„Da war die Prinzessin in Ihnen aber beleidigt!“ Von Schuldumkehr, Gaslighting und Bagatellisierung von Mental Load in der Paartherapie

Alles begann mit einer Nachricht von Nadine*, die Teilnehmerin meiner Mentoring-Gruppe im Jahr 2023 war. Online und in einer kleinen Runde besprechen wir dort Themen, die Mental Load betreffen. Die Frauen, alles Mütter und in einer Partnerschaft mit einem Mann lebend, finden einen Ort, an dem sie sich verstanden fühlen und merken, dass sie nicht alleine sind mit der Belastung durch die hohe Verantwortung im Familienalltag – und die Konflikte mit dem Partner, die sich dadurch entzünden.

Über Mental Load reden

Immer wieder geht es also darum, wie die Elternpaare über eine bessere Verteilung der Aufgaben ins Gespräch kommen können. Das ist eine große Herausforderung für beide, und noch immer ist es so, dass in heteronormativen Beziehungen Frauen einen Großteil der Denkarbeit übernehmen. Sie füllen Brotboxen, koordinieren Freizeit- und Arzttermine, kaufen passende Kleidung, stellen Packlisten für den Urlaub zusammen oder haben Anmeldefristen für die Ferienbetreuung im Kopf. Auch wenn Väter heutzutage mehr in Haushalt und Kinderbetreuung eingebunden sind als die Generation zuvor (zumindest in Westdeutschland), so ist die kognitive Arbeit, also die Familienorganisation, in den meisten Haushalten Sache der Frau, auch weil sie von ihrem Umfeld als Ansprechpartnerin betrachtet wird. Das hat Auswirkungen auf deren psychische und physische Gesundheit, auf ihre Berufstätigkeit, die finanzielle Unabhängigkeit und die persönliche Entfaltung.

Nadine hat versucht, ihrem Mann das Dilemma zu erklären. Sie wollte ein von mir empfohlenes „Küchenmeeting“ einführen, damit sie einmal die Woche gemeinsam besprechen, welche Termine anfallen und wer welche Aufgabe übernimmt, einschließlich der Verantwortung, daran zu denken. Denn genau das macht den Unterschied. Leider hat die Umsetzung im Alltag nicht wirklich funktioniert. Meiner Erfahrung nach zeigen sich einige Männer nicht bereit, sich einmal die Woche abzusprechen. Frauen verlieren den Mut, etwas zu ändern, die Kraft fehlt ihnen dafür schon lange.

Letzter Versuch: Paartherapie

Nadine, die probierte, im Alltag etwas zu ändern, Aufgaben sichtbar zu machen und Mann und Kinder einzubinden, war frustriert. Ihr Partner warf ihr vor, zu viel zu „meckern“ und sich zu überfordern, also selbst verantwortlich zu sein für ihre Belastung. Die zweifache Mutter sah nur noch eine Möglichkeit: Eine Paartherapie zu machen, um mit Unterstützung von außen mit ihrem Mann besser ins Gespräch zu kommen und Verständnis für ihre belastende Situation zu erhalten. Es kam anders, wie sie mir erzählte. Die Therapeutin stellte sich, so empfand es Nadine, auf die Seite ihres Mannes. Auch sie meinte, Nadine überfordere sich selbst. Über das Thema Mental Load ging sie einfach hinweg. Stattdessen stellte sie die Frage: „Was wollen sie denn noch? Dass ihr Mann noch einen Korb Wäsche bügelt?“

Eine Therapeutin, die strukturelle Benachteiligung von Frauen, also auch das Thema Mental Load und Care-Arbeit, nicht miteinbezieht in die Therapie, und stereotype Rollenbilder verstärkt, ist meiner Meinung nach keine große Hilfe. Vielmehr beschämt sie die Klientin, indem sie ihr ihr die Belastung und den Mental Load abspricht. Frauen ans Herz zu legen, nicht „zu meckern“ oder ihre Ansprüche herunterzusetzen, entspricht dem konservativen Bild der braven Hausfrau, die ihrem Mann den Rücken freihält.

