Vor einer Weile bat ich auf Instagram um eure Mental Load-Geschichten und Theresa hat mir ihre geschrieben. Ich finde es sehr berührend, wie Theresa (@threetravelkids auf Instagram) erklärt, wie sie immer trauriger wird, und was das mit ihrer To-do-Liste zu tun hat.
Ich finde, dass im Text klar wird, wie Eltern manchmal aneinander vorbei reden. Jeder fühlt sich im Stich gelassen, ist hilflos, wird wütend. Theresa schrieb mir: „Man kann da nur gemeinsam raus finden.“ Und da hat sie so Recht!
Die mentale Last
Hier sitze ich nun heulend und ganz allein. Es ist nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal sein. Wie eine Ausgestoßene komme ich mir vor von meiner eigenen Familie. Gestern kam er nach drei Wochen Abwesenheit wieder, mein Ehemann und der Vater meiner drei Kinder. Wir hatten uns sehr auf ihn gefreut, ich hauptsächlich weil ich mir davon Entlastung in einem Alltag versprochen habe, der mich in Zeiten von Corona nicht nur stark fordert, sondern teilweise auch überfordert. Der erste Nachmittag mit ihm ist schön, unbeschwert und fröhlich. Doch schon am Tag darauf hängt der Haussegen mehr als schief und die Luft ist so dick, dass man sie mit einem Buttermesser schneiden könnte.
Wir hatten in den letzten drei Wochen so gut wie keinen Kontakt, also habe ich in seiner Abwesenheit meine Gedanken und Ideen zu Dingen notiert, über die wir reden müssen oder die ich nicht allein erledigen kann oder will. Ich wollte damit das Gedankenkarussell, dass sich sowieso schon in übelkeitserregender Geschwindigkeit dreht, wenigstens etwas abbremsen. Ich hoffte, abends besser einschlafen zu können, wenn ich mir die Gedanken notiere. Aufs Papier gebracht, dachte ich mir, kannst du es wenigstens nicht vergessen und es dann mit ihm besprechen, wenn er wieder da ist. Es kam wie es kommen musste, schon über den ersten Punkt meiner Gedankenstützliste bekamen wir uns dermaßen in die Wolle, dass bei meiner sehr dünnhäutigen Gemütslage die Tränen nicht mehr zu halten waren und er vor Wut kochte.
Wie immer war es nur Pillepalle, über die wir uns aufkriegten. Wir hatten vor ein paar Wochen einen neuen Side-By-Side Kühlschrank bekommen. Werksbedingt stehen diese neumodischen Dinger schief mit Neigung nach hinten. Schon gleich nach dem Aufstellen hatten wir durch Pappe den starken Neigungswinkel etwas abgemildert, waren uns aber einig, dass wir da nochmal nacharbeiten müssen. Einig? Das dachte wohl nur ich. Denn als er diesen Punkt auf der Liste las, war von Einigkeit keine Spur mehr. Seiner Meinung nach muss das so schief sein. Mir ist unverständlich, wie sich solche offensichtlichen Missverständnisse zu so etwas Hässlichem entwickeln können. Ich fühle mich ohnmächtig und will nur noch weg. Unter der Dusche sortiere ich meine Gedanken und sammele mich. Selbst wenn wir nicht einer Meinung sind, könnten wir den Kühlschrank doch trotzdem etwas gerader ausrichten, denke ich mir. Oder? Aber ich kann mir sein Gesicht dabei vorstellen, seinen Unmut, sein wütendes Schnauben. Das kann ich heute nicht verkraften! Ich schäume meine Haare ein und verabschiede mich von dem Gedanken eines optisch geraden Kühlschranks. Noch ins Handtuch gewickelt streiche ich den Punkt auf der Liste, die an dem schiefen Kühlschrank hängt, kurzentschlossen durch! Hätte ich doch nur meinen Vater darum gebeten, als er neulich da war um mir beim Tausch der Badezimmerausstattungen zu helfen, dann hätten wir das Problem jetzt nicht…
Es ist Freitag ich muss ins Büro, zur Post, Einkaufen. Als ich wieder zu Hause ankomme, sind zwei der Punkte auf meiner Müssen-Wir-Drüber-Reden-Liste abgearbeitet. Ein bisschen fühlt es sich so an, als wollte er mir zeigen, wie einfach das geht. Die vielen Fragezeichen auf der Liste scheinen ihm wohl entgangen zu sein, denn bisher haben wir nicht ein einziges ruhiges Wort darüber gewechselt. Das ich ihn seit gestern mehrfach darum gebeten habe, die Liste zu lesen, damit wir drüber sprechen können, muss er wohl überhört haben. Es verläuft bisher, wie mit jeder anderen To-do Liste, die ich jemals für ihn geschrieben habe, nur dass das dieses Mal gar keine To-do-Liste in dem Sinne ist. Er nimmt sie offensichtlich als persönlichen Affront auf. Für ihn ist jeder Punkt darauf eine Kritik an seiner Person, und wir sprechen hier von keiner guten Kritik.
