Von Spielplätzen und vom Nein-Sagen

Lach- und Krachgeschichten

Ich bewundere Jimmys Fähigkeiten, Anfragen und Bitten formlos ablehnen zu können, denn ich bin selbst eine notorische Ja-Sagerin. Kleine Gefälligkeiten unter Freunden, Spendenaufrufe für benachteiligte Lebewesen aller Art oder Elternbeiratskandidaturen, ich sage „Ja“, lächle freundlich und beiße mir anschließenden ins Hinterteil wegen meiner voreiligen Zusage. So auch beim Kinderturnen. Die sympathische und engagierte Turnlehrerin fragte nach meiner Mithilfe bei der Aufsicht, also bin ich von nun an Mittwochnachmittags Sport-Assistentin und das, obwohl wir in unserer Familie alle aus Prinzip seit Generationen die Note Vier im Schulzeugnis stehen hatten.

Eigentlich wollte ich diese sympathische Verweigerung jeglicher Betätigung, die nur im entferntesten mit dem Thema „Turnen“ zu tun hat, auch meinen Kindern weitergeben. Aber da der Osteopath Jimmy eine Muskelschwäche attestiert hat, bekam er sozusagen die Turnstunde auf Rezept und dazu die Aufforderung, ganz, ganz viel auf den Spielplatz zu gehen.

Und jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema: Nachmittage auf dem Spielplatz. Ich selbst konnte mir die knallharte Realität bis vor ein paar Jahren nicht vorstellen und malte mir folgendes Bild aus:

„Wenn ich mal Kinder habe, gehe ich natürlich nachmittags mit ihnen auf den Spielplatz. Dort haben sie frische Luft, bauen Sandburgen, rutschen, klettern und amüsieren sich ganz vorzüglich. Ich selbst mache es mir mit einer Thermoskanne und diversen Frauenzeitschriften auf der Bank bequem und werder nur im Lesen unterbrochen, wenn eine sympathische Mutter für einen kleinen Schwatz neben mir Platz nimmt.“

Hahaha, lachen jetzt wohl alle Mütter da draußen im Chor, die sich selbst tagtäglich mit ihrem Nachwuchs auf Spielplätzen in der Nachbarschaft rumtreiben. Die Wahrheit sieht nämlich ganz anders aus:

Das Drama beginnt schon beim Verlassen der Wohnung. Welches Kind nimmt welches Fahrgerät mit? Jimmy will den Roller, darauf fährt er aber nicht richtig. Er weiß einfach nicht, wie man sich auf diesem Ding fortbewegt. „Nimm bitte das Laufrad“, sage ich. Jimmy heult und verlangt nach dem Roller. Luise setzt sich auf Jimmys Laufrad. Jetzt wird er sauer, schubst seine Schwester vom Rad und setzt sich selber drauf. Luise weint und ruft „meins, meins, meins!“. Ich packe sie, setze sie in den Kinderwagen. Darauf noch lauteres Weinen. Sie möchte auch ein Fahrzeug! Ich nehme ihr Rutschauto mit, denn sonst kommen wir heute nie auf dem Spielplatz an. Helme eingepackt und Tasche mitgenommen, los gehts mit zwei schluchzenden Kindern.

Der Nachbar fragt: „Na, verreisen Sie?“, und deutet auf meine XXL-Tasche. Darin befinden sich zwei Trinkflaschen, Bananen, Äpfel, Kekse, Windeln, Ersatzklamotten, zwei Matschhosen, Mützen gegen Sonne oder Kälte, Sandspielzeug, Straßenkreide, Fotoapparat sowie eine Tüte für Kastanien. Luises Rutschauto hängt oben drüber. Es heißt deshalb so, weil es mir immer runterrutscht und auf die Füße knallt. Ich schwitze.

 

Bis wir beim Spielplatz ankommen, ist Jimmy durch eine Pfütze gefahren, hat sich die Hose nass gemacht und eine neue angezogen, wir haben auf dem Bauernhof Kühe und Pferde begrüßt, eine Katze gestreichelt, sind auf dem Mäuerchen balanciert und Luise ist runtergefallen. Außerdem möchte sie jetzt nicht mehr im Wagen sitzen, sondern laufen. Und das immer in die entgegengesetzte Richtung. Jimmy muss mal.

Als wir auf dem Spielplatz ankommen, bin ich nass geschwitzt. Aber das war nur das Aufwärmen. Jetzt geht die eigentliche Sportstunde los. In den nächsten 60 Minuten hebe ich Luise 25 Mal die Rutsche hoch, renne ihr daraufhin hinterher, weil sie alle Kinder unter drei Jahren beißen will, packe Straßenkreide und Sandspielzeug aus, schubse beide Kinder „ganz feste“ beim Schaukeln an, behalte den Überblick über unsere sieben Sachen, renne Luise hinterher, die mit ihrem Rutschauto auf die Straße fährt, tröste Jimmy, der von der Turnstange gefallen ist und verteile pausenlos Essen und Trinken an die hungrigen Mäuse. „Warum haben wir keinen Ball dabei?“, jammert Jimmy.

Ich mache ein paar Fotos. Dann ist Jimmy weg. Ich suche ihn schweißgebadet und finde ihn mit der Straßenkreide in einem Spielhäuschen, wo er alle Wände beschmiert hat. Luise nuckelt inzwischen an allen Trinkflaschen, die aus fremden Müttertaschen schauen. Bananen und Äpfelschnitze hat sie um sich rumverteilt und entdeckt jetzt ein Kind, das einen Schokokeks in der Hand hält. Sie stürzt sich auf den Jungen, entreisst ihm den Keks und verpasst ihm noch einen Schubs. Ich gehe dazwischen und entschuldige mich bei der Jungenmama. Ich schwitze wieder, diesmal vor Scham. Für den weiteren sprachlichen Austausch mit anwesenden Frauen habe ich keine Zeit, denn Jimmy ruft nach Hilfe beim Pipi machen. Es klappt mal wieder nicht, wie es soll, und die Hose ist nass. Mist, denke ich, keinen zweiten Ersatz dabei. Achso, wo ist eigentlich Luise???????

Es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Zum Glück!!! Nun versuche ich, unsere Sachen einzusammeln und dabei den Überblick über Tochter und Sohn zu behalten. Wie machen das Mütter mit mehr als zwei Kindern? Luise will nicht in den Wagen. Jimmy schimpft, weil er bleiben will. „Gehen wir morgen wieder auf den Spielplatz?“ – „Nein„, rufe ich nassgeschwitzt. Na also, geht doch!

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