Mangelnde Kenntnis von Mental Load

Ein ähnliches Muster begegnete mir ein paar Wochen später. Zuvor sei gesagt: Frauen übernehmen nicht nur den Großteil der kognitiven Arbeit, sondern kümmern sich auch eher um die Beziehungspflege. Im Podcast „Paartherapie“ des NDR ist auffällig, dass bei den heteronormativen Paaren jedes Mal die Frau einen Brief an den Therapeuten Eric Hegmann schreibt und den Konflikt schildert.

Ich schätze die Serie „Frag mich mal“ der Wochenzeitung die Zeit, in der Ella Tipps zu Alltagsfragen gibt. Aber dieser Text verwunderte mich: Eine Mutter von zwei Kindern schrieb, dass ihr Mann viel arbeite (6:30 Uhr bis 19:30 Uhr!!!) und sie kaum noch reden. Ihr fehle die Lust, Energie in ihre Beziehung zu investieren, das habe sie sonst schon oft gemacht. Die Frau beschreibt damit eine Situation, die nicht einzigartig ist. Männer, die sich ihrer Erwerbsarbeit verschreiben und trotz Kindern selten zuhause sind, sich dann auch nicht um die Beziehungspflege kümmern: Das ist kein Einzelfall! Aber Ella antwortet ihr mit Verständnis für den hart arbeitenden Mann, der abends nach Hause kommt und eine wütende Frau vorfindet. Auch hier kein Wort davon, wie erschöpfend es für Frauen ist, zuhause den Alltag zu managen, sich um die Kinder zu kümmern und dann auch noch die Beziehungspflege auf dem Schirm zu haben. Ich weiß aus den Rückmeldungen vieler Frauen, dass das für sie ein Trennungsgrund war.

Zurück zu Eric Hegmann aus dem Podcast Paartherapie. Auch er scheint sich mit dem Thema Mental Load nicht explizit beschäftigt zu haben. In der Folge „Nach der Affäre kam die Lüge“ ist offensichtlich, dass die vierfache Mutter Lea total überlastet ist mit der Verantwortung für den Haushalt, die vier Kinder und das Medizinstudium. Ihr Mann ist oft auf Geschäftsreise und frustriert, weil Lea keine Ressourcen mehr für Zärtlichkeiten hat, und beginnt eine Affäre. In der Folge geht es um die Frage, wie ein Paar aus einer solchen Betrugs-Situation herauskommt. Dass Lea den Mental Load trägt und ihr Partner mehr Verantwortung für die Familienorganisation übernehmen sollte, kommt nicht zur Sprache. Vielmehr wird am Ende von Hegmann festgestellt, dass es eine gute Idee sei, wenn Lea ihrem Mann Listen schreibt, was dieser im Haushalt zu tun hätte. Dass das den Mental Load überhaupt nicht mindert, sondern Lea weiterhin in der Rolle der Haushaltsmanagerin bleibt, kam nicht zur Sprache. Vielmehr hatte Therapeut Hegmann großes Verständnis dafür, dass Leas Mann keine Ahnung vom Tagesablauf der Familie hat.

Ganz anders Anne Meinhold, die selbst seit 25 Jahren in eigener Praxis in Berlin psychotherapeutisch arbeitet.  Sie hat in einem Interview für meinen Podcast Lauras Mental-Load-Sprechstunde von der Erschöpfungsdepression vieler Mütter gesprochen. Aus diesem Erschöpfungskreislauf aus zu viel Arbeit, Schuldgefühlen, einem völlig überfrachteten Mutterideal, dass die Gesellschaft Frauen aufdrängt, und zu wenig Zeit für sich kommen Frauen nur schwer raus. Gesellschaftliche Strukturen mit in die Therapie einzubeziehen ist für Anne Meinhold selbstverständlich, weshalb sie ihr Angebot gendersensible Psychotherapie nennt.

