Von starken Gefühlen mit Kindern

Eines kann ich mit Bestimmtheit behaupten: seit ich Kinder habe, habe ich ein paar extreme Gefühle dazu bekommen, die ich so vorher nicht kannte. Vor allem nicht in dieser Dimension. Natürlich war ich auch früher mal wütend, aber nie so sehr. Auch hatte ich mein Leben lang Heimweh, aber nicht in dieser Intensität. Zum Glück habe ich bei Freunden, Eltern und Liebsten immer Trost gefunden, aber so heilend wie der Duft von Luises Haar ist nie etwas gewesen. Kinder katapultieren uns in eine Achterbahn der Gefühle, die uns den Atem rauben kann. Das ist schön und manchmal auch schrecklich. Schrecklich schön.

Werd dich vermissen, Baby

Neulich habe ich von meinem Trip nach Berlin berichtet. Es war unglaublich, ohne Kinder zu sein, und ich habe es wirklich genossen, das gebe ich hier ehrlich zu. Niemand rief mich, um bei der Toilette zu helfen, keiner weckte mich nachts. Ich kümmerte mich einzig und allein um mein eigenes Essen, musste keine Hausarbeit erledigen und legte die Beine hoch, um in der Sonne ein Buch zu lesen. Die ersten beiden Nächte war ich völlig entspannt und habe jeden Moment ausgekostet. Das lag auch daran, dass Anton zuhause auf die Kinder aufpasste und ich sie deshalb in den allerbesten Händen wusste. Wir haben immer nur kurz telefoniert, weil die Daheimgebliebenen gerade zur Fahrradtour aufbrachen, Popcorn machten oder gemeinsam auf dem Sofa kuschelten.

Aber dann kam das große Vermissen. Dann war da abends im Bett dieser Kloos im Hals und ich hätte alles dafür gegeben, dass Luise an meinem Bett auftaucht, Jimmy nach Nasentropfen ruft oder Oskar was zu Trinken will. Heimweh nach den Kindern trifft mich wie eine Faust ins Gesicht und es fühlt sich fast so an, als sei ich auf Entzug. Da habe ich wieder gemerkt, dass ich nicht lange ohne die Micky-Mäuse sein kann.

Ich weiß noch, wie Anton und ich vor fünf Jahren nach unserem ersten Wander-Wochenende ohne Klein-Jimmy zu den Großeltern düsten und es kaum erwarten konnten, unser Baby in die Arme zu schließen. Am schlimmsten war das Vermissen aber jedes Mal, wenn ich zur Geburt im Krankenhaus war. Da lag ich dann mit dem knuffigen, kleinen Baby, und habe die daheim Gebliebenen so sehr vermisst, dass ich nur geheult und Handyvideos meiner Lieben geschaut habe.

Die unglaubliche Wut

Als ich nach meinem Trip in die Hauptstadt nach Hause kam, habe ich die drei Kinder ganz, ganz feste umarmt. Es war so unglaublich schön, wieder bei ihnen zu sein. Wir haben Quatsch gemacht, uns gedrückt, dicke Schmatzer verteilt und eine Weile zusammen gesessen. Ungefähr zehn Minuten – so lange dauerte es, bis Jimmy auf Luise lag und sie an den Haaren zog. Luise drehte sich geschickt um und verpasste Jimmy einen Schlag in die Magengegend. Beide heulten. Dann jaulte Oskar los, der müde und knatschig war. „Willkommen daheim“, dachte ich mir noch, ließ meinen Koffer im Flur stehen und packte die Rasselbande, um auf den Spielplatz zu gehen. Auf dem Weg in den Keller stritten sich die Großen, wer auf den Aufzugknopf drücken durfte, Oskar brüllte vor Müdigkeit und ich fühlte die Erholung der letzten Tage dahinschwinden.

Ich brauchte dann nur noch weitere vier Minuten, eine kleinere Prügelei vor dem Garagentor und ein Baby, das sich partout nicht in den Wagen setzen ließ, und dann kam sie – die unbändige Wut. Meist erwischt sie mich, wenn ich müde, enttäuscht oder grätig bin. Jetzt war ich alles zusammen. Mein Puls ging schneller, ich hörte ein Summen im Ohr, meine Fäuste ballten sich und dann machte es „Kawumms“ in meinem Hirn und ich legte los: ich brüllte schlimme Sachen, drohte pädagogisch unwirksame Strafen an und es schallten einige wirklich schrecliche Schimpfworte durch unsere Straße.

Diese Wut, die ganz, ganz schlimme, überkommt mich nicht oft, aber sie war in meinem Leben nie so unbändig stark wie seit ein paar Jahren. Erst seitdem ich Kinder in einem gewissen Alter habe, trifft sie mich mit einem markanten Schlag. Ganz oft habe ich mir noch ein paar Stunden vorher so naive Dinge gedacht wie „zur Zeit klappts gut mit den Mäusen“ oder „man, bin ich in der letzten Zeit entspannt gewesen.“ Manchmal hilft dann nur noch, mich ein paar Minuten in der Toilette einzuschließen oder die Augen mit einer Sonnenbrille zu verdecken, denn nicht selten kullern bei uns allen Vieren die Tränen.

Bei dir finde ich Trost

Ich habe mal einen Artikel über Angst geschrieben, die wir Eltern haben, seitdem die Kinder auf der Welt sind. Sie bohrt sich in unser Herz und zeigt uns nachts, wenn wir schlaflos und mit klopfendem Herzen auf unseren Kissen liegen, Horrorfilme, in denen unseren Kindern etwas zustoßen könnte. Aber es gibt noch ein weiteres, ein schönes Gefühl, das ich stark verspüre. Denn die Kinder geben mir auch ungemein viel Trost. Die Weltlage macht mich oft unglaublich traurig. Nachrichten kann ich im Fernsehen kaum noch anschauen, ohne hinterher (erfolglos und stundenlang) zu grübeln. Nachrichten aus dem Netz machen mich wütend, Neuigkeiten aus dem Radio schockieren mich. Gerade heute ist wieder so ein Tag, da bin ich fassungslos. Und dann habe ich einen Trick: ich lege mich zu einem meiner schlafenden Kinder, kuschele mich an das warme Köpfchen, rieche an den duftenden Haaren und halte eine kleine, weiche Hand. Das tut mir dann unglaublich gut und die Welt da draußen hört auf, sich so gemein und unflätig zu zeigen. Sie hört für ein paar Minuten auf mit dem Krieg und dem Terror und dem ganzen Elend, die grausamen Präsidenten und Kriegstreiber werden still, die Verbrecher, die uns Freiheit und Demokratie stehlen, werden unwichtig und klein. Es gibt nur mich und meine Familie und ich bin einfach froh, dass es sie gibt.

Gefühle mit Kindern
Für eine kleine Weile ist‘s, als gäb es weder Haß noch Neid,
Als verginge alles Böse, alle Ungerechtigkeit
Im Dunkel des endlosen Raumes,
Und für die Dauer eines Traumes
Ist‘s, als ob alle Zwietracht ruht:
Alles ist gut, mein Kind, alles ist gut.

(Reinhard Mey)

Für diesen Abend wünsche ich euch allen ein liebes Gesicht, neben das ihr euch legen könnt, eine Woche voll guter Nerven und ohne unbändige Wut!

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