Schwangerschaftsgelüste: Von Leberkäse und Nagellacken

Ist es eigentlich echt wie im Film? Da wünscht sich die schwangere Frau abends nach 20 Uhr, dass der Mann bitte in den Supermarkt fährt, um saure Gurken zu holen. Sobald er zurückkommt, das Glas in der Hand, ist der Dame lieber nach Schokoladentorte? – Ja, es ist so wie das Klischee, und sogar noch schlimmer. Das Gehirn und der Geschmackssinn fühlen sich an, als wäre einer mit einem Pürierstab durchgegangen und hätte alles durcheinander gebracht, was zuvor so wohl geordnet war.

Seit ich denken kann, mag ich Parfüm, duftende Waschgels, Männer, die dezent nach einem guten Wässerchen duften oder frisch gewaschene Wäsche, die mindestens einen vollen Becher Persil abbekommen hat. Dagegen verabscheue ich Leberkäse-Brötchen und Fleischsalat über alle Maße und ekele mich vor zu lange benutzter Bettwäsche. Seitdem ich schwanger bin, hat sich das ins Gegenteil verkehrt. In den ersten Wochen ernährte ich mich fast ausschließlich von Leberkäse mit Senf, hin und wieder konnte es auch eine Gyros Pitta sein. Fleisch- oder Gurkensalat durften gar nicht genug Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker haben. Ich habe sie mir aus der Verpackung in den Mund geschaufelt. Manchmal habe ich mir eine Salatsoße ohne Salat dazu gemacht.

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Aber sobald ich mein eigenes Parfüm gerochen habe, hätte ich brechen können. Wenn ich in den Hausaufzug stieg, den zuvor unser gut mit After Shave eingedieselter Nachbar benutzt hatte, wurde mir flau im Magen. Und Waschgel, Deo oder Rasiergel lösten weitere Brechreize aus. Anton hätte ich am liebsten das Duschen und Haare waschen verboten – alle olifaktorischen Eindrücke waren angenehmer als Männer-Kosmetika. Aber das allerschlimmste, wirklich das allerekeligste der Welt ist seit nun mehr acht Monaten der Geruch von Waschpulver. Ich kann keinen Pullover anziehen, der mit Ariel, Persil oder sonstigen Konsorten gewaschen wurde. Zum Glück gibt es neutrale Varianten. Vergisst Anton meine Aversion, kann ich nicht mal mehr unsere Kinder in frischen T-Shirts riechen. Nachts schlafe ich am liebsten in Bettwäsche, die mindestens drei Wochen in Benutzung war und mir graut vor dem Tag, an dem ich das Wechseln nicht länger aufschieben kann.

Die unbändige Lust auf Dispersionsfarbe

Meine Hebamme meinte direkt, dass das kein Wunder sei: „Das sind alles künstliche, chemische Mittel und es ist ganz normal, dass du diese als Schwangere meidest!“ Aber ich konnte sie eines besseren belehren: ich halte mich derzeit am allerliebsten in der Farbabteilung eines Baumarktes auf und schnuppere die fruchtigen Dämpfe von Lack und Dispersionsfarbe, als handele es sich um Frühlingsblumen mit außergewöhnlichem Bouquet. Wäre es nicht so ungesund, so füllte ich mir am liebsten ein paar Tropfen Silikonharzfarbe in die Duftlampe im Wohnzimmer oder packte mir ein Gläschen Nagellackentferner in die Handtasche, um immer mal wieder daran zu schnüffeln.

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Das alles klingt jetzt lustig, ist aber im Alltag höchst unangenehm. Gerade macht man das Abendbrot mit der Familie, schon zwirbelt es einem durchs Hirn: jetzt eine Spaghetti Bolognese. Und es geht nicht anders, ich muss dann auf der Stelle zum Metzger gehen und 300 Gramm Hackfleisch besorgen. Alles andere interessiert mich nicht mehr. Vielleicht kennen Raucher das Gefühl, ohne eine Zigarette demnächst auszuflippen. Es ist aber auch wie der Moment, in dem man nachts mit höllischem Brand aufwacht, und glaubt, ohne eine Flasche Sprudel auf Ex sofort verdursten zu müssen. Und es geht mir ständig so.

Mein Feinschmecker-Menü: Lakritze und Banenenmilch

Am kuriosesten war der Abend, an dem ich im Fernsehen eine Reportage über Pandas in einem japanischen Zoo schaute. Sofort bekam ich so unbändige Lust auf Lakritz-Bären von Katjes, dass Anton ins Auto steigen und nicht weniger als vier Tankstellen danach abklappern musste, bevor ich das Zeug endlich in meinen Händen hielt und ratzfatz verputzte. Den schwarzen Bärendreck spülte ich mit einer Flasche Müllermilch in der Geschmacksrichtung Banane runter – bei diesem Anblick wurde es dann Anton sehr, sehr schlecht.

Jedenfalls bin ich froh, wenn sich dieser unwürdige Zustand in wenigen Wochen wieder normalisiert, und ich nicht mehr zwischen den Supermarktregalen eine noch unbezahlte Flasche Punica Tropical Fruit inhaliere wie eine Alkoholikerin, die es ohne einen großen Schluck aus der Kümmerling-Pulle nicht mehr bis zur Kasse schafft.

Und, habt oder hattet ihr auch solche Schwangerschaftsgelüste? Könnt ihr für Hefezopf mit Leberwurst sterben, oder fixt euch der Duft von Super Plus Benzin an? Ich bin gespannt, vielleicht kann ich mir noch ein paar Inspirationen holen!

Liebe Grüße, Laura

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