Der Nachrichten-Sturm: Betroffene melden sich

Doch viel zu wenige Psychotherapeut:innen haben die Überlastung der Mütter auf dem Schirm, und das zeigte sich umso deutlicher, als ich meine Kritik am NDR-Podcast Mitte Mai 2024 auf Instagram in einer Story postete. Noch nie habe ich in so kurzer Zeit so viele Nachrichten und Reaktionen bekommen. Ca. 50 Frauen beschrieben mir ihre fast durchweg negativen Erfahrungen in Paartherapien oder Paar-Beratungen, die denen von Nadine ähnelten. Den belasteten Frauen wurde geraten, die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben und ihre Partner für einfache Haushaltstätigkeiten „zu loben“.

Folgende Rückmeldungen wurden mir zugeschickt, ich habe sie anonym und nach Einverständnis der Absenderin auf meinem Instagram-Kanal in dem Highlight „Toxic Therapy“ hochgeladen:

Wiederholt schrieben Frauen, wie viel Verständnis ihre Partner von den Therapeut:innen oder Berater:innen für den Stress im Beruf erhielten, der Stress durch Care-Arbeit und Alltagsorganisation dem aber in keiner Weise entgegengesetzt wurde. Eine Frau berichtete mir, ihr wurde gesagt, sie müsse mehr Verständnis für ihren Mann haben, weil sein Gehirn anders funktioniere als ihres. Er könne die vielen Aufgaben im Haushalt nicht selbst sehen.

Ein Paartherapeut fragte eine Frau, ob sie denn in der Lage wäre, abzugeben, als sie schilderte, dass ihr Partner sich zu wenig im Haushalt beteilige. Er wunderte sich außerdem, dass sie über diese Situation so sauer war.

Beim nächsten Bericht zeigte sich eine Paartherapeutin regelrecht begeistert von der Tatsache, dass der Partner ein einziges Mal die Woche die Kinder von der Kita abholt.

Einer Frau wurde geraten, weniger erwerbstätig zu sein, wenn sie sich mit drei Kindern und einem Halbtagsjob überlastet fühle. Auf den Wunsch nach mehr Unterstützung durch den Partner ging die Therapeutin nicht ein.

Bei einem Erstgespräch war die Aussage einer Therapeutin, nachdem die Frau ihre Überforderung und die Wut auf das Patriarchat schilderte, „die Mütter von heute sollen sich mal nicht so haben.“

Eine andere Frau bekam von der Therapeutin zu hören, sie habe hohe Ansprüche und müsse ihrem Mann konkret sagen, was er wann zu tun hätte.

Die nächste musste sich anhören, dass bei einer möglichen Trennung sie den Haushalt auch allein machen müsse. Sie erhielt den Rat, dem Partner Listen zu schreiben und ihn an seine Aufgaben zu erinnern. (Dies aber bitte nicht zu häufig, er sei schließlich kein Kind). Schmerzhaft war für die Frau, dass ihr Partner diese Sitzung als besonders erfolgreich empfand.

Eine Frau traute sich zum ersten Mal in einer Beratung in einem evangelischen Beratungszentrum zu erzählen, dass ihr Mann sie schlage. Anstelle Unterstützung zu erhalten, meinte der Berater, ihr Mann wisse sich nicht anders zu helfen, weil sie ihm geistig überlegen wäre. Eine andere berichtete, die Therapeutin sagte zu ihr, nachdem sie von häuslicher Gewalt berichtete, dass Frauen Männer manchmal in den Wahnsinn treiben würden und diese sich dann nicht anders zu helfen wüssten. Auch von erhaltenen Tipps, wie sie ihren Partner weniger provoziere, erzählte eine dritte Frau.

