Neuland

Ildiko von Kürthy: Neuland

Ildiko von Kürthy hat ein neues Buch geschrieben

Diese Autorin begleitet mich seit meiner Jugend. Bereits als Teenie konnte ich es kaum glauben, dass da eine Frau meine Gedanken und Gefühle so wunderbar in Worte fasst, als wären sie in meinem eigenen Kopf entstanden. Ich habe „Mondscheintarif“ verschlungen und mir emsig Zitate in mein Tagebuch notiert. Auch jetzt, beim Lesen von „Neuland“, dem allerneuesten Werk, erging es mir so. Ein Buch von Frau Kürthy zu lesen ist wie mit der besten Freundin drei Tage ins Wellness-Hotel zu fahren und sich bei Massagen, Prosecco und guten Gesprächen wohl, verstanden und hinterher wie neu zu fühlen.

Neuland
© Rohwolt Verlag 2016

Neuland – Ein Lesegenuss für Frauen

Mich erreichte Anfang der Woche ein Rezensionsexemplar von „Neuland“, das mir der Rohwolt Verlag dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat. Ich habe es noch nachmittags aufgeschlagen, die ersten Seiten gelesen und mich auf den Abend gefreut. Als die Kinder im Bett waren, habe ich es mir dann mit Tee und Buch gemütlich gemacht und geschmökert, bis mir die Augen zufielen.

Ildiko von Kürthy, Sie müssen meine Seelenverwandte sein. Oder Sie schreiben ganz einfach das, was viele Frauen denken, aber nicht sagen. Und diese wunderbare Art, zwischen Alltäglichem, Äußerlichem, Oberflächlichem, mit dem sich die Damenwelt andauernd beschäftigt, den Ausgleich zu finden zu all den Dingen, die wirklich zählen – das schätze ich so sehr an Ihren Büchern. Auch in „Neuland“ geht es oft um Figurprobleme (kenne ich), um Beziehungsschwierigkeiten (habe ich auch mal von gehört), um Genussmittel und deren maßvollen extensiven Gebrauch (woher wissen Sie das nun schon wieder?). Aber es geht auch um das Leben, um Verlust und Tod, um die Liebe zu Mann und Kindern, um echte Freundschaft und um das, was wirklich zählt: um die inneren Werte, auch wenn Sie dazu Wolfgang Joop erwähnen, der einst sagte, dass „Mann“ zur Selbstbefriedigung keine Röntgenbilder benutze…

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Zusammenfassung von „Neuland“

Ildiko von Kürthy beschließt in einer Sylvesternacht, ihr Leben zu ändern. Sie fühlt sich vollgefressen, von innen und von außen, und nimmt sich vor, ein Jahr lang gesund zu essen, abzunehmen, blond zu werden, zu meditieren und die verschiedensten Dinge auszuprobieren, um sich selbst und ihr Leben leichter zu machen. Ob Schweigekloster, Wildnis-Urlaub, Selbstverteidigung, Rhethorik-Kurs, Fitness-Bootcamp – sie lässt nichts aus und macht dabei ihre ganz eigenen Erfahrungen, die sie auf höchst ironische, witzige, aber auch ernste Art an den Leser weitergibt. Am Ende gibt es ein paar Dinge, die sich als äußerst bereichernd herausgestellt haben. Welche, verrate ich nicht. Aber das Blondsein, die langen Fingernägel und die Botox-Spritzen sind es definitiv nicht.

Da spricht eine Frau, die so ist wie ich

Nicht umsonst schreibt der Stern, dass Frau von Kürthy die Seelen-Sanitäterin deutscher Frauen ist. Aber meine ganz besonders!

– auch ich gehe meiner eigenen Persönlichkeit gerne und oft aus dem Weg (S. 12)

– auch ich bin nicht in der Lage, eine Pause als solche zu nutzen, sondern mache statt dessen lieber die Wäsche (S. 20)

– eine wahnsinnige Tatsache: auch ich denke, wenn ich eigentlich Yoga oder Progressive Muskelrelaxation machen möchte und meine Gedanken zur Ruhe kommen sollen, über Wladimir Putin nach und frage mich, wie er wohl privat so ist…. (S. 29)

– auch ich bleibe zunächst beim Sonnenbaden weiß, werde dann rot und garantiert hat in meinem ganzen Leben noch nie Jemand zu mir gesagt: „Bist du aber braun geworden!“ (S. 142f)

– auch ich trinke und rede oft zu viel, bin maßlos, hin und wieder unpassend angezogen und gehe nicht raus, wenn es regnet..

