Mental Load bedeutet, den Kopf voll zu haben mit Aufgaben, die es zu erledigen gilt. Jede für sich ist oft keine große Sache, aber in der Summe werden die To-dos zu einem riesigen Berg. Care-Arbeit ist eine Tätigkeit, die den Mental Load besonders fördert, und wird nach wie vor meist von Frauen gemacht, weshalb Mental Load vor allem ein Problem vieler Mütter ist. Grund genug, sich endlich mit den Folgen, dem Wert und der Wirtschaftsleistung dieser unsichbaren Arbeit auseinander zu setzen.
Warum qualmt Menschen, die Care-Arbeit verrichten, der Kopf besonders stark und was ist der Unterschied zu einem Job am Computer oder am Fließband? Schauen wir uns doch mal an, was es zuhause alles zu tun gibt. Auf kleine Kinder aufzupassen ist zum Beispiel auch deshalb so anstrengend, weil sie laufend Bedürfnisse haben. Sie haben Hunger, sie sind müde und erschöpft, möchten spielen, müssen auf die Toilette, brauchen Hilfe, Motivation, Trost und Unterhaltung. Wir hier zuhause merken das besonders bei unserem Jüngsten. Oskar ist fast vier und spielt schon oft alleine, aber dann braucht er doch Hilfe beim Lego-Turm bauen, hat Hunger oder langweilt sich. Er will, dass wir ihn auf die Toilette begleiten und wird um die Mittagszeit müde und grantig. Dann versuchen wir, ihn zu beruhigen oder nehmen ihn in den Arm.
Care-Arbeit bedeutet, laufend verfügbar zu sein
Je jünger Kinder sind, desto intensiver ist die Arbeit. Eltern von Säuglingen wissen ein Lied davon zu singen, was es bedeutet, sich rund um die Uhr zu kümmern. Und auch wenn kleine Kinder schlafen, sind wir abrufbereit. Darum sind Pausen während des Kinder-Schläfchens nicht richtig entspannend, weil das Kind theoretisch jederzeit aufwachen kann. Weil das so ist, räumen wir lieber schnell auf, machen Wäsche oder das Mittagessen, und sind schon bald neben der Kinderbetreuung auch für den Haushalt und die gesamte Organisation der Familie zuständig, wenn wir uns nicht mit einer gerechten Aufteilung auseinandersetzen. So geht es von morgens bis abends und uns fallen währenddessen laufend Dinge ein, die es zu tun gibt: den Einkaufszettel füllen, einen Termin beim Kinderarzt ausmachen, die Mülltonne rausstellen, Kinder-Unterhosen online bestellen, die Kaffeemaschine entkalken und noch so viel mehr. Neben dem Haushalt erfüllen wir immer mal wieder eine Bitte der Kinder oder spielen mit ihnen, weil wir wissen, dass die ihnen gewidmete Zeit wichtig ist. Wir sind diese Arbeit gewohnt, geübt in der Familien-Organisation und behalten das Pensum selbst dann bei, wenn wir nach der Elternzeit wieder berufstätig sind. So kommt es, dass in vielen Familien die Mutter Ansprechpartnerin für alle Belange und die Festplatte der ganzen Familie ist. Willkommen, Mental Load!
Kümmern rund um die Uhr
Sich um Menschen kümmern ist daher so anspruchsvoll, weil es sich um eine Dauer-Bereitschaft handelt, die vor allem im Kopf stattfindet. Das betrifft auch Menschen, die sich privat oder beruflich um Kranke oder Ältere kümmern. Einen Computer oder eine Maschine kann ich mit gutem Gewissen ausschalten und sich selbst überlassen, um dann eine halbe Stunde in Ruhe Mittag zu essen. Auch wenn es aktuell stressig ist, kann man zumindest für eine gewisse Zeit verschnaufen. Mit Kindern (oder Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind) geht das nicht. Auch beim schnellen Kaffee in der Sonne könnte das Baby aufwachen oder die kranke Person Hilfe brauchen. Das Hirn ist ständig auf Sendung und das Bewusstsein im Bereitschaftsmodus.