Seine Laune ist deshalb dementsprechend schlecht. Und das strahlt er aus mit jeder Faser seines Körpers. Er sieht mich kaum noch an. Redet nur mit mir, wenn er muss und dann sehr sachlich. Über unsere Meinungsverschiedenheit sprechen wir nicht! Beim Mittagessen versuche ich ihm zu erklären, was es mit der Liste auf sich hat und treffe auf wenig Verständnis. Ich bitte ihn mir zu sagen, was los ist, was ihn stört. Antwort: „Ich esse jetzt“. Nach dem Mittagessen bitte ich ihn abermals. Seine Antwort: „Ich wasche jetzt ab.“ In solchen Situationen strahlt sein ganzes Wesen Abneigung aus. Die schlechte Stimmung umgibt ihn wie eine Aura und verpestet die Luft, die ich atmen muss. Abgestraft fühle ich mich, weggestoßen und verachtet für etwas, von dem ich nicht einmal genau sagen kann, was es ist. Um diesen Zustand nicht noch länger aushalten zu müssen, frage ich nach der Mittagspause wieder, diese mal schon ungehalten und genervt: „Willst du mir jetzt sagen, was dich stört oder willst du mich das ganze Wochenende anätzen?“ Diese Mal erhalte ich gar keine Antwort. Tränen der Enttäuschung und Wut schießen mir in die Augen und laufen und laufen und laufen, ich kann nicht aufhören zu weinen. Er sieht die Tränen schon gar nicht mehr, so normal ist die Situation für ihn schon geworden. Tut einfach so, als wären sie
nicht da. Vergiftet die Luft weiterhin mit seiner verfluchten Gleichgültigkeit und seiner unterschwelligen Abneigung. Ich drohe daran zu ersticken.
Er will in den Baumarkt fahren, sagt er mir. Er fährt aber wohl doch nicht, denn der Nachmittag ist fast um und er ist immer noch hier. Nicht bei mir, denn ich bin allein. Er ist mit den Kindern oben im Kinderzimmer. Das ist seine Art mich zu „entlasten“, er nimmt mir die Kinder ab. Oder wie ich es empfinde, weg. Denn in der weiteren Nachmittagsgestaltung komme ich nicht vor. So ist das oft. Sie gehen zusammen auf den Spielplatz. Dazu fehlt mir allein oft die Kraft. Ich bereite in der Zeit zu Hause das Abendbrot vor. Sie spielen morgens alle Vier gemeinsam im Kinderzimmer, während ich Rechnungen bezahle und anschließend das Frühstück für die Kinder bereite. Ich könnte jetzt hoch gehen und mich dazu gesellen, aber wie erkläre ich die Tränen, die nicht aufhören wollen zu laufen und meine geschwollenen Augen? Und dann werden auch meine Gedanken unfair ihm gegenüber. Die erhoffte Erleichterung, die ich in den letzten drei Wochen so sehr herbeigesehnt habe, bleibt aus, vielmehr entpuppt sich die Situation zu einem Alptraum am helllichten Tage. Schon wünsche ich mir, er wäre erst gar nicht nach Hause gekommen. Dann würde ich zwar immer noch am Limit agieren, aber ich hätte wenigstens noch saubere Luft zum Atmen! Traurig oder? Ja, das finde ich auch!