Was wird nur aus den Kindern? Wenn Eltern auf Erziehung zur Selbstständigkeit verzichten (plus Gewinnspiel)

Angst um die Zukunft

Ich mache mir Sorgen! Normalerweise liegt es mir sehr fern, die Erziehung anderer Eltern zu hinterfragen. Mamas und Papas wissen ganz genau, was für sie und ihre Kinder gut ist. Vor allem will ich den Blog nicht nutzen, um hier meinen eigenen Way of Life zu predigen und diesen als den einzig richtigen auszugeben. Aber auch wenn ich dünne Nerven, eine laute Stimme und manchmal zu wenig Verständnis für nölende Vierjährige habe, so weiß ich eines gut: Kinder zur Selbstständigkeit und zur Verantwortung zu erziehen ist wichtig, sogar SEHR wichtig. Und wenn ich manchmal so um mich blicke, wird es mir da ganz anders…

Mir wird es anders, wenn ich unsere Gesellschaft sehe. Die Schulden des Landes waren niemals so niedrig wie jetzt, aber die Kinderarmut ist nach wie vor erschreckend hoch. In unser Land fliehen Menschen aus Kriegsgebieten und bitten um Schutz, doch die rechten Lager werden größer und lauter und wir haben eine populistische Partei im Bundestag, die in ihren Reihen Menschen toleriert und unterstützt, die antisemitische Reden halten und Flüchtlinge verunglimpfen. Atommächte rüsten auf und immer mehr undemokratische Politiker bekommen immer mehr Macht. Wir leben in einer Welt, die Menschen brauchen wird, die Verantwortung übernehmen. Für sich selbst und für andere, denn nur wer es gelernt hat, für sich selbst zu sorgen, kann dies auch für seine Mitmenschen tun.

Düstere Aussichten

Und was hat das nun alles mit Eltern und ihrer Erziehung zu tun? Nun ja, für mich gibt es da eine Verbindung. Ich möchte dir von einem Wochenende erzählen, das ich gemeinsam mit meinem Chor verbrachte. In den Sing-Pausen saßen wir zusammen und unterhielten uns. Ein Psychologe erzählte aus der Personalabteilung von den jungen Menschen, die immer nur hohe Gehälter verlangten, aber wenig Leistung bringen möchten. Zwei Lehrerinnen erzählte von den Schülern, deren Eltern sofort an der Tür stünden, wenn es Probleme gäbe und sie als Lehrerinnen für alles verantwortlich machten. Eine Polizistin berichtete von Straftaten und ich war bald ein wenig genervt von all den pessimistischen Schilderungen um mich herum. War es nicht immer schon so, fragte ich den Psychologen, dass ältere Generationen schlecht von der neuen dachten? Dass jede neue Generation einfach anders ist und anders sein will und sich die Eltern- und Großeltern-Generationen erst einmal an alles Neue gewöhnen müssen? Der Psychologe verstand, was ich meinte, aber er erzählte, dass er es vermisse, dass die jungen Menschen Verantwortung übernehmen. Für sich selbst und für andere Menschen. Kommt das daher, dass sie es immer weniger lernen?

Mir fiel wieder ein, wie sehr ich mich über die Vorstellung amüsiere, dass es mittlerweile an meiner alten Uni Eltern-Informationstage gibt. Nie im Leben wäre mein Vater auf die Idee gekommen, meinem Professor einen Besuch abzustatten oder in der Mensa nach den Speiseplänen zu schauen. Neulich habe ich im Fernsehen eine Reportage angeschaut in der es darum ging, dass Handwerksbetriebe kaum noch Auszubildende bekämen und wenn doch, diese viel zu oft die Lehre abbrechen. Es war eine sehr traurige Story über junge Menschen, die schnell keine Lust mehr haben und sich selbst wenig zuzutrauen scheinen.