Einige Frauen schilderten mir, dass sie begannen, an ihrem eigenen Verstand zu zweifeln, weil ihnen die Belastung und der Mental Load abgesprochen oder als eigene Schuld eingeredet wurden. Dies wird auch als „Gaslighting“ bezeichnet. So wird eine Person mit psychologischen Taktiken so manipuliert, dass sie eine falsche Darstellung der Realität akzeptiert und/oder an ihrer eigenen geistigen Gesundheit zweifelt. (Quelle)

In einem anderen Bericht fragte sich die Betroffene, warum es in der Sitzung nicht darum ging, wieso es ihrem Partner so schwerfiele, mehr Verantwortung im Haushalt und mit den zwei kleinen Kindern zu übernehmen. Es ging stattdessen nur darum, wie sie ihre Bitte um Unterstützung so formuliert, dass es bei ihm nicht wie eine unterschwellige Anklage wahrgenommen wird.

Ein weiterer Rat einer Therapeutin lautete, dem Partner mehr Dankbarkeit entgegenzubringen, weil er dann sicher viel lieber mitmachen würde.

Eine Frau sollte ihrem Mann dankbar dafür sein, dass sie drei Jahre auf das Kind aufpassen konnte (sie hatten keinen Kita-Platz gefunden) und nicht „arbeiten“ musste, während er das Geld verdient hat.

Eine Frau berichtete in der Paartherapie davon, dass ihr Partner so oft weg ist und sie ständig alleine mit den kleinen Kindern sei, und erhielt von der Therapeutin die Antwort: „Da war die Prinzessin in Ihnen beleidigt, oder?“ Das Wort Prinzessin fiel auch, als eine andere Frau ihre Überforderung schilderte: Sie steckte tief in einem Burn Out, weil sie sich alleine um die zwei kleinen Kinder kümmerte und ihr Partner sich beruflich selbstständig gemacht hatte und kaum zuhause war. Er könne ihr ja nicht jeden Wunsch wie eine Prinzessin erfüllen, entgegnete die Paartherapeutin

Generell war es auffällig, wie viele „Ratschläge“ erteilt wurden. Dies ist nicht Sinn einer Therapie oder eines Coachings, denn es sollten keine Lebensentwürfe bewertet werden, sondern durch gezieltes Fragen sollen die Klient:innen selbst auf die für sie richtige Lösungen kommen. Eigene Meinungen, Ideen oder Urteile der Therapeut:innen sind nicht relevant.

Mental Load als psychischen Faktor einbeziehen: Ein MUSS in der Therapie

Wie wichtig es ist und welchen Unterschied es macht, strukturelle Benachteiligung in die Therapie miteinzubeziehen, darauf geht Anne Meinhold ein. Vor knapp zehn Jahren beschäftigte sie sich intensiv mit sozialer Rollenprägung und den psychischen Auswirkungen und konzentriert sich seitdem auf die Arbeit mit Müttern und Eltern. Sie erklärt, warum ihr die Gender-Psychotherapie so wichtig ist und weshalb Faktoren wie Mental Load und die Ursachen von Überlastung, speziell bei Müttern, in psychotherapeutischen Methoden bisher viel zu wenig Beachtung fanden.

Denn es gibt große Unterschiede zwischen der Rollenprägung von Männern und Frauen und die macht sich in der Psychotherapie stark bemerkbar. Frauen und Männer haben im Durchschnitt andere Schwierigkeiten, was laut Anne Meinhold viel zu wenig berücksichtigt wird. Bei ihrer Arbeit mit berufstätigen Müttern fiel ihr ein Muster auf. Diese Frauen sind oft rund um die Uhr beschäftigt und meistern täglich ein krasses Arbeitspensum. Bei jeder Führungskraft würde man bei den vorhandenen Symptomen ein Burn Out diagnostizieren. Bei Müttern wird diese Erschöpfung als normal hingenommen, so Anne Meinhold.

Dass Mental Load als psychischer Faktor keine Rolle zu spielen scheint, erklärt Meinhold so: Die psychotherapeutische Theoriebildung ist bis 1970 ausschließlich von Männern geprägt worden. Sie ist nach wie vor die Grundlage der Ausbildung von Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen. Und solange es keine Literatur zu Erschöpfungszuständen durch Mental Load gibt, werden auch keine Methoden entwickelt. Das ändert sich nur langsam, da die Berufsverbände weiterhin oft von Männern dominiert werden.

