Das Problem erklären
Die Frage, die mir in meinen Webinaren oder auf Instagram oft gestellt wird, lautet: wie erkläre ich das Mental Load-Problem meinem Partner und wie kann ich ihn davon überzeugen, dass wir das Problem gemeinsam lösen können? Mental Load birgt ein gewisses Konfliktpotential, weil es schnell so wirkt, als sei einer von beiden Schuld an all dem. Dann ist da noch diese Angst vor dem Gespräch, dass man das Problem mit dem Mental Load nicht erklären kann oder es lächerlich erscheint.
Nach wie vor gibt es da dieses Missverständnis von Care-Arbeit und Familien-Organisation als einer Tätigkeit, die Mütter aus reiner Liebe tun. Scheinbar fällt es ihnen nicht schwer, sie machen alles aus dem Stehgreif und tun es vor allem gerne. Naja, ich spiele vielleicht gerne mit meinem Kind eine Runde Ligretto oder denke mir ein Geburtstagsgeschenk aus, aber nahezu die Hälfte all der Aufgaben tue ich nicht gerne, sondern denke dran und mache sie, weil es eben gemacht werden muss.
Deshalb müssen wir hier noch einmal klarstellen, dass diese Arbeit, die Familie zu organisieren, nicht leicht ist. Es kostet Kraft und kann nur schwer von einer Person alleine bewältigt werden. Dass diese Person dauernd genervt und müde ist, ist kein Wunder.
Lieber weiter wie bisher?
Was wäre die Alternative? Vielleicht hast du auch immer wieder mal darüber nachgedacht, das Problem zu ignorieren und einfach lieber an dir selbst zu arbeiten. Aber vielleicht ging es dir wie mir: langfristig hat es nichts genützt, denn die Arbeit, die wir mit der Familien-Organisation, mit Haushalt und Kinderbetreuung haben, ist gewaltig. Was tun wir also stattdessen? Bisher haben wir schon eine Menge kommuniziert, wenn auch ohne Worte. Wir ziehen die Augenbrauen hoch, wenn der andere auf dem Sofa chillt, schnauben bei der Frage „Haben wir alles, Schatz?“ durch die Nase oder meckern rum, weil uns das „an alles denken müssen“ so sehr belastet.
Über Mental Load zu sprechen ist nie leicht, auch weil sich jeder schnell angegriffen fühlt. Wir denken, es ist ein individuelles Problem zwischen einem Mann, der zu wenig Verantwortung für Care-Arbeit und Organisation übernehmen will und einer Frau, die zu hohe Ansprüche hat. Aber das ist es nicht. Wäre es individuell, würde es nicht tausenden oder sogar millionen anderen Paaren genauso gehen.
In Eve Rodskys Buch Fair Play (Affiliate Link) war ein Hinweis auf einen Artikel in der Huffington Post, in dem geschiedene Frauen gefragt wurden, was sie im Nachhinein anders gemacht hätten: ich wünschte, ich hätte um Hilfe gebeten, als ich sie brauchte, war die Antwort vieler. (S. 136)
Gespräch vorbereiten
Wenn du möchtest, kannst du ein Gespräch über Mental Load vorbereiten. Definiere für dich selbst dein Problem und denk mal darüber nach, was dein Ziel sein könnte. Endlich die unsichtbare Arbeit gerechter verteilen? Mehr Zeit für dich und deine Hobbys? Möchtest du beruflich durchstarten? Oder willst du ganz einfach fürs erste mehr Ruhe im Kopf? Wenn du dein Ziel kennst, kannst du es auch besser erklären. Das Wichtigste ist, dass du deine Gefühle und deine Überforderung selbst ernst nimmst. Es ist keine Einbildung, von der Familien-Arbeit und der Masse an Aufgaben erschlagen zu sein. Auch nicht dann, wenn du in Elternzeit mit deinem ersten Kind bist.
Eve Rodsky spricht davon, wie wichtig es ist, die richtige Zeit und den richtigen Ort zu wählen. Am besten, man sucht sich ein Wochenende aus. Abends, wenn die Kinder im Bett sind, setzt ihr euch mit einem Glas Weißwein auf den Balkon und legt die Handys weg. Super eignet sich auch ein Spaziergang. Es redet und denkt sich beim Laufen noch viel besser und an der frischen Luft zu sein tut immer gut.
