Was ist Mental Load?
Das ist all die Kopf- und Kümmer-Arbeit, die in der Familie stattfindet, und zu einer mentalen Belastung führt, weil diese Arbeit nie aufhört und unsichtbar ist. Familienorganisation, Haushalt, Kinderbetreuung – es gibt so viele Dinge, an die es zu denken gilt. Das „An alles denken müssen“ führt dazu, dass es immer schwerer fällt, abzuschalten, oder sich um sich selbst zu kümmern. Man könnte es auch als häusliches Burn Out bezeichnen.
Wieso ist es vor allem ein Frauenproblem?
Mental Load ist nicht nur, aber vorrangig ein Phänomen, mit dem Mütter zu tun haben. Besonders Menschen, die sich um andere kümmern, müssen viel Denkarbeit leisten. Es sind eher Frauen, die zuhause bleiben, wenn die Kinder noch klein sind, oder in Teilzeit arbeiten, um sich um die Familie kümmern zu können. So werden sie darin immer kompetenter und es scheint, als machten sie diese Arbeit ganz ohne Mühen. Aus diesem Grund leiden besonders viele Frauen unter Mental Load.
Was ist das Problem daran, wenn einer sagt: „Hättest du doch was gesagt!?“
„Hättest du doch was gesagt, dann hätte ich dir geholfen“ bedeutet, dass der, der das sagt, sich nicht in der Verantwortung sieht, an diese Arbeit denken oder sie ausführen zu müssen. Wer sich nur als Assistent(in) zuhause betrachtet, nicht aber als Vollverantwortliche(r), überlässt die Denk- und Kümmerarbeit jemand anderem, der dann jedoch eher unter Mental Load leidet.
Wie erkläre ich meinem Partner mein Mental Load-Problem?
Wichtig zu wissen ist, dass wir oft in klassischen Rollen leben, die wir stark verinnerlicht haben. Wenn sich früher die Mutter zuhause um alles gekümmert hat, übernimmt das die nächste Generation. Töchter fühlen sich für Hausarbeit und Kinderbetreuung verantwotlich, Söhne sehen sich eher beim Geldverdienen in der Verantwortung. Wenn wir das verstehen, können wir aufhören, uns Vorwürfe zu machen, und uns dafür der Lösung des Problems zuwenden: einer fairen Aufteilung von Care- und Denkarbeit.
Bedeutet Fair immer eine 50:50 Aufteilung?
„Fair“ definiert jedes Paar für sich selbst. Manchmal entscheiden sich Eltern dafür, dass der eine die Erwerbsarbeit, der andere die Care-Arbeit macht. Auch in diesem Fall sollte klar sein, dass der, der die Arbeit zuhause übernimmt, nicht neben Haushalt und Kinderbetreuung auch noch die gesamte Familie organisiert. Denn das würde bedeuten, neben mangelnder Altersvorsorge niemals Feierabend zu haben. Auch Partner, die einen Vollzeit-Job haben, können einen Kindergeburtstag mitorganisieren, einen Urlaub planen oder an den Kinderarzttermin denken.
Was ist das Küchen-Meeting?
Beim Küchen-Meeting trifft sich ein Paar einmal die Woche und bespricht die Termine und Aufgaben der kommenden Woche. Zum Planen eigent es sich, den Smartphone-Kalender zu synchronisieren und sich ein Hilfsmittel zuzulegen, das beim Organisieren hilft. Die App Trello kann nützlich sein, wer lieber analoge Tools mag, probiert es mit der Shop Floor-Methode.
Was mache ich, wenn mein Partner seine Aufgaben nicht ausführt?
Am besten, man bespricht sich regelmäßig einmal die Woche beim Küchenmeeting. Dort kann man gemeinsam den Überblick behalten, welche Aufgaben erledigt, vergessen oder nicht ausgeführt wurden. Wieso wurden sie vergessen, was war der Grund dafür? Derjenige, der die ihm zugeteilte Aufgabe nicht erledigt hat, nimmt sie in die nächste Woche mit. Statt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen ist es sinvoller, zu fragen, wieso die Aufgabe vergessen wurde. Gibt es ein System, um sich zu erinnern (Wecker im Handy, Eintrag im Kalender etc.)? Sollte der Partner / die Partnerin Aufgaben öfter vergessen, muss er oder sie einfach üben, sich zu organisieren. Ist ihm / ihr die Aufgabe nicht wichtig genug und er oder sie vergisst sie deshalb oft, muss man gemeinsam über die Dringlichkeit und die Prioritäten sprechen. Was ist uns wichtig, was brauchen wir und die Kinder, um zufrieden, gesund und munter zu sein?
Was macht man mit Partnern, die weder planen noch Aufgaben festlegen möchten?
