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Kind oder Karriere: du musst dich entscheiden!

Ein Brief an meine Tochter

Liebe Luise,

ich möchte dir ein paar Dinge über das Leben erklären, denn ich habe mit meinen 33 Jahren schon so einiges an Erfahrung gesammelt. Ich weiß zum Beispiel, dass du immer einen Schirm in deiner Tasche haben solltest, wenn du im April rausgehst. Ich weiß, dass Zucker und Weißmehl schlecht für die Haut sind. Ich weiß auch, dass viele Männer es nicht mögen, wenn Frauen laut darüber reden, dass sie immer noch in vielen Bereichen benachteiligt sind. Und ich habe begriffen, dass in Märchenbüchern immer nur der Prinz sein Schicksal selbst in die Hand nimmt.

Karriere mit Kind ist nicht drin!

Aber nun gebe ich dir den wichtigsten Rat von allen: im Leben musst du dich entscheiden, und zwar für Kind oder Karriere. So ist das nämlich bei uns in der Welt. Denn eine gute Mutter kann nicht gleichzeitig drei Kinder betreuen und nebenher auch noch Geld verdienen. Das geht nicht, denn die Kinder tragen einen Schaden davon, wenn Mama immerzu ihr Business vorantreibt, anstatt zuhause Brei zu kochen und Türme zu stapeln. Das kannst du gerne im Intenet nachlesen. Gib doch mal bei Google „Kleinkindbetreuung und nachhaltige Beeinträchtigung“ ein. Siehst du!

Du hast neulich gesagt, dass du Tierärztin oder Pilotin werden möchtest. Tja, das ist ja heutzutage machbar. Aber dann kannst du eben keine Kinder haben. Super, dass du das schon so früh weißt, oder? Die Generation vor dir, ich und all die anderen Mütter, die hier auf dem Spielplatz rumhängen, wir waren noch so blöd und haben eine aufwändige Ausbildung oder ein schweineteueres Studium gemacht. Dein Opa hat den Wert eines mittelgroßen Mercedes in mein Studium gesteckt, nur damit ich mit Ende 20 ein Kind bekomme, mir mein Arbeitgeber in der Elternzeit kündigt und ich nun zuhause sitze, weil dein Papa mehr Geld verdient. Hätte Opa mir mal lieber so gute Ratschläge gegeben wie ich dir jetzt, wäre ich nach der zehnten Klasse vom Gymnasium abgegangen, hätte deinen Papa einfach früher kennengelernt und dich schon mit 21 Jahren bekommen. Dann wärst du nun nicht vier, sondern 12, Opa hätte sich von dem gesparten Geld ein Segelboot gekauft und ich könnte, während du in der Ganztagsschule bist, eine Yogalehrerinnen-Ausbildung machen.

Als Frau kannst du nicht alles haben

Aber gut. Wir waren bei deiner Ausbildung. Bin ich froh, dass du Tierärztin werden willst. Noch besser wäre, du machst was mit IT. Dann kannst du nämlich richtig Moos machen. Oder du wirst Unternehmensberaterin. Aber eins sage ich dir: Papa und ich zahlen dir kein Tiermedizinstudium, damit du dann doch den Traumtyp kennenlernst, mit dem du dann Kinder haben möchtest. Wie gesagt, du musst dich entscheiden, denn als Frau kannst du nicht beides haben. Erst neulich habe ich wieder einen Artikel bei Xing gelesen. Da hat eine Anwältin geschrieben, dass sie einen Stapel von Klagen auf dem Tisch hat. Da haben sich doch tatsächlich Frauen beschwert, weil sie nach der Elternzeit den Job verloren haben oder nun eine Tätigkeit im Keller-Archiv ausüben, der nicht ihren Qualifikationen entspricht. Sie haben ja schließlich lange und erfolgreich irgendwas mit PR und Literatur studiert, motzen die Damen. Tja, selbst schuld, sage ich da nur. Dann hätten sie sich eben nicht von diesem charmanten Typen schwängern lassen sollen.

Zum Glück haben bei Xing dann viele Menschen nette Kommentare geschrieben und der frechen Anwältin mit den aufsässigen Klientinnen mal ein bisschen was vom Leben erzählt. Nämlich, dass sich diese Mütter das mal vorher hätten überlegen können, weil – du weißt es ab jetzt besser – sie sich zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen.

Eine andere, sehr kluge Frau mit dem Herz auf dem richtigen Fleck hat im Internet zu diesem Thema geschrieben:

Wer soll es den Personaler verübeln? Wenn ich (rein Logisch bitte!) eine Stelle besetzen soll,

stelle ich auch die flexiblere und evtl. auch kürzlich besser geschulte Kraft ein. That’s life!

