Mit Kindern gewaltfrei kommunizieren: wie geht das eigentlich?
Ich habe mich vor einiger Zeit zu einem Seminar für gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg angemeldet. So richtig wusste ich nicht, um was es geht, aber das Thema Kommunikation betrifft mich beruflich. Privat ist meine Art zu kommunizieren übrigens nicht ausnahmslos gewaltfrei. Da rutscht mir doch das ein oder andere Schimpfwort heraus und meine Kinder übernehmen das natürlich. Irgendwie war dann doch alles anders als gedacht und es ging nicht um Kackedoris oder Sch… die Wand an. Es ging vielmehr darum, dass ich die Verantwortung für mein Wohlbefinden und meine Bedürfnisse übernehme und diese gewaltfrei zu kommunizieren lerne. Für mich als Mutter ein Luxus: Es ging einzig und alleine um mich und mein Befinden und das fand ich einfach grandios. Was ich noch gelernt habe und wieso die gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg auch deinen Alltag verändern kann, das erzähle ich dir heute!
Mama kocht vor Wut
Vielleicht kennst du Situationen wie diese: ich koche abends, habe mir vorher was Leckeres ausgedacht, Gemüse geschnibbelt und angebraten. Dann habe ich noch gedeckt und das alleine, weil die Kids gerade so schön gespielt haben. Als ich den letzten heißen Topf auf den Tisch stelle, rufe ich alle zum Essen – keiner kommt. Ich rufe noch einmal, aber niemand zeigt eine Reaktion. Auch Anton bleibt im Kinderzimmer sitzen und baut die Eisenbahn zusammen. Genervt stehe ich in der Tür: „Wieso kommt ihr nicht? Ich habe für euch gekocht UND gedeckt und so langsam wird alles kalt.“ Die Kinder meckern, sie würden so schön spielen. Anton will nur noch die Brücke für Jimmy fertig bauen. Sauer setze ich mich alleine an den Tisch und fange an zu essen.
Vier Grundlagen nach Marshall Rosenberg
Als ich der Seminarleiterin diese Szene schildere, weil sie gefragt hatte, was uns in unserem Leben ärgert oder nervt, erklärt sie mir die vier Grundüberzeugungen der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg:
- Egal, wie wir uns verhalten, immer liegt diesem Verhalten ein Bedürfnis zugrunde.
- Jeder Mensch trägt im Grunde genommen unter folgenden Voraussetzungen gerne zum Wohl anderer bei: er tut es freiwillig, authentisch und im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen
- Jeder Mensch erfüllt sich seine Bedürfnisse lieber in Kooperation mit anderen als mit Gewalt
- Gewalt wenden Menschen nur dann an, wenn sie keine andere Möglichkeit sehen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.
Mein Bedürfnis nach Wertschätzung
Merkst du was? Anhand dieser vier Grundannahmen Marshall Rosenbergs haben wir dann gemeinsam besprochen, dass ich das Bedürfnis nach Wertschätzung für meine Arbeit rund ums Abendessen habe, was ja irgendwie verständlich ist. Und dass für die Erfüllung meiner Bedürfnisse ich alleine verantwortlich bin. Wir haben aber meist nie gelernt diese zu äußeren und warten statt dessen darauf, dass andere möglichst schnell erahnen, was wir gerade jetzt brauchen. Meine Familie hat in jenem Moment nicht geahnt, dass ich gerne ein Lob für die warme Mahlzeit und einen sofortigen Beginn des Abendessens erwaretet hätte, waren sie doch so schön ins Spiel vertieft. Was könnte ich also anderes tun, als mich beleidigt an den Tisch zu setzen und mir die Kartoffeln in den Mund zu schieben?
So lautet mein Plan
Mit Hilfe der anderen Seminarteilnehmer, die im übrigen alle ganz ähnliche Konfliktsituationen in der Familie hatten, habe ich folgenden Plan geschmiedet: das nächste Mal kündige ich meinen Lieben schon früh an, dass es bald Essen geben wird. Wir könnten gemeinsam einen guten Zeitpunkt für eine Unterbrechung beschließen. Vielleicht kann ich das Essen ja auch noch ein klein wenig warm halten, bis die Gleise und der Tunnel fertig sind. Außerdem werde ich mich mit Mann und Kindern hinsetzen und ihnen erklären, dass ich zwar gerne für sie koche, es für mich aber nicht selbstverständlich ist. Ich möchte, dass die Arbeit gewertschätzt wird, wir uns mit dem Kochen auch mal abwechseln und die Regel gelten soll: wer deckt, darf sich beim Abräumen ausruhen.
