Juchuuu, wir sind in der Kinderbuchauswahl die Leiter einen Schritt weiter geklettert: Jimmy möchte jetzt richtige Kinderbücher zum Vorlesen haben. Bilderbücher sind out und ich muss sagen, dass diese Art zu Lesen richtig viel Spaß macht. Natürlich gucke ich nach wie vor gerne Bilderbücher mit Luise, aber richtige Geschichten über mehrere Seiten sind einfach was Tolles. Ich kann selber mitfiebert und ernnere mich an meine eigene Kindheit zurück: Denn die Klassiker stehen momentan hoch im Kurs.
Bücher lesen mit Kindern
Lesen mit Kinder beginnt ja mit den typischen Bilderbüchern. Da zeigt man einem sabbernden Baby die ersten Gegenstände, zeigt auf „Ball“ und „Auto“, macht dazu Geräusche und ist stolz wie Oskar, wenn das Baby die Dinge bald selbst erkennt, „Brumm Brumm“ oder „Wau Wau“ ruft und dabei die Seiten zuspeichelt. Die ersten Geschichten sind dann eine wahre Wohltat. Bei uns ging es mit dem berühmt berüchtigten Bobo Siebenschläfer von Markus Osterwalder los. Und das schläfrige Tierchen hat bis heute einen Platz in Jimmys und Luises Herzen. Seitdem wir eine Hör-CD haben, auf der die Geschichten erzählt und gleichzeitig im Hintergrund seltsame Tiergeräusche abgespielt werdem, die wohl die Sprache der Siebenschläferbande darstellen sollen, hat es sich Bobo leider bei mir komplett verscherzt.
Luise ist nun mit ihren knapp drei Jahren auch an größeren Textmengen interessiert. Leider liebt sie, dem Alter entsprechend, die Wiederholung. Daher lesen wir Abend für Abend „Michel aus Lönneberga“ von Astrid Lindgren und ich kann die Geschichte von Michel in der Suppenschüssel auswendig und sogar rückwärts vortragen. Daher freue ich mich über Abwechslung und lese gerne Conni-Geschichten vor. Das Mädchen mit dem Ringelshirt genießt mittlerweile unter Eltern keinen guten Ruf mehr und wird bei der Nennung ebenso wie Bobo Siebenschläfer nurmehr mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert: Conni kann alles und macht alles. Ob Skifahren, Fußball, Reiten, Pizza backen oder eine Hanfplantage anlegen, diesem Tausendsassa gelingt einfach alles und in der Conni-Familie herrscht ewige Zufrieden- und Glückseligkeit. Wutanfälle sind ihr natürlich vollkommen fremd. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Conni-lesen für Luise in etwa so ist wie durch-die-Brigitte blättere für mich. Dort haben die Damen immer schöne Kleider an, sind gut geschminkt und haben reine, makellose Haut. Darüber rege ich mich doch auch schon lange nicht mehr auf, also lasse ich Luise die kleine Miss Perfect mit ihrem Ringelquatsch. Hauptsache, ich muss abends nicht mehr das Michel-Lied singen. (Klar, Astrid Lindgren ist wunderbar und all ihre Bücher anbetungswürdig, es kommt immer nur auf die Frequenz an!)
Der Räuber Hotzenplotz: unser Held
Nun bin ich also erleichtert, dass Jimmy ein Buch jeweils nur einmal anhören möchte. Alles fing mit unserem Ausflug in die Räuber Hotzenplotz-Ausstellung in Fellbach an. Seitdem hat Jimmy alle drei Bänder vom Räuber mit der Knollennase verschlungen, Teil eins sogar an einem Tag. Am nächsten Tag stand ein Arztbesuch an, für den Jimmy ein bisschen tapfer sein musste. Als Belohnung durfte er sich ein Buch aussuchen und bekam auf Bitten und Drängen Band zwei und drei vom Hotzenplotz.
Mir wurde schnell klar, warum diese Bücher für immer auf den Nachtischen der Kinder liegen werden: die Sprache Preußlers ist so einfach wie wunderschön. Der Autor war ein Meister der Erzählkunst und wir Erwachsenen dürfen uns gerne ein Beispiel an seinen kindgerechten Formulierungen nehmen. Ohne zu viele verzwirbelte Nebensätze, übermäßigen Adjektiv-Gebrauch und in leicht verständlichen Worten wird diese lustige und spannende Kasperle-Geschichte so zauberhaft erzählt, dass mein Texter-Herz beim Lesen leuchtet.
