Home-Office ist jetzt in Zeiten der Krise in vielen Familien angesagt, und das stellt uns vor eine Menge Herausforderungen. Für mich ist das nichts Neues. Ich arbeite seit Jahren von zuhause aus und weiß genau, wie das funktioniert: während morgens mein Computer hochfährt, räume ich das Bad auf. Nach der Mail an die Kundin antworte ich der Oma, wie es den Kindern geht und melde die Mittlere direkt mal online im Sportverein an. Dann arbeite ich 20 Minuten am PC und auf dem Weg zur Toilette biege ich in der Wäschkammer ab, lege Kleidungsstücke zusammen und schmeiße direkt noch eine Ladung schwarze Wäsche in die Maschine. Schnell zurück an den Schreibtisch und für den Text recherechieren, den ich schreiben muss. Während ich konzentriert arbeite, ruft die Sektretärin der Schule an: der Sohn fühlt sich komisch. Ob ich ihn abholen könne? Also los, Sohn abholen, vor den Fernseher setzen, weiterarbeiten. Sohn ruft nach Tee und Zwieback. Außerdem möchte er die Serie umschalten und weiß nicht, wie.
Während ich Tee koche, lade ich die Spülmaschine aus und spüle Töpfe ab, mache mir einen Kaffee und gehe zurück an den Schreibtisch. Mir bleibt eine knappe Stunde, dann muss ich mich um das Mittagessen für die Kinder kümmern. Mein Text ist furchtbar und jeder, der ihn liest, merkt sofort, dass ich beim Schreiben an viele andere Dinge gedacht habe.
Volle Konzentration? Unmöglich!
Kommt dir das aktuell bekannt vor? Arbeitest du auch Corona-bedingt von zuhause aus und was dabei rauskommt, ist nur Murks? Kein Wunder, denn Deep Work ist unmöglich, wenn man nebenher noch Kinder betreuen soll. Deep Work bedeutet: volle Konzentration auf diese eine Sache, die dann hinterher richtig gut wird. Multitasking ist Quatsch, auch wenn wir uns immer einreden, dass man auf diese Weise mehr schafft. Multitasking macht Ergebnisse halbgar und den Kopf wirr. Am Ende hat man schlechte Excel-Tabellen, zu Matsch gekochte Nudeln, Hausaufgaben voller Fehler und verd* schlechte Laune. Das kommt davon, wenn sich Eltern auf nichts kontentrieren können.
Die Eltern? Naja…. denn so mancher Papa macht einfach die Tür vom Arbeitszimmer zu und taucht mental ab. Wer sonst auch viel im Büro sitzt und aus Gründen des Geschlechts nie von Schulsekretärinnen bei Magen-Darm und ausgeschlagenem Schneidezahn der Kinder mit der Bitte um sofortige Abholung angerufen wird, kennt und schätzt die Vorteile von Deep Work. Wer nicht zuständig ist oder sich nicht verantwortlich fühlt, kann sich konzentrieren und schützt den eigenen Kopf vor zu viel Last. Wir haben schon vor der Corona-Krise ein Experiment gemacht. Anton arbeitet einmal die Woche im Home-Office und wir saßen also nebeneinander im Büro. Während er telefonierte, tippte, überlegte und Zahlenreihen in die Tastatur eingab, rannte ich durchs Haus. Weil die Kinder mittags Hunger hatten, weil sich Luise und Oskar zankten, weil der Postbote klingelte, weil Jimmy zum Sport musste und die Waschmaschine piepte.
Verantwortung? In die Schuhe geschoben
Die ist ja selbst schuld, werden nun manche LeserInnen sagen, aber da möchte ich ein wenig erklären, wieso es so kommt, dass Mütter sich immerzu verantwortlich fühlen: Sie werden es nämlich gemacht!
Sie bleiben nach der Geburt doch sicher erst einmal bei ihrem Kind? * Frauen bekommen doch keine Kinder, um dann arbeiten zu gehen! * Kann sich das Kind gut von seiner Mutter trennen? * Kranke Kinder brauchen ihre Mütter! * Schreiben Sie mir für Notfälle bitte IHRE Nummer auf den Zettel! * Wir brauchen noch Mütter für den Wandertag *
All das könnte rein theoretisch auch der Vater leisten, aber der ist auf Mission: er verdient Geld und braucht dafür volle Konzentration. Selbst wenn nicht einmal wir selbst in klassischen Rollenmustern denken, tun es andere. Schwiegermütter, KinderärztInnen, LehrerInnen, Werbeheinis, KollegInnen und Sekretärinnen.