Es beginnt, wenn sie klein sind

Ich möchte einen Schritt in deine Richtung gehen, denn du hast vermutlich wie ich noch kleinere Kinder. Weißt du, was mir auffällt? Um mich herum lernen auch diese Kinder viel zu selten, Verantwortung zu übernehmen – und zwar für sich selber. Meine beiden großen Kinder sind fünf und fast sieben Jahre alt und für mich in einem Alter, in dem ich ihnen die ersten eigenen Schritte zumuten kann und möchte. Ich zwinge sie nicht, aber ich schiebe sie behutsam in die richtige Richtung. Oberste Priorität hat für mich natürlich: wer sich nicht traut, bekommt Hilfe. Und wer sich dann immer noch nicht traut, der muss auch nicht. Was meinst du denn damit jetzt genau, fragst du dich vielleicht? Ich möchte dir erzählen, was für mich wichtig ist!

Alleine zur Schule gehen

Ich finde zum Beispiel, dass es einem Grundschulkind zuzumuten ist, den Schulweg alleine zu gehen. Ist dieser sehr lang oder besonders gefährlich, muss man das Risiko natürlich abwägen. Aber bei uns zuhause läuft mein Sohn etwa fünf Minuten und überquert zwei mäßig befahrene Straßen. Er geht diesen Weg zusammen mit seinem Freund und die beiden passen aufeinander auf. Es gab schon brenzlige Situationen. Die beiden haben mir davon erzählt und mir ist ganz komisch geworden. Aber wir sind den Weg noch einmal zusammen abgelaufen und haben geübt, wie sie über die Straße gehen können. Ihn jeden Tag zu begleiten käme für mich nicht in Frage und ich mache das nur dann, wenn sein Freund krank ist und er sich alleine nicht traut. Über die vielen Mütter, die ihre Kinder morgens zur Schule begleiten und dabei auch noch den Ranzen ihres Kindes tragen, wundere ich mich. Warum bilden sie nicht wenigstens Laufgemeinschaften?

Alleine Brötchen holen

Ich lasse meine Kinder gerne alleine Brötchen holen. Sie fassen sich bei der Hand, bekommen eine Tasche mit Geld und marschieren los. Die Bäckerin um die Brötchen zu bitten und das Geld richtig abzuzählen ist eine anspruchsvolle Aufgabe und die beiden sind sehr stolz, wenn sie zurückkommen. Das sind übrigens auch die wenigen Augenblicke, in denen die beiden fest zusammenhalten und aufeinander aufpassen. Und für mich ist es praktisch: sie waren neulich sogar im Supermarkt und haben das fehlende Mehl besorgt. Ich kenne viele Mütter, deren Kinder waren noch nie irgendwo alleine einkaufen, obwohl sie schon im Grundschulalter sind. Warum beginnen sie nicht damit und bleiben beim ersten Mal vielleicht noch vor dem Laden stehen?

Woanders übernachten

Mein Großer übernachtet schon immer bei seinen Großeltern, die Mittlere dagegen hat viel Heimweh. Aber zusammen mit dem Bruder traut sie sich und im Notfall würden wir sie jederzeit abholen. Vielleicht schlafen die Kinder im Sommer auch mal im Zelt im Garten oder übernachten bei den Nachbarskindern. Wer zur Mama will, der darf auch wieder nach Hause, aber meist ist es gar kein Problem. Wir Eltern neigen dazu, im Vorfeld schon Schwierigkeiten zu sehen, wo am Ende keine sind. Mich hat es schwer getroffen, als die Rektorin der Grundschule ankündigte, dass es vielleicht bald keine Klassenfahrten mehr geben wird, weil die Kinder nicht mehr gewohnt sind, von den Eltern weg zu sein. Wird dieses Vergnügen deshalb auch meinem Sohn verwehrt bleiben?

Selbermachen

Ich zeige meinen Kindern leichte Kochrezepte, denn ich möchte nicht, dass mein Sohn später in seiner ersten eigenen Bude nicht weiß, wie man ein Spiegelei brät. Sie dürfen auch mal die Waschmaschine anmachen oder selber ihre Wäsche wegräumen. Erst gerade habe ich eingeführt, dass sie ihre Sachen nicht mehr achtlos auf den Boden schmeißen, sondern aufs Sofa oder einen Stuhl legen. Ich erwarte von ihnen, dass sie meine Hausarbeit schätzen und sie nicht für selbstverständlich betrachten.