Ganz besonders fiel mir auf, dass in dieser Geschichte die typischen Figuren aus dem Puppentheater nicht fehlen: Der kluge Kasper, der schusselige Seppel, die liebevolle Oma, der eingebildete Polizeihauptmann, der listige Räuber und sogar ein Krokodil sind schließlich in jedem gut sortierten Handpuppen-Arsenal zu finden. Jimmy und ich lachen uns kaputt über Polizeiwachtmeister Dimpfelmoser, bewundern Kasperls Intelligenz, haben den Räuber Hotzenplotz irgendwie trotzdem lieb und würden nur zu gerne auch mal bei der Oma einen frischen Zwetschgenkuchen essen. Ganz nebenbei lernt Jimmy, dass es in der Welt eben nicht nur das Gute, sondern auch ganz fiese Menschen wie den Zauberer Petrusilius Zwackelmann gibt. Aber wie in den Märchen erhält hier der Fiesling am Ende seine gerechte Strafe und wir können abends beruhigt schlafen. Die Helden des Stücks sind wunderbare Identifikationsfiguren für die Kinder: sie sind nicht stark wie Supermann und der Seppel ist auch nicht der Hellste in der Birne. Aber sie halten zusammen, lernen im Laufe der Geschichte dazu (solche Geschichten heißen bei uns Großen „Entwicklungsroman“) und schaffen Dinge, die anfangs unmöglich erscheinen, harte Rückschläge inklusive. Ist das nicht eine tolle Lebensschule für Kinder?
Übrigens gibt es den ersten Band „Räuber Hotzenplotz“ sowohl als Taschenbuch vom Carlsen Verlag, als auch als gebundene Ausgabe von Thienemann. Thienemann hat alle drei Bände sowohl in einer schwarz-weißen Version als auch coloriert, je nach Geschmack und Geldbeutel.
Zwischenzeitlich haben wir auch noch das wunderbare Buch von Gudrun Mebs gelesen: „Oma, schreit der Frieder“ habe ich selbst als Kind geliebt. Die Geschichten gehen über jeweils drei bis vier Seiten und handeln von Frieder, der bei der Oma lebt. Dauernd will der Bub etwas von ihr, und Oma muss doch Wäsche waschen, kochen oder bügeln. Sie ist genervt und wimmelt das Kind ab, was mir selbst nur allzu bekannt vorkommt. Am Ende lässt sie sich dann aber was umso Tolleres einfallen: wartet mit einem Zitronenschaumbad auf Frieder, backt für ihn Buchstabenkekse oder veranstaltet mit ihm ein Picknick an der Bushaltestelle, weil es regnet.
Am besten auch gleich alle drei Bände lesen: Gudrun Mebs: Oma schreit der Frieder – 3 Bände, Carlsen Verlag 2009.
Jimmys Leseliste
Auf Jimmys Leseliste stehen als nächstes „Der kleine Wassermann“ von Otfried Preuler und „Jim Knopf“ von Michael Ende. Wir hatten bereits ein Wassermann-Hörspiel und Jim Knopf-Videos von der Augsburger Puppenkiste. Aber ich merke immer wieder, warum die Kinder das Lesen so dringend brauchen: auf CD oder DVD machen Jimmy die bösen Figuren furchtbar Angst. Er mag es nicht, wenn sie schreien und brüllen, sich prügeln oder eine gefährliche Spannung entsteht. Kinder werden durch Bücher an das Böse herangeführt, wovon es ja tatsächlich und leider auf der Welt genug gibt. Das kann ich auch als Mutter so langsam nicht mehr verleugnen. Um das zu verstehen, brauchen die Kinder das gedruckte Wort und einen Erzähler, den sie lieb haben, der neben ihnen sitzt und die Hand hält. Dann ist das Böse nämlich nicht mehr so schlimm, sondern sogar spannend und interessant. Anschließend diskutieren wir dann, warum der Räuber klaut und wieso er die Oma überfällt, und trinken dazu eine Tasse warmen Kakao. Denn so lässt es sich aushalten.
In diesem Sinne wünsche ich euch viel Vergnügen beim Vorlesen und Erklären. Achso, und ich bin immer froh über Lesetipps. Welche Geschichten lest ihr euren Kindern vor? Und kommen darin auch ein paar böse Räuber vor?
Liebe Grüße von Laura
Ps.: Ein persönliches Herzensanliegen von mir: Wenn ihr Lust auf diese Bücher bekommen habt, bestellt sie doch besser beim Buchhändler als beim Internetgiganten mit den sechs Buchstaben. Das wäre wirklich toll!