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Es könnte ewig so weitergehen, und so bleibt nach der Lektüre dieses wunderbare warme Gefühl, dass da eine Frau ähnliche Probleme hat, und dennoch eine wahnsinnig tolle, liebenswürdige, humorvolle Person ist. Also bin ich, so mein Resumee, mit all meinen Fehlern vielleicht auch toll und liebenswürdig?!

Das Buch hat eine Menge zu bieten, was wirklich unter die Haut geht. Frau von Kürthy ist zwar lustig, dass sich die Balken biegen, aber sie hat in ihrem Leben nicht nur Schönes erlebt. Ihre Erinnerungen an die Eltern, an deren Tod, ihr Besuch im Sterbe-Hospiz und die Gedanken, die sie sich um das Leben macht, sind mehr als berührend. Und so kam es, dass mein Mann sich abends, neben mir auf dem Sofa, ein wenig wundern musste, weil ich abwechselnd beim Lesen von „Neuland“ laut auflachte und dann wieder in mein Taschentuch schluchzte. Natürlich habe ich wieder emsig Zitate notiert. Mindestens eines davon lasse ich mir demnächst auf meinen Unterarm stechen.

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Das Dilemma der Frauen

Warum ich Frau von Kürthy noch verehre? Nun ja, in mir steckt eine Feministin. Und sie formuliert so treffend das Frauen-Dilemma, dass ich beim Lesen mit dem Kopf nicke wie der Wackeldackel auf der Auto-Rückbank. Ein Auszug gefällig?

Die Schüchternheit mancher Frauen lässt mich ratlos zurück. Was mag da hinter dem Panzer aus Zurückhaltung und Konvention alles schlummern? (…) Oder funktioniert unsere Welt nur, weil Frauen tendenziell brav sind, (ACHTUNG; ZEIGEFINGER ZEIGT BEI DEN NÄCHSTEN BEIDEN PUNKTEN AUF MICH, LAURA) sich um die Weihnachtsgeschenke für die Schwiegereltern kümmern, leere Klopapierrollen auswechseln und später keine Kriege anzetteln?“ (S. 13)

Warum sind Mütter so?

Last but not least, und warum diese Rezension so wunderbar zu meinem Blog passt, stimme ich der Autorin auch in ihrem Mütterbild voll und ganz zu. Nicht nur, dass auch ich meine Kindern niemals mit den Styropor-Hirsekringel aus dem Drogeriemarkt belästigen würde. Es stimmt meiner Meinung nach nämlich außerdem, dass sich Mütter gegenseitig das Leben schwer machen (S. 147), oder wie der Lateiner zu sagen pflegte: „die Mutter ist ein Wolf für die Mutter“. Ich finde, Frau Kürthy hat recht wenn sie sagt, dass viele Mütter andere für deren Erziehungsstil verurteilen, und mit „brutaler Hingabe“ die eigenen Werte als die einzig richtigen erklären. Da wird das Familienbett zum Maß aller Dinge und die Maser-Mumps-Rötel-Impfung zur Sünde stilisiert. Schön und gut für die Eltern, die das praktizieren. Aber warum muss diese Haltung immerzu wie ein Pamphlet und mit missionarischem Eifer durch die Gegend posaunt werden?

Frau von Kürthy beweist Mut zwischen all diesen Super-Mamas heutzutage: sie sagt, dass sie keine gute (also perfekte und allzeit pädagogisch wertvoll handelnde) Mutter ist, und auch keine kennt. Denn an diesem Anspruch scheitert sowieso auf kurz oder lang jede Frau. „Und das verdirbt, früher oder später, allen die Laune.“ (S. 148)

Um meine Begeisterung im Zaum zu halten, beende ich nun mein Loblied auf „Neuland“ und empfehle allen Frauen, ob Mütter oder nicht, dieses zu lesen. Ich bin mir sicher, dass wirklich Jeder hier ein für sich bedeutendes Zitat in sein Tagebuch kritzeln oder in sein Smartphone-Notizen tippen kann. (Vielleicht soger der eine oder andere Mann, siehe Joop-Zitat) Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Werk und wünsche der Autorin bis dahin, dass sie so bleibt, wie sie ist: eine Frau mit kleinen Makeln, mit einer wahnsinnig tollen Schreibe, einen großen Herz und die beste Seelentrösterin aller Zeiten. Eines meiner Lieblingszitate muss ich noch bringen:

„Mein Aschenbecher war immer voll, die Flasche leer, die komplette Tafel weg und mit allen, mit denen ich an der Haustür geknutscht habe, wollte ich für immer zusammen sein.“ (S. 38)

Beschreibt auch mein Leben im Großen und Ganzen sehr treffend… Lest, lacht und genießt, eure Laura

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