Mangelndes Verständnis für die Rolle der Frau

Jedenfalls verlässt sich unsere Gesellschaft weiterhin auf Mütter, die sich durch das kaum zu meisternde Arbeitspensum oft unzulänglich fühlen. Und mein Eindruck ist, dass dieser Zustand oftmals in Paartherapien überhaupt nicht miteinbezogen wird. Im Gegenteil: Überlasteten Müttern wird die Schuld für ihre Situation gegeben und sie gehen aus der meist durch langes Ringen mit dem Partner selbst organisierten Paartherapie mit dem Gefühl heraus, sich die Belastung einzubilden. Der Partner wähnt sich auf der richtigen Seite, denn er erhält allzu oft Zuspruch durch die Therapeut:innen.

Eine Beziehung ist nur glücklich, wenn beide zufrieden sind, und sich nicht eine:r ausgenutzt fühlt, bestätigt Anne Meinhold. Unsere Rollenprägung sorgt insbesondere in heteronormativen Beziehungen für einen Graben zwischen den Geschlechtern. Und so haben Männer oft das Gefühl: „Ich mache doch viel mehr als mein Vater.“ Frauen mit Westbiografie, deren eigene Mutter zuhause die gesamte Care-Arbeit übernommen haben und nicht berufstätig waren, haben dagegen das Gefühl, dass sie den Haushalt nicht gut genug führen, wenn sie berufstätig sind. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen in Sachen Vereinbarkeit führt bei Paaren nicht selten zu Konflikten in Bezug auf die Arbeitsteilung, so Meinhold.

Wiederkehrende Muster

Das wird aber in den Paarberatungen bzw. Therapien, von denen mir zahlreiche Frauen berichteten, nicht mit einbezogen. Vielmehr lassen sich folgende Muster erkennen:

  • Frauen könnten schlecht abgeben und seien somit selbst Schuld an ihrer Belastung (Schuldumkehr)
  • Oft sind Partner nach der Therapie in ihrer Aussage bestätigt worden, SIE sei das Problem, nicht er
  • Frauen sollten ihren Männern Listen schreiben und sich selbst überlegen, wie diese sich einbringen könnten. Die Verantwortung bleibt also bei den Frauen
  • Den erwerbstätigen Männern wird sehr viel Verständnis entgegengebracht.
  • Es werden stereotype Märchen erzählt: Männer hätten ein anderes Gehirn und könnten nicht sehen, was zuhause zu tun sei
  • Care-Arbeit und Familienorganisation wird nicht als Arbeit betrachtet, die stressig ist
  • Die Erwartungen der Frauen an den Partner in Sachen Haushalt und Kinderbetreuung seien zu hoch und übertrieben, unterlegt mit der Unterstellung, sich wie eine Prinzessin aufzuführen
  • Die Belastung und das Leid der Frauen wird klein geredet, indem ihnen suggeriet wird, sie sollten dankbar sein für das, was sie haben
  • Gewalt gegen Frauen wird bagtellisiert und die Verantwortung für den Gewaltausbruch der Männer bei den Frauen selbst gesucht

Um noch einmal klarzustellen: Paartherapie ist keine Kassenleistung, sondern muss selbst bezahlt werden. Der Markt für Paartherapie ist groß und der Begriff „Therapeut / Therapeutin“ nicht geschützt. Es gibt keine Vorschriften, welche Art von Ausbildung ein Paar- oder Familientherapeut durchlaufen haben muss. (Mehr dazu) Die Berichte, die bei mir eintrafen, stammten aus Paartherapien, Familienberatungen kirchlicher Träger oder anderen Beratugsstellen, an die sich Familien bzw. Paare wenden können. Bei den Therapeut:innen waren sowohl Menschen mit Coaching-Ausbildung als auch studierte Psycholog:innen, teilweise mit psychotherapeutischer Ausbildung, dabei.