Wenn wir uns das bewusst machen, verstehen wir auch besser, warum wir uns zuständig fühlen, und können etwas dagegen tun. Denn um mal wieder zum leidigen Thema mit dem Virus zu kommen: wenn alle zuhause sind und vor allem wieder die eine zuständig ist, wird die eine auch besonders schnell ans Ende ihrer Nerven kommen. (Ich weiß, wovon ich spreche). Also heißt es für den Fall, dass die ganze Familie zuhause ist, dass der Mental Load geteilt werden muss. Wer kümmert sich wann um die Kinder, um deren Hausaufgaben und das Essen? Wer ist zuständig dafür, dass sie auch mal Luft schnappen und nach der zehnten Folge Peppa Wutz das Gerät ausmachen? Wer schlichtet Streit, tröstet und reguliert laufend die eigenen Gefühle, damit es anderen gut geht?
Macht einen Plan!
Vor allem, wenn beide Eltern im Home Office sind, ist es sinnvoll, sich die Zeit einzuteilen. Schnappt euch Stift, Kalender oder ein Blatt Papier und macht Zeiten aus, in denen beide Eltern konzentriert im Home Office arbeiten können. In der Zeit werden sie nicht gestört, und die Betonung liegt auf NICHT. Besonders Frauen brauchen oft Unterstützung darin, sich auch mal frei zu machen von der Familie und sich auf den (bezahlten) Job zu konzentrieren.
Kleiner Tipp am Rande! Nun ist die perfekte Gelegenheit, um die Kinder mit in den Haushalt einzubeziehen. Auch das klappt gut mit Absprachen und Regeln (ich empfehle hier mein Buch Wackelzahnpubertät /Affiliate Link, in dem gibt es ein Kapitel für Familienregeln und Hausarbeit). Außerdem könnt ihr in euren Plan direkt ein paar Minuten Auszeit für Eltern reinschreiben. Einmal in den Keller oder auf den Balkon, eine Runde spazieren oder hinter verschlossener Tür eine Serie gucken – das ist nötig, um die Nerven zu schonen und den totalen Familien-Koller zu verhindern.
Defizite werden deutlich
Wenn wir eines aus der Krise lernen, dann ist es das: Sorge-Arbeit endlich anzuerkennen. Denn diese Arbeit, die zuhause anfällt, wird meist von Frauen getan. Sie kümmern sich oft um die Kinder, sie regeln den Alltag, sie achten darauf, dass alle genug Schlaf, Trost und Nahrung haben und denken dabei an sich selbst oft zuletzt. Nicht einmal dann, wenn sie berufstätig sind, dürfen sie sich auf den Job konzentrieren, sondern sind mit Gedanken bei Kind und Kegel. Dass Männern das eindeutig leichter fällt, liegt nicht an deren Ignoranz, sondern daran, dass ihnen diese unsichbare und unbezahlte Care-Arbeit nicht zugeschrieben wird. Dem ein oder anderen kommt das möglicherweise ganz recht, habe ich mir sagen lassen. Überzeugend fand ich vor allem diesen Text von Uta Kitzing, der im Tagesspiegel erschien:
Sorgearbeit wird implizit als Selbstverständlichkeit eingefordert. Ihre existenzielle Bedeutung, ihr gesamtgesellschaftlicher Wert und ihre Herausforderungen in einer Gesellschaft mit dem Primat Erwerbsarbeit kommen aber (wieder mal) nicht vor. Wenn Schulen und Kitas schließen, fällt die zentrale Voraussetzung für Erwerbstätigkeit – nämlich die gesellschaftliche Übernahme von Betreuungs- und Versorgungszeit – weg. Sorgearbeit wird behandelt, als erledigte sie sich von selbst oder „nebenher“. Sie zählt nicht.
Hoffen wir, dass diese Krise bald ihr Ende nimmt. Danach ist hoffentlich allen klar, dass Eltern, die zuhause berufstätig sind, unter besonders widrigen Umständen arbeiten. Home Office ist eben nicht so einfach mit Kindern zu vereinbaren. Ich jedenfalls werde mich nach der Krise definitiv nach einer Alternative umschauen.
Bleib fröhlich und unperfekt, auch wenn ersteres gerade schwerer fällt!
Deine Laura
Ps.: Ganz besonders hart sind die Umstände, wenn Eltern alleinerziehend sind. In der Krise können sie niemanden bitten, die Kinder mal eben zu beaufsichtigen. Sie jonglieren Home Office, Kinderbetreuung und Haushalt ganz alleine. Diese Tatsache sollte uns zu denken geben, denn Zeiten wie diese decken auf, wo die Gesellschaft dringenden Handlungsbedarf hat. Luisa Hanke ist selbst alleinerziehend und hat in diesem Text ihre Tipps fürs Home Office aufgeschrieben.