Überzeugende Argumente bringen
Vielleicht unterbreitest du im Gespräch ein ganz besonderes Angebot? Was hält dein Gegenüber davon, wenn du künftig weniger an ihm herum nörgelst, ihr beide genaue Erwartungen habt, was im Haushalt auf welche Weise gemacht wird, ihr euch gegenseitig dabei nicht kritisiert oder verbessert, es weniger Frust und Ärger gibt, dafür mehr Zeit, mehr Lässigkeit, mehr Harmonie und mehr Zärtlichkeit? Das muss doch verlockend klingen, oder? Inspiriert von Eve Rodskys Buch könnte das in etwa so lauten:
„Ich möchte mit dir zusammen eine neue Art der Zusammenarbeit ausprobieren die ein bisschen so ist wie damals, als wir noch keine Kinder hatten. Außerdem möchte ich mich wieder neu entdecken und Zeit für meine Leidenschaften und Hobbys finden. Du erhältst endlich die Möglichkeit, dich noch mehr als Vater zu engagieren und unser Familienleben endlich aktiver mitzugestalten.
Weitere Vorteile, die auf euch warten, wenn ihr den Mental Load teilt:
- Klar definierte Aufgaben und Verantwortungsbereiche, die von euch beiden gemeinsam gestaltet wurden
- Gegenseitiges Vertrauen in die Mutter- und Vaterrolle
- Zuhause auch mal die Führung übernehmen, ohne dass einem der andere reinquatscht und alles besser weiß
- Zeit für sich selbst ohne Schuldgefühle
- Eine stärkere Beziehung zu den Kindern
- Eine harmonischere Paar-Beziehung
- Einen ausgeglichenen Partner/Partnerin
Dieses Gespräch ist auch gut, um sich noch einmal miteinander abzusprechen, welches eure gemeinsamen Werte sind. Was ist euch beiden wichtig im Leben? Wie wichtig sind euch eure Berufe, eine mögliche Karriere, Zeit mit den Kindern? Was sind eure Wünsche für die Zukunft?
Fairness, Effizienz und Harmonie in einer Beziehung sind laut Autorin Eve Rodsky nur möglich, wenn ihr zusammen arbeitet und ein gemeinsames Ziel habt: dass ihr beide mit der Arbeitsaufteilung zufrieden seid. Und auch wenn es unbequem sein mag, an der derzeitigen Situation etwas zu ändern, gewinnt ihr dadurch so viel, dass sich der Aufwand lohnt. Was fair ist und wie ihr euch die Aufgaben aufteilt, ist alleine eure Entscheidung. Ihr müsst euch damit wohlfühlen, nicht die Schwiegermutter oder der Freundeskreis.
Forderungen stellen, anstelle sie nur zu erfüllen
Uns Frauen fällt es oft schwer, unsere Erwartungen zu artikulieren. Wir denken immer sofort, wir erwarten zu viel und sind zu egoistisch. Indem du dir klar machst, dass es ein typisches Frauendenken ist, traust du dich eher, dieses fatale Denkmuster zu durchbrechen. Ich habe neulich die wundervolle Netflix-Doku über Michelle Obamas Buchtour „Becoming“ angeschaut. Stell dir vor, Michelle hatte einst die gleichen Gedanken wie wir! Sie erzählte:
Das, was sie wirklich verändert hat, war die Geburt unserer Kinder. Ich war nicht wirklich bereit dafür. Das hat es wirklich schwieriger gemacht. Irgendetwas musste ich hergeben, und das waren meine Wünsche und Träume. Ich machte dieses Zugeständnis nicht, weil er (Barack Obama) sagte: „Du musst deinen Job aufgeben“, sondern weil es sich so anfühlte: „Ich kann das nicht alles machen.“
Und sie spricht weiter:
Aber eines der Dinge, die ich gelernt habe und die mir uns unserer Ehe geholfen haben, war, dass mein Glück nicht davon abhängt, dass mein Mann mich glücklich macht. (…) Mein Groll gegen ihn war, dass Barack sich in gewisser Weise selbst priorisierte. Als die Kinder Babys waren, war er im Fitnessstudio. Ich fragte: Wie kann man Zeit finden, um zu trainieren? Aber ich lernte, nicht länger auf ihn wütend zu sein, weil er ins Fitnessstudio ging, sondern ich lernte, selbst dorthin zu gehen.
Und nun nimm auch du dein Mental Load-Problem ernst und trau dich, es anzusprechen. Bitte um Unterstützung, erzähl von deiner mentalen Last und tritt für dich ein. Du kannst nur gewinnen!
Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
Schau dir mal den Film „An deiner Seite“ mit Michelle Pfeifer und Bruce Willis an. Die beiden haben zu lange nicht über Mental Load geredet.