut gearbeitet (und auch öfters mal ne Nachtschicht eingelegt). So haben wir alle Projekte erfolgreich gewuppt. Letztlich waren immer alle zufrieden und ich konnte meinen Kindern gerecht werden, wenn sie mich brauchten. Denn am Ende ist die menschliche Seite doch für alle das wichtigste! Das wäre doch eine tolle Unternehmenskultur für familienfreundliche Unternehmen, oder?

Familienfreundliche Unternehmen

Ich freue mich auf eure Kommentare. Wie sieht für euch familienfreundliche Unternehmen aus? Habt ihr gute oder schlechte Erfahrungen gemacht?

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