Die eigene Haltung ändern
Stellt euch vor, mein Plan hat ganz gut geklappt. Natürlich lief von da an nicht alles rund ums Essen reibunglos, aber ich habe etwas erkannt: ich bin nicht das arme Opfer, das allen die Arbeit abnimmt und bei dem sich niemals jemand bedankt. Ich koche schließlich freiwillig und es macht mir auch Spaß, die Kelle zu schwingen. Aber ich möchte, dass meine Liebsten sich meinem Tun gegenüber respektvoll zeigen, zum Beispiel indem sie zum Tisch kommen, wenn das Essen fertig ist. Ich muss meine innere Haltung ändern und meine Bedürfnisse erst erkennen und dann äußern. Klingt eigentlich ganz einfach, oder? Tja, in der Realität musst du an dieser Einstellung fleißig üben, aber irgendwann wird sie dir in Fleisch und Blut übergehen, das hat die Seminarleiterin versprochen.
Du merkst vermutlich selbst etwas! Damit alle in der Familie glücklich und zufrieden sind, muss es ganz besonders dir als Mutter gut gehen. Und damit es dir gut geht, musst du dafür sorgen, dass deine Bedürfnisse befriedigt sind! Seien es die nach Ruhe, Anerkennung für deine Mühen, nach Auszeiten von der Familie oder ganz viel Zeit mit deinen Lieben. Am besten, du machst sofort folgendes: Denk in Ruhe darüber nach, was dich im Alltag ärgert. Welches Bedürfnis könnte hinter dieser Wut stecken? Versuch, deine Worte ohne Vorwürfe an die anderen zu formulieren. Sprich von dir und deinen Wünschen und erarbeite gemeinsam mit deinen Familienmitglieder einen Plan, wie ihr deinen Befürnissen und auch denen der anderen nachkommen könnt. Du wirst sehen, Mann und Kinder (sofern sie ein wenig älter sind) werden ganz sicher alles ihnen mögliche tun. Denn jeder Mensch trägt gerne zum Wohl anderer bei, und wessen Wohl liegt ihnen wahrscheinlich ganz besonders am Herzen?
Die Gewaltfreie Kommunikation hat noch so viel mehr zu bieten und ich kann die empfehlen, dich näher mit dieser wunderbaren Theorie zu beschäftigen. Du kannst mit ihrer Hilfe Beziehungen vertiefen, lernen, wie du empathisch zuhören und deine eigenen Bedürfnisse aufrichtig und ehrlich formulieren kannst.
Mehr zum Thema Gewaltfreie Kommunikation
Ich habe noch eine Menge mehr von der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg zu erzählen, und zwar in Zusammenhang mit einer tollen Mama, die sämtliche Leitsätze schon lange verinnerlicht hat: Isabel Gößwein, Mutter von fünf Kindern, Musikerin bei der La-Luna-Familienmusik und Bloggerin bei Lebendige Familienzeit. Ich habe ihre Art, mit den vier Töchtern und dem Sohn umzugehen, schon lange bewundert und erst später erfahren, dass sie die GFK schon seit Jahren für sich entdeckt hat. Sie verrät uns in diesem Interview, wie sie die Trotzphasen ihrer Kinder umschifft hat und gibt dir ihre besten Tipps zum Thema Kommunikation in der Familie.
Also, es wird spannend. Und deine Lieblings-Schimpwörter kannst du ganz in Ruhe beibehalten. Manchmal hat man als Mutter einfach das Bedürfnis, ein leckt mich an den Füßen in die Kissen zu brüllen. Und da hätte sicher Marshall Rosenberg auch nichts gegen gehabt.
Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
Ps.: Ich empfehle dir übrigens zu diesem Thema das Buch „Die Familienkonferenz“ von Thomas Gordon, Heyne Verlag 2012, über das ich hier eine Besprechung geschrieben habe. Isabels Einstiegs-Tipps ist „Mit dem Herzen hört man besser – Einladung zur Gewaltfreien Kommunikation“ von Klaus-Dieter Gens, Junfermann Verlag 2007.
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