Was für ein Theater

Jimmy auf Kul-Tour

Gestern war mal wieder ein Theaterbesuch geplant. Seit Wochen brüllten uns tausende Plakate entgegen, dass der Grüffelo in die Stadt kommt. Und na klar, Jimmy und ich wollten auch dabei sein. Luise, die begeistert „Grüffeli“ rief, sobald sie das Schild sah, ließen wir zuhause, obwohl laut Angabe Kinder ab zwei Jahren willkommen seien.

Als hätten wir es geahnt, war das die richtige Entscheidung, aber davon später mehr. Auch Jimmys Freund Emil sollte dabei sein, und die Jungs freuten sich riesig auf die Begegnung mit dem Grüffelo-Kind. Eine Viertelstunde vor Beginn trafen wir am Festzelt ein und sahen gerade, wie sich ein Kind vor das Kassenhäuschen übergab. Kurze Zeit später wurde mir auch klar, warum: der Eintritt kostete schlappe neun Euro pro Kopf, ob großer oder kleiner. Clever vom Veranstalter, den Eintrittspreis nicht aufs Plakat zu schreiben. Blöd für die fünfköpfige Familie, die mal locker den Fuffi aus der Tasche holen musste, um den Kindern dieses Vergnügen zu bieten.

Jimmy interessiert sich nicht für Geld und wir spazierten frohen Mutes ins knallheiße und knallvolle Zelt und nahmen auf wackeligen Gartenstühlen Platz. Vorne lockten funklende Zauberstäbe und Zuckerstangen darauf, dass die Mamas und Papas nochmal den Geldbeutel zückten. Die dazugehörigen Verkäufer schauten so griesgrämig drein, als wären sie mit Grüffelo verwandt. Jimmy war immernoch gut aufgelegt, ich dagegen leicht gereizt. Als es losging, neben uns der gespannte Emil, hatte sich Jimmy schnell auf meinen Schoß geflüchtet, denn der Sound war irre laut. Emil hielt sich die Ohren zu, und nachdem auch noch gruselige Geräusche aus den Lautsprechern ertönten, ließ er meine Hand nicht mehr los. Ein versiffter Grüffelo, der vom Grüffelo-Kind altmodisch „Vati“ gerufen wurde, brüllte über die Bühne. Dann begannen die Puppen stocksteif ihren kreativlosen Monolog: „Geh nie nach drauß-en in den Wald hin-aus, denn da wooohnt die grooooße, böse Maus.“ Der Sprach-Rhythmus der Vortragenden entsprach ungefähr dem eines Zweitklässlers, der Schillers „Glocke“ vortragen muss. Ich hatte die wage Vermutung, dass der mürrische Platzwart auch die Rolle des Puppenspielers besetzen musste. Nach 20 Minuten gab es eine Pause – ich war in der brütenden Hitze tatsächlich eingenickt. Wie wunderbar, dass nun erfrischende Zuckerwatte feilgeboten wurde, da zückten doch gleich ein paar Omas den Geldbeutel.

In der zweiten Hälfte kam dann natürlich noch die große böse Maus, und Emil blickte sich panisch nach seiner Mama um. Spätestens hier wäre Luise, hätten wir sie mitgenommen, in Ohnmacht gefallen. Aber auch die Jungs waren nahe dran und in meinen Ohren hörte ich es dank des Sounds nur noch fiepen. Fünf Minuten vor Schluss des Stückes kam der Platzwart hinter dem Vorhang hervor, öffnete das Zelt und begann, das Kassenhäuschen abzubauen. Schon 15 Minuten, nachdem wir das Zelt verlassen hatten, war es komplett im Laster verschwunden. 20 Minuten später war auch von den zwielichtigen Gestalten nichts mehr zu sehen, und ich dachte kurz, wir hätten uns alles nur eingebildet.

Jimmy hats gefallen, und er hat nachts auch nicht schlecht geträumt. Aber in meinen Träumen kniffen zwei kleine Jungs meine Hand, weil vor uns ein siffiges Vieh auftauchte, das laut brüllte. In seinem Po steckte der Arm eines griesgrämig drein blickenden Halunken, der mir im gleichen Moment den Geldbeutel aus meiner Tasche zog. Aus seinem Mund quoll Zuckerwatte. Von ferne rief das Grüffelo-Kind: „Geh nie dort hin, wo die Zelte sind!“ „Warum“ rufe ich, „Warum“? Dann kommst du nie wieder zurück. Denn dort läuft ein miserables Theaterstück.“

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