Alleine bleiben

Mein Sohn spielt Fußball und das macht ihm großen Spaß. Ich bringe ihn hin und die Nachbarin holt ihn und ihren Sohn wieder ab. Komisch, denke ich jedes Mal, da sitzen Horden von Eltern und bewachen die kickenden Jungs. Ganz schlimme Väter mischen sich auch noch in die Arbeit der jungen Trainer ein oder schmeißen ihrem Sohn von weitem an den Kopf, er solle sich mehr anstrengen. Mütter sitzen mit ihren Kleinkindern dabei und würden auf den Gedanken nicht kommen, einen Kaffee trinken zu gehen. Mama ist immer da und lässt dich nie alleine – was für ein Kleinkind eine wichtige Message ist, klingt für mich bei einem Schulkind eher wie eine Drohung.

Medial überwacht

Ein anderes Thema sind die Telefone und Handys. Eine Youtube-Mama hat in ihrem Video verkündet, sie habe ihrem 8-jährigen Sohn ein Telefon gekauft, damit sie immer weiß, wo er ist. Ich finde das ganz furchtbar. Dieses Kind hat doch ein Recht darauf, auch mal frei und unüberwacht zu sein, gerade im Grundschulalter. Ein Handy bekommen meine Kinder garantiert erst, wenn sie auf der weiterführenden Schule sind. Gruselig sind die Uhren, mit denen Eltern ihre Kinder überwachen und per App sehen, wo sie sich aufhalten. Später kommt dann dazu, dass wir unsere Teenies per Whatsapp terrorisieren: Wo bist du und wann kommst du nach Hause? Bussi Mama Vermutlich werde auch ich Jimmy und Luise diese Message schreiben, aber ich sehe jetzt schon ihre genervten Gesichter vor mir. Sollen sie wenigstens in der Grundschulzeit genießen, ohne Handy zu sein.

Starke Kinder

Warum mir das Sorgen macht? Ich finde, dass Kinder jedes Mal, wenn wir ihnen die Dinge abnehmen oder ihnen altersgerechte Aktivitäten nicht zutrauen, das Gefühl bekommen: „Mama denkt, ich kann das nicht.“ Wenn sie sich selbst noch nicht trauen, müssen wir sie doch aufmuntern, vielleicht sogar sanft schubsen und ihnen die Botschaft übermitteln: „Ok, du möchtest jetzt noch nicht, aber ich traue es dir zu und bald klappts bestimmt.“ Wenn wir ihnen aber vermitteln, dass sie den Schulweg nicht gehen können und mit fünf oder sechs Jahren nicht in der Lage sind, eine Kleinigkeit einkaufen zu gehen, dann enthalten WIR ihnen das Gefühl vor, es geschafft zu haben. Aber diese kleinen Erfolge prägen das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit ganz enorm. Schon die Kleinsten möchten selbstwirksam sein. Unser Oskar will den Tisch decken und sich selber anziehen. Wir dürfen dieses Streben der Kinder doch niemals unterbinden!

Kinder müssen lernen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Das können sie nur, wenn sie Dinge alleine machen dürfen und nicht dauernd von ihren Eltern bevormundet werden. Wenn ich schon sehe, wie Mamas und Papas auf den Spielplätzen über die Klettergerüste wanken, um ja ihrem Kind hinterher zu eilen, dann warte ich nur auf den Ruf: „Pass auf, fall nicht runter!“ Meist fällt dann genau das Kind hin, dem dieser Zuruf galt. Kinder, deren Eltern in die Zeitung schauen, wissen ganz genau, was sie können und vertrauen darauf, selbst einschätzen zu können, ob der Sprung vom Gerüst zu hoch ist.