Recht hat sie, denn im Arbeitsleben gehts am Ende um das, was im Betrieb hinten rauskommt, nämlich die Kohle! Wenn dabei Arbeitnehmer drauf gehen, sei es, weil sie krank werden oder schwanger, muss man das im Prinzip als Kollateralschaden betrachten. Wenn ich Personaler wäre, würde ich generell nur männliche, gesunde und bestens geschulte Menschen ohne Elternzeit-Lücken einstellen. That´s life, wie das Liebchen hier so schön formuliert hat.

Luise, lern dich in Bescheidenheit

Ich kann gar keinen Beruf lernen, wenn ich mal eine Familie gründen möchte, fragst du mich vielleicht? Nun, irgendetwas kannst du schon machen, so zum Zeitvertreib. Damit du was zu tun hast, wenn die Kinder größer sind. Aber es muss ja nicht unbedingt was Aufwendiges und Teueres sein und du musst es auch nicht zwangsläufig gerne machen, denn du hast ja schließlich die Kinder, den Mann und das Haus. Wenn du also eine besondere Leidenschaft für Tiere hast, täte es ja auch ein Hund oder ein Meerschweinchen. Oder wenn du so gerne fliegst, könntest du dir von deinem gut verdienenden Liebsten einen Heißluftballonflug wünschen. Große Träume zu verwirklichen und beruflich durchzustarten ist dir als Mutter eben nicht möglich, bitte akzeptiere das mal und beschwerde dich nicht dauernd. Und eines sage ich dir: Eure Schmutzwäsche zu säubern und die Hemden von deinem Papa zu bügeln kommt meinem Traum vom Glück schon ziemlich nah. Also, sei bitte ein wenig bescheidener, wenn du dir eine Familie wünschst.

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Damned if you do and damned if you don`t

Achso, auf Kinder zu verzichten kann ich dir im Übrigen auch nicht so ganz empfehlen. Spätestens ab 33 werden dir alle Bekannten und Freunde Geschichten von tickenden Uhren und Einsamkeit im Alter erzählen, hinter dem Rücken über dich sprechen und solche Sachen sagen wie „warum sucht die sich nicht endlich mal einen Mann?“ Oder sie fragen dich, ob es nicht irgendwie egoistisch ist, auf Kinder zu verzichten und dann vom fetten Monatseinkommen nicht einmal etwas zu spenden. Krasse Karrierefrauen sind den Menschen nicht geheuer und du wirst dich sowieso nur ärgern, wenn du rausfindest, dass dein Piloten-Kollege 10 Mille mehr im Jahr macht.

Also, liebe Luise. Letztendlich ist es deine Entscheidung. Ich will nur nicht, dass es hinterher heißt, ich hätte dich nicht gewarnt. Und noch ein letztes Wort dazu, warum ich diesen Brief nicht an deine Brüder schreibe. Die müssen sich nicht entscheiden, und zwar deshalb, weil sie ein Y in ihrem Chromosomensatz haben. Das findest du ungerecht? Tja, thats life, Liebchen!

Deine Mama

Ps.: Liebe Luise, in der Zeit habe ich mal einen schönen Artikel über Ironie gelesen. Da hat ein kluger Mann namens Matthias Kalle gesagt, dass Ironie zeigt, dass einem etwas nicht gleichgültig ist. Ironie helfe, Distanz zu überwinden und sie erfordere ein genaues Hinsehen auf die Dinge. Vor allem aber ist Ironie ein Ausdruck zum Veränderungswillen: „Ohne Ironie zu leben heißt, die Dinge, wie sie sind, als gottgegeben zu nehmen.“ Und eines will ich nicht hinnehmen: dass irgendwelche dummen, uninspirierten Menschen von dir verlangen, sich zwischen Kindern und Beruf entscheiden zu müssen. Deshalb kämpfe ich mit Nina zusammen, die auch einen Artikel dazu verfasst hat, in Form von Worten für dich und für alle kleinen Mädchen. Ich kämpfe dafür, dass ihr euch niemals entscheiden müsst, wie sich auch Männer niemals entscheiden müssen. Dafür haben wir die Aktion #ArschCooleArbeitgeber ins Leben gerufen. Wir wollen zeigen, dass es im Arbeitsleben auch anders geht. Dass es Unternehmen gibt, die sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen.

Ich unterstütze hiermit die

Forderung von Anwältin Sandra Runge

  • Alle Mütter müssen eine Chance auf einen fairen Wiedereinstieg haben
  • Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Eltern sollten verbessert werden
  • Neue Diskriminierungsmerkmale könnten Benachteiligungen sanktionieren

Für dich, für meine starke Luise, die alles schaffen kann, wenn sie will!

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