Der Mental Load ist bei der Care-Arbeit auch deshalb groß, weil die Arbeit nie fertig ist. Es gibt immer etwas zu tun im Haushalt (oder in der Pflege), und auch wenn die Kinder im Bett sind, fällt Arbeit an. Das wird aktuell auch bei uns zuhause deutlich: Während der Corona-Krise verbringen wir die gesamte Zeit zusammen. Anton und ich haben eigentlich kaum Feierabend, weil wir so viel Hausarbeit haben, es den Kindern langweilig ist oder wir den Tagesablauf mit Homeschooling und Co planen. Oskar ist morgens schon ab halb sieben wach, Jimmy kann vor 22 Uhr nicht einschlafen, und nachts wandern alle Kinder zu uns ins Bett. Wir kümmern uns also rund um die Ohr und merken, dass wir das selbst zu zweit nicht ewig durchhalten.
Die Ausbeutung der Frauen
Mental Load ist also oft ein Problem von Menschen, die sich kümmern. Ich lese aktuell ein erschreckendes Buch über die Tatsache, dass die weltweite Datenerfassung in allen Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Sicherheit Frauen und deren Bedürfnisse oft ignoriert. Unsichbare Frauen (Affiliate Link) von Caroline Criado-Perez beschreibt auch die Tatsache, dass Frauen weltweit den Großteil der Care-Arbeit übernehmen, diese aber zum Beispiel überhaupt nicht in die Wirtschaftsleistung der einzelnen Länder aufgenommen wird. Ohne all die Kinderbetreuung oder die Versorgung alter und kranker Menschen wäre das Wirtschaftswachstum nahezu unmöglich, aber das ist uns so nicht wirklich bewusst.
Besonders kritisch ist Folgendes: Nach der Finanzkrise 2008 waren viele Staaten gezwungen zu sparen, und taten dies vor allem im Bereich Familien- und Sozialhilfe. Die scheinbare Lösung war also, unbezahlte Arbeit wieder verstärkt von den Familien selbst und folgerichtig vor allem von Frauen verrichten zu lassen. Auch nach der Corona-Krise werden sämtliche Staaten gewzungen sein, Geld zu sparen. Vermutlich werden sie auch hier wieder an die Sozialleistungen oder die Infrastruktur gehen. Das schadet, wie Autorin Criado-Perez logisch dokumentiert, in erster Linie Frauen (und ihren Kindern). Das ist nur ein winziger Aspekt, wieso es so ungerecht ist, dass Care-Arbeit weder sichtbar noch wertgeschätzt und vor allem nicht ausreichend bezahlt wird. Dieses Missverhältnis in Sachen Arbeitsleistung führt zu hoher Armut bei Frauen und eben auch zu einer starken mentalen Belastung.
Kümmern ist Frauensache, das zeigt sich während dieses Frühjahrs deutlich, denn in den meisten Familien sind es die Frauen, die aktuell Stundenpläne ausdrucken und Einkaufszettel schreiben.
Kümmern ist Kopfsache
Mental Load ist also eine Folge von unsichtbarer und einseitiger Care-Arbeit. Wer sich laufend kümmert, hat den Kopf immer voll; der wacht auf mit dem Gedanken an To-do-Listen und schläft nicht tief, weil jederzeit ein Kind aufwachen und Bedürfnisse haben könnte. Ich kann es nich oft genug wiederholen, aber bei aller Liebe für unsere Kinder und bei all dem großen Glück, das sie bedeuten: es ist Arbeit, sich zu sorgen und zu kümmern, und was auf Werbeplakaten oder auf manchen Instagram-Kanälen aussieht, als gäbe es nichts einfacheres, ist in Wahrheit eine große Herausforderung, die kaum alleine zu bewältigen ist. Das ist auch ein Grund, weshalb wir dringend Unterstützung für alleinerziehende Eltern brauchen, von denen der Großteil Frauen ist.
Es ist Zeit für einen Wandel, würde ich sagen, aber ich befürchte, auch diese Krise wird Care-Arbeit nicht sichtbarer machen und zu mehr Anerkennung verhelfen, dazu stecken wir viel zu fest in unserem kapitalistischen System. Umso dringender ist es nötig, Care-Arbeit entsprechend in die Messung der Wirtschaftsleistung der Länder aufzunehmen und auf die mentale Belastung aufmerksam zu machen, die mit dem Kümmern einhergeht. Ich hoffe, dass auch mein Buch (Affiliate Link) einen Teil dazu beitragen kann. Es erscheint am 22. Juni 2020 und bis dahin kannst du dich in den Newsletter eintragen und bekommst alle zwei Wochen einen Tipp gegen die mentale Last geschickt, den du zuhause umsetzen kannst.
Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
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