Unser Kinder müssen die Welt retten

Was mir dabei noch Sorgen macht: Kinder, die nicht lernen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, können das auch nicht für andere tun. Diese Kinder werden erwachsen und sind nicht in der Lage, bei den Eltern auszuziehen und ein eigenes Leben zu leben. Sie schmeißen ihre Ausbildung hin, weil etwas nicht klappt oder sie keine Lust auf das Lernen haben. Mama und Papa bezahlen ja weiter ihren Unterhalt. Sie studieren am besten zuhause, wohnen im alten Kinderzimmer und würden es sich auch gar nicht zutrauen, in eine fremde Stadt zu ziehen. Sie wissen nicht so richtig, was Zusammenarbeit bedeutet und wehe, sie sollen im Team arbeiten und Verantwortung für den neuen Kollegen oder einen begangenen Fehler übernehmen. Arme Luise, mit was für Typen wirst du wohl mal ein Büro teilen? So schließt sich der Kreis und wenn ich meine eigenen Eindrücke aus meinem Grundschuleltern-Alltag mit den Eindrücken meiner Chorfreunde vergleiche, tue ich deren Gerede nicht mehr ab als das typische Generationenproblem. Vielmehr wird mir Angst und Bange. Wir brauchen heute junge Menschen nötiger denn je, die Verantwortung übernehmen. Verantwortung für das eigene Leben, für Mitmenschen, für Kriegsflüchtlinge, für Minderheiten und für unsere Demokratie. Wir brauchen starke und selbstbewusste Jugendliche, die sich engagieren, die sich gegen rechte Parolen wehren und die GEMEINSAM eine Zukunft bauen, die rosiger ist als sie derzeit aussieht.

Der Zusammenhang zwischen Eltern, die ihrem Kind eine Stasi-Uhr ums Handgelenk binden und meiner Angst um die Zukunft mag weit hergeholt sein. Aber wir, die wir jetzt Eltern von kleineren Kindern sind, müssen in der heutigen Zeit alle Hoffnung in die neue Generation setzen. Unsere Kinder müssen später ausbügeln, was wir hier gerade verbocken – sowohl politisch als auch umwelttechnisch. Wir Eltern MÜSSEN dafür aber eines tun: unsere Kinder zu verantwortungsbewussten und selbstständigen Menschen erziehen. „Hilf mir, es selbst zu tun“ – der alte Spruch von Maria Montessori wäre als Tätowierung auf dem Unterarm sinnstiftender als die Namen der eigenen Kinder, denn die werden wir niemals vergessen. Dass wir aber nicht deshalb Eltern sind, um unsere Sorgen und Ängste zu pflegen und sie auf unsere Kinder zu übertragen, sondern um kleine Babys zu großartigen Erwachsenen zu erziehen und ihnen Flügel zu geben und keine Ketten umzubinden, das vergessen viele allzu oft. Ich werde meine Idee in den zig Whatsapp-Eltern-Kontroll-Gruppen vorschlagen, deren Nachrichten mich täglich nerven. Wenn ich Glück habe, fliege ich aus den meisten raus.

Was Kinder wirklich stark macht

Der Kinderarzt und Buchautor Dr. Herbert Renz-Polster ist vierfacher Vater und weiß genau, wie Kinder sich bestens entwickeln. Für ein Interview, das ich für eine Elternzeitung mit ihm geführt habe, hat er gesagt: „Kinder, die für die Zukunft gerüstet sind, das sind Kinder, die leuchtende Augen haben, die neugierig sind, die für sich selbst und auch für die anderen Kinder eintreten können.“ Diese Stärke entstehe dadurch, dass sie am normalen Leben teilhaben dürfen und mit den Menschen zusammen leben, denen sie etwas bedeuten und die zu ihnen stehen, wenn sie in Not sind. Starke und gesunde Kinder möchten sich im Alltag bewähren und Herausforderungen meistern, sagt der Kinderarzt. Er hat viele tolle Bücher geschrieben, aber eines möchte ich dir besonders ans Herz legen. In „Menschenkinder“ geht es darum, wie wir Kinder artgerecht erziehen können. Der Kösel Verlag hat mir ein Exemplar zur Verfügung gestellt, das ich hier verlosen darf.

So machst du mit:

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Das Gewinnspiel läuft bis zum 18.03.2018 Uhr um 23.59 Uhr. Eine Barauszahlung des Gewinnwerts ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Teilnahmeberechtigt sind alle Personen ab 18 Jahren aus Deutschland.

Und nun wünsche ich dir ganz viel Mut für dich und deine Kinder. Vertrau ganz fest in sie! Sie haben alles, was sie brauchen in sich. Deine Liebe und dein gutes Vorbild reichen aus. Alles andere kommt von alleine.

Deine Laura

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