Wenn Partner weder planen noch Aufgaben festlegen möchten, sollte man noch einmal versuchen, ins Gespräch zu kommen. Hilfreich ist es, die eigene Situation klarzumachen und auch zu erklären, wie schwer es ist, an alles denken zu müssen. Sätze wie diese sind empfehlenswert: „Ich bin mental belastet und ich möchte das ändern, dabei brauche ich deine Unterstützung!“ Oder aber: „Mir geht es nicht gut, ich schaffe das alles nicht alleine und ich möchte Verantwortung abgeben.“ Im Grunde muss der Partner ein Interesse daran haben, eine unangenehme Situation zu verbessern. Sollte das überhaupt nicht zu Lösungen führen, wäre es sinnvoll, eine professionelle Mediation dazu zu nehmen oder über eine Paarberatung nachzudenken.Wenn jemand nicht bereit ist, seinem Partner oder seiner Partnerin zuzuhören und auf mögliche Belastungen einzugehen, liegt vielleicht ein anderer und tieferer Konflikt zu Grunde. Grundsätzlich ist es kein Argument, eine Berufstätigkeit vorzuschieben, denn eine Familie zu organisieren bedeutet Arbeit rund um die Uhr und übertrifft einen 40-Stunden-Job.
Ist es nicht leichter, die Aufgaben selber zu machen, als ständig zu diskutieren?
Es ist nur scheinbar leichter, alles selber zu machen. Auch klingt es zunächst anstrengend, ein Partner oder eine Partnerin mühsam in alle Aufgaben einzuweisen, die Haushalt, Kinder und Organisation betreffen. Aber genau dies lohnt sich langfristig sehr. Wenn beide Eltern gleich kompetent sind, kann der eine die andere (und umgekehrt) auch mal ablösen, wenn eine(r) von beiden krank wird oder im Urlaub ist. Die Überlastung kommt meist genau daher: eine(r) von beiden ist allein für alles zuständig und deshalb kompetenter als der / die andere. Klar macht er oder sie die Aufgaben dann schneller (und kompetenter), ist deshalb aber auch mental belastet. Wer sich mental belastet fühlt, sollte mit seiner Familie darüber reden und Verantwortungen übertragen.
Welche Lösungen gibt es für alleinerziehende Eltern?
Alleinerziehende Eltern sind natürlich meist überlasteter, weil es kein Partner oder keine Partnerin gibt, die im Haushalt Aufgaben übernehmen kann. Hier ist es vor allem wichtig, die einzelnen Aufgaben auf der To-Do-Liste noch einmal zu priorisieren und wirklich nur die wichtigen Dinge zu erledigen. Langfristig ist es notwendig, sich ein Netzwerk aufzubauen aus FreundInnen, NachbarInnen, Familie usw. Auch Diakonien in oder Familienberatungsstellen haben manchmal Hilfe anzubieten oder sponsern einen Babysitter. Der Druck, als Mutter alles perfekt zu meistern, ist auch bei alleinerziehenden Frauen vorhanden. Hier ist es umso so wichtiger, sich dessen bewusst zu werden und sich von diesem Muttermythos abzugrenzen.
Wie können Männer verstehen lernen, dass Mütter ständig Sorge tragen und manchmal Schwierigkeiten haben, loszulassen?
Für Männer ist es oft nicht so einfach zu verstehen, welcher Druck auf Frauen und besonders auf Müttern lastet. Von Männern wird in Bezug auf Sorge-Arbeit nicht so viel erwartet wie von Frauen. Wenn ein Vater sich um seine Kinder kümmert, wird er dafür von seinem Umkreis beklatscht. Von einer Mutter werden solche Aufgaben dagegen als selbstverständlich erachtet. Man könnte es so formulieren: Wenn es um Care-Arbeit geht, können Väter nur gewinnen, Mütter nur verlieren, und das ist das große Problem. Wenn Frauen diese Problematik ihren Partnern erklären, können diese besser verstehen, warum Frauen sehr lange To-do Listen haben und sich teilweise auch unter Druck setzen.
Wie kann man aufhören, an alles denken zu müssen?
Das kann man üben. Im besten Fall macht man das gemeinsam mit einem Partner / einer Partnerin Schritt für Schritt. Am Anfang fällt es vielen Frauen schwer, wenn sie bisher die alleinige Verantwortung für die Familienorganisation hatten, Aufgaben und das Daran-denken-müssen abzugeben. Wichtig ist hier, Geduld mit sich selbst (und dem Partner / der Partnerin) zu haben. Nach einem halben Jahr geteilter Arbeit oder der stringenten Reduzierung der Aufgaben fällt das Abgeben wesentlich leichter.
Wie kann man Männer für das Mental Load-Problem vieler Frauen sensibler machen?
Am besten funktioniert das über Kommunikation. Zielführend ist es, den männlichen Partner nicht zu beschuldigen, sondern zu versuchen, das Problem in Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Komponente (Muttermythos, Perfektionismus der Mütter durch hohen Druck der Gesellschaft usw.) zu setzen. Wenn diese Art von Diskriminierung von Frauen ohne Schuldzuweisung an die einzelne Person verständlicher gemacht wird, erkennen viele Männer, dass nicht sie selbst das Problem sind, sondern die traditionelle Rollenbilder. Das hilft ihnen auch, sich nicht schuldig zu fühlen, sondern mit der Partnerin neue Wege zu suchen. Hier empfehle ich neben meinem Buch, den Comic von Emma zu Hilfe zu nehmen.