Hilfe, ich kann nicht spielen!

Ich muss hier mal ein Geständnis machen, das vor den Kopf stösst, empört, verstört und betroffen macht. Ich habe zwei Kinder und ich kann nicht spielen. Und das äußert sich wie folgt:

Luise bittet mich, nachdem sie aus dem Kindergarten gekommen und wir Durst und Hunger gestillt haben, mit ihr in der Puppenstube zu spielen. Klar, denke ich, was ist leichter als das? Nehme mir ein Kissen und setze mich neben sie. „Opa schläft“, ruft sie, und legt das Püppchen mit dem weißen Schopf ins Bett. „Und ich spiele Gitarre“, stimme ich mit ein, und setze das andere Püppchen mit der Pappgitarre in den Sessel. Luise und ich klatschen, dann fällt mir auf: Wie sieht es hier eigentlich aus?! Im Häuschen ist nichts, wo es hingehört. Die Badewanne steht umgekehrt auf dem Balkon, die Küchenmöbel sind über beide Etagen verstreut, das Baby steckt im Blumentopf und neben dem Puppenhauszubehör liegen Schleich-Tiere, Haargummis, Murmeln und Legosteine auf dem Boden verstreut.

Und schon packt mich die mir angeborene Aufräumwut und während Luise den Opa durchs Haus tanzen lässt, mit Oma und den anderen die Treppe rauf und runter läuft und all die anderen Figürchen munter bespielt, mache ich das, was ich meistens tue: ich räume auf. Nachdem alle Möbel auf ihrem Platz sind, sitze ich ratlos neben Luise und nehme etwas unmotiviert ein Figürchen in die Hand. „Ich gehe baden“, sage ich, und lege den Holzkopf samt Körper in die Badewanne des nun sehr ordentlichen Waschraums. „Neee, du gehst nicht baden!“, ruft Luise, und schmeißt Puppe und Badewanne durchs Fenster.

Vorher
Nachher

Vor lauter Frust stehe ich auf, um mir einen Tee zu machen und Mandarinenschnitzel zu schälen. Danach gehe ich zu Luise und Jimmy zurück ins Zimmer und probiere es mit den Legos, die Jimmy gerade auf dem Boden verteilt. „Was bauen wir?“, frage ich ihn. „Eine Parkgarage“, antwortet er, und ich suche nach passenden Steinen. Dann setze ich einen gelben Sechser auf zwei rote Vierer, packe noch einen blauen Achter drunter und dann weiß ich nicht weiter. Aber ich finde Puppenmöbel zwischen all  den Legos und räume sie mal eben ins Häuschen. Und da ist ja auch all das Zubehör aus dem Arztkoffer. Und die ganze Geschichte geht von vorne los. Irgendwie bin ich a) zu blöd, eine Garage aus Legos zu bauen, b) zu ordnungsfanatisch, um all das Spielzeug in seinem natürlichen Chaos zu belassen und c) spiele ich generell nicht so gerne, auch wenn ich das kaum eingestehen mag.

Ich bin echt neidisch auf Anton. Samstagsmorgens, ich darf ausschlafen, setzt er sich mit den Kindern ins Zimmer, baut Luise ein Puppenbett aus Lego, für Jimmy stapelt er kurzerhand ein zweistöckiges Haus samt Aufzug zusammen. Er baut Schwerter und Schiffe, Flugzeuge und ein ganzes Sonnensystem samt Planeten aus diesen bunten Dingern. Dann baut er eine Höhle samt Eingang und getrenntem Schlaf- und Spielraum aus unseren Kissen, Decken und Sofapolstern oder er konstruiert ein Schienensystem für die kleine Eisenbahn samt Weiche und Tunnel, bei dem jeder Bauingenieur vor Neid erblassen würde. Ich bekomme es nicht einmal hin, die Gleise so aneinander zu legen, dass sie sich irgendwann zu einem Kreis schließen.

Nun ja, ich habe nun beschlossen, mich meinem Schicksal zu fügen und mich zu nichts mehr zu zwingen. Viel lieber lese ich den Kindern mal was vor, male mit Wasserfarben, gehe mit ihnen ins Theater oder zum Kinderturnen. Und überhaupt finde ich, dass Kinder auch mal alleine spielen können, müssen und lernen sollen. Dann setze ich mich einfach mit einem guten Buch daneben oder sortiere die Spielzeugkisten durch. Denn eines weiß ich sicher: Jimmy und Anton suchen garantiert während ihrer nächsten Lego-Session nach der Eisenbahnschranke. Und habe ich die nicht neulich in Luises Handtäschchen gesehen?????

Immer schön locker bleiben, eure Laura

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