Wenn Mamas ausflippen

Hallo liebe Leserin,

na, heute mal wieder das eigene Kind angeschrien? Obwohl du dir vorgenommen hast, dass du das nicht mehr machen willst? Ach, du weißt, dass es total unfair ist, ein kleines Mädchen mit niedlichen Zöpfen so richtig rund zu machen, bloß weil es einen roten anstelle eines pinken Bechers will und deshalb lauthals zetert? Oder der kleine Junge eigentlich nur müde ist und aus diesem Grund seit einer halben Stunde meckert und an deinem Bein zerrt? Du hast ihm aber dennoch irgendwann ein „jetzt reichts mir aber“ vor den Latz geknallt, sodass es auch der Nachbar nebenan noch mitbekommen hat!

Kinder rund machen: warum tun wir das?

Vielleicht ist dir ja einfach die Hutschnur gerissen, weil du letzte Nacht schlecht geschlafen hast. Oder du hattest Ärger mit einer Kollegin und denkst schon den ganzen Tag darüber nach. Vielleicht hast du auch ne saftige Migräne hinter dir oder eine To do-Liste so lang wie ein Rapunzel-Zopf. Könnte es sein, dass sich bei dir ein Hauch von Panik breit macht, weil du nicht weißt, wie du diese Woche auch noch Geburtstagsgeschenke besorgen, den Impftermin für den Hund wahrnehmen und einen Termin mit der Lehrerin deines Sohnes ausmachen musst?

Und obwohl du dir fest vorgenommen hast, deinen Stress nicht mehr an den Kindern auszulassen und diese unschuldigen Geschöpfe nicht mehr anzubrüllen, ist es doch wieder passiert. Nun greifst du frustriert zum Smartphone, um ein wenig zu chillen und zu googeln und liest Artikel in Eltern-Magazinen, die die Überschrift tragen: „Weil Schreien blöd ist – so erziehen wir jetzt kindgerecht“ oder Blogbeiträge von einer achtsamen Mama, die da heißen „Wie Kinderseelen leiden: Mami, warum schreist du nur?“ Ein Facebook-Post reklamiert in deiner Timeline: „Schweres Traume nach harter Schelte. Kinder verkraften Schimpfworte der Eltern nur mit Mühe“. Und dann denkst du dir: ach du lieber Himmel… haben sich denn alle anderen Mütter im Griff? Wieso flippe eigentlich nur ich so aus? Was ist mit mir nicht in Ordnung und warum bin es immer ich, die ihre Kids im Supermarkt und beim Turnen ankeift, während bei allen andern FriedeFreudeEierkuchen herrscht?

Vielleicht ist Schreien manchmal menschlich?

Dann sage ich dir jetzt mal was: nicht nur du flippst ab und zu mal aus. Ich tue es auch. Viele Menschen flippen aus und natürlich auch Mütter. Denn Mütter sind oft Menschen mit wenig Schlaf, einer Doppelbelastung aus Familie und Beruf und einer ganzen Menge heißem Scheiß auf der To Do-Liste. Zugegeben – manche haben sich mehr, manche weniger im Griff. Das ist natürlich eine Frage des Charakters. Und es gibt sie sicher auch, die Mütter mit Nerven aus Stahl, die auch das siebte, leibliche Kind, das endlos mault oder streitet, mit Engelszungen zur Räson bringen können. Und das bei 38 Grad Außentemperatur. Aber das dürften immer noch weitaus weniger sein als die Frauen, die einfach über einen ganz durchschnittliches Stresslevel verfügen und irgendwann, nach dem tausendsten „Mamaaa“ und dem millionsten Geschwisterstreit, irgendwann mal F***** rufen und die Faust gegen die Wand donnern.

Klar, wir können an uns arbeiten. Zum Beispiel schauen, dass der Stress ab- und die Ruhe zunimmt. Dann gehts uns besser, wir sind entspannter und lassen den Frust nicht in der Familie aus. Ich selber habe es mit Achtsamkeits-Meditation, Yoga und Co probiert und es haut echt hin. Aber dann kam der Alltag dazwischen mit all seinen Anforderungen und die CD mit den Mantras läuft seltener. Die Yoga-Matte staubt vor sich hin und jetzt denke ich jeden Tag: nun entspann dich doch endlich und mach nen Morgengruß, verdammte Axt!

Der Alltag holt uns ein

Aber schon klingelt das Telefon und Luise muss aus dem Kindergarten abgeholt werden, weil sie sich eine Perle ins Ohr gesteckt hat. Ihr kennt das, die kleinen Geschichten, die in Nachhinein lustig klingen, in Wirklichkeit aber den Puls auf 200 beschleunigen. Also bin ich spätestens am Abend wieder kaputt wie Bolle und kurz vorm Explodieren, wenn Jimmy nach der zweiten Geschichte immer noch mault, dass er nicht schlafen will. Rumms aus Micky Maus und ich gehe in die Luft wie ne Rakete.

Nicht mehr so viel schreien und achtsamer umgehen mit unseren niedlichen Nachkommen, das ist natürlich eine tolle Aufgabe, die wir uns immer wieder vornehmen können. Wir Eltern arbeiten jeden Tag an uns und sollten das auch nie unterlassen. Was wir aber auch tun sollten ist uns selbst zu sagen, dass wir normale Menschen mit normalen Nerven sind, die eben normalerweise auch mal an ganz normalen Stellen reißen. Deshalb sind wir trotzdem die besten Eltern für unsere Kinder. Ich lese jedenfalls keine Texte mehr, die mir ein schlechtes Gewissen machen, sondern hole lieber die Yogamatte raus oder köpfe ein Piccolo – damit spare ich mir nämlich den einen oder anderen Ausbruch zielführender als mit dem erhobeben Zeigefinger aus der Erziehungskiste.

Versteh mich richtig, auch ich finde die Schreierei nicht schön. Sie ist für das Kind sowie für alle anderen einschüchternd, nervig und erschreckend. Ich jedenfalls kämpfe Tag für Tag darum, mich zu beherrschen. Aber ich gebe offen zu: es gelingt mir einfach manchmal nicht. Am Ende entschuldige ich mich bei meinen Kindern und sage Ihnen, dass es nicht in Ordnung ist. So erleben sie immerhin eine authentische Mama, die einfach ab einem Punkt nicht mehr weiter weiß, die sich aber mit allem Einsatz anstrengt, respektvoll zu sein. Eltern, die sich in dieser Hinsicht immer im Griff haben, die bewundere ich aufrichtig. Ich wäre gerne so wie sie. Aber ich bin ich und auch mit meinen dünnen Nervenfäden kann ich Kinder ganz gut groß kriegen – da bin ich mir sicher.

Liebe Leserin, geh nicht so hart mit dir ins Gericht, sondern mach dir bewusst, was es heißt, Kinder zu haben. Es ist sicher die schönste, aber auch die anstrengendste Aufgabe deines Lebens. Dass da manchmal die Nerven reißen, ist völlig normal!

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