In einem Studium der Psychologie hat die politische Dimension und strukturelle Diskriminierung zu wenig oder gar keinen Stellenwert, wie eine Psychologin mir schrieb. Es obliegt also dem individuellen Interesse, ob sich ein Mensch, der therapeutisch arbeitet, mit diesen Themen auseinandersetzt.

Frauen ziehen einen Schlussstrich

Mich erreichten auch einzelne positive Berichte, aber es waren eindeutig zu wenig. Meiner Ansicht nach müssen Themen wie Mental Load, Care-Arbeit, Überlastung und stereotype Rollenbilder in therapeutischen Ausbildungen miteinbezogen werden und auch in Paartherapien Berücksichtigung finden. Frauen darf nicht die Schuld für ihre Belastung gegeben werden, das ist eindeutig Täter-Opfer-Umkehr.

Viele Frauen, die mir schrieben, fanden, dass die missratene Paartherapie dennoch etwas bewirkt hat – sie haben sich von ihrem Partner getrennt. Manchmal ist das der beste Weg, aber Beziehungen können nicht selten gerettet oder verbessert werden, wenn sich ein Paar mit dem Thema Mental Load auseinandersetzt, oft auch begleitet durch eine gute Therapie, die strukturelle Herausforderungen miteinbezieht.

Auch Hebamme Nadine ist ausgezogen. Nun kümmert sich ihr Mann um die beiden Kinder. Was Mental Load bedeutet, wird er nun bald herausfinden, mit einem Unterschied: Väter, die sich fürsorglich kümmern, erhalten Applaus von allen Seiten. Bei Müttern wird es als selbstverständlich hingenommen. Aber Nadine schrieb mir, dass sie nun morgens aufwacht, und sich endlich frei fühlt.

Therapie ist wichtig!

Generell ist es sehr sinnvoll, sich Unterstützung und Hilfe zu suchen, ob als Paar oder Einzelperson. Oft ist es sogar unerlässlich und Therapeut:innen können hier viel Gutes bewirken, indem sie Menschen sensibel begleiten und sie dabei mit ihrem Fachwissen unterstützen, ihre Herausforderungen zu bewältigen.

Bitte sucht euch weiter Hilfe und lasst euch nicht durch negative Erfahrungen abschrecken. Meine Kollegin Stefanie Mädel, selbst Psychologin und Trainerin, empfiehlt: Augen auf bei der Therapeut:innen-Wahl! Ihr bekommt in der Regel immer ein Erstgespräch und könnt dort herausfinden, ob die Person zu euch passt. Nicht alle Angebote sind gleich, sondern unterscheiden sich eben ganz wesentlich, und eine Beratung/Therapie kann nur gut sein, wenn sich die Klient:innen gut aufgehoben fühlen. Manchmal braucht es auch einen zweiten Anlauf. Im Übrigen habe ich unter einem Instagram-Post Therapeut:innen und Coach:innen aufgerufen, sich zu melden, wenn sie sich mit Mental Load und stereotypen Rollenbildern beschäftigen und das in ihre Arbeit einfließen lassen. Hier könnt ihr nachschauen, wenn ihr auf der Suche seid, denn es haben sich viele gemeldet.

Warteliste für Fortbildungen

Zuletzt möchte ich erwähnen, dass ich immer wieder nach Aus- oder Weiterbildungen zum Thema Mental Load gefragt werde. Gemeinsam mit Stefanie Mädel und der systemischen Therapeutin Mathilde van Haperen arbeite ich aktuell Konzepte aus. Alle Interessierten dürfen sich ganz unverbindlich in die Warteliste eintragen. Wir melden uns, sobald Vorträge oder Workshops für Coach:innen, Therapeut:innen, Gleichstellungsbeauftragte oder Menschen, die anderweitig beratend tätig sind, feststehen.

 

*Der Name wurde geändert

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