Ich bin schön – für meine Tochter

Die Geschichte von Barbie

Neulich machte ich einen Ausflug in den Spielzeugwarenladen, denn ich war auf der Suche nach einem Geschenk für Luise. Ich schlenderte zwischen den Regalen umher, nahm ein Puppenkleid in die Hand und legte es wieder zurück. Dann schaute ich mich bei den Gesellschaftsspielen um und ließ meine Blicke über die Plüschtiere schweifen. Da hörte ich eine helle Stimme, die mich rief: „Hey, du, nimm mich!“ Ich drehte mich überrascht um und schaute in die blau geschminkten Augen einer Barbie-Puppe. Sie stand in einen engen Badeanzug gekleidet in ihrer rosafarbenen Verpackung und klimperte mit den Lidern.

„Nein, kommt nicht in Frage“, antwortete ich ihr. „Eine Barbie wie du würde ich Luise niemals schenken. Was bekommt sie denn da für einen falschen Eindruck von Frauenkörpern? Superschlank müssen sie sein, und die Beine ultralang. Na klar, und am besten dichtes blondes Haar und einen dollen Vorbau… Und später, wenn sie ein Teenie ist, kann sie sich dann nicht leiden, weil sie diesem Barbie-Ideal nicht entspricht. Du kommst mir garantiert nicht in die Tüte, du dünnes Ding!“

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Von falschen Müttern und klugen Puppen

„Ach, ihr Mütter. Ihr seid so falsch!“, rief Barbie spöttisch. „Jetzt kommst du mir gleich noch mit Heidi Klum und ihrer Supermodel-Show…“ Ich wollte eigentlich gehen, drehte mich aber doch zu ihr um. „Wieso sind wir Mütter falsch?“

„Ihr glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass sich eure Töchter in erster Linie an mir oder irgendwelchen Models orientieren? Sie orientieren sich immer an euch, an ihren eigenen Müttern! Ihr seid die erste wichtige Frau in ihrem Leben und wie ihr es macht, so machen sie es unweigerlich selbst, ob sie wollen oder nicht. Gib doch zu, du erkennst viele Wesenszüge deiner eigenen Mutter an dir, oder?“ Da musste ich der Puppe recht geben. Natürlich habe auch ich vieles von meiner Mutter übernommen, gute wie schlechte Eigenschaften. „Aber wieso bin ich dann falsch?“, fragte ich, um auf ihre Beschuldigung zurück zu kommen. „Falsch bist du, weil du weißt, dass dein eigenes Verhalten großen Einfluss auf Luise hat. Trotzdem stehst du morgens vor dem Spiegel und runzelst die Stirn. Sie hört, wie du an deiner Nasenform rummeckerst oder dich bei deinem Mann beschwerst, dass die Slimfit-Jeans nicht mehr passen. Du ärgerst dich lautstark über die Schwangerschaftsstreifen auf deinem Bauch, über die langweilige Farbe deiner Haare, die Schlupflider und sogar über deine Zehen. Deine Luise bekommt sowas mit, das kannst du mir glauben. Und auf diese Weise lernt sie, dass Frauen an all ihren kleinen Fehlern herum mäkeln müssen. Warte, es dauert nicht lange, da findet sie ihre Oberschenkel zu kräftig oder hätte lieber schwedenblondes Haar. Und dann kommst du hier rein und wirfst mir vor, dass Mädchen durch mich ein falsches Körperbild bekommen. Pah, das ist so falsch!“

Ach du lieber Himmel, habe ich da gedacht. Diese blondierte Puppe mit den skurrilen Proportionen, dieser Männertraum mit den kitschigen Klamotten: sie hatte recht! Dass ich in mancher Hinsicht unzufrieden mit meinem Aussehen bin, hat Luise auf jeden Fall schon mitbekommen. Sie steht oft mit mir im Bad, schaut mich von der Seite an und beobachtet genau, was ich dort tue und wie ich mich selbst beurteile. So wie sie sich heimlich meinen Puderpinsel ausleiht und sich das Gesicht einstäubt, so wie sie meine Schuhe anprobiert und genau wie ich ins Telefon spricht, so wird sie in naher Zukunft auch unweigerlich an sich selbst rummeckern, so wie ich es ständig tue. Bisher habe ich mir schon viele Gedanken darüber gemacht, wie ich ihr beibringe, ihren eigenen Körper zu lieben und mit dem Aussehen, dass Anton und ich ihr vererbt haben, zufrieden zu sein. Ich mache ihr regelmäßig Komplimente über ihre schönen Augen, ihre Sommersprossen und sage ihr, was für ein tolles und kluges Mädchen sie ist. Aber es reicht nicht, wenn ich ihr das Falsche vorlebe.

Kleinen Mädchen ein gutes Vorbild sein

Ich ging einen Schritt auf Barbie zu. „Darüber habe ich noch nie nachgedacht“, sagte ich ihr in zerknirschtem Ton. „Aber es stimmt, bisher war ich Luise in der Tat kein gutes Vorbild.“

„Nimmst du mich jetzt mit?“ fragte sie hoffnungsvoll. „Ja. Und ich werde dir ewig dankbar sein!“ Dann nahm ich sie vorsichtig aus dem Regal und ging mit ihr zur Kasse. Zuhause angekommen holte ich die schlanke Dame aus der Tasche und setzte sie in das oberste Fach meines Kleiderschranks. Seitdem thront sie da oben und erinnert mich an etwas sehr Wichtiges:

Schau dich an! Jeder Mensch ist auf seine Weise schön. Und deshalb bist auch du sehr schön. Achte auf die Dinge, die dir an dir selbst gefallen. Ist es deine Augenfarbe? Dein glattes Haar, deine schlanken Hände? Guck dich im Spiegel an und erfreue dich an deinem hübschen Lachen. Guck mit liebevollem Blick auf dein Äußeres und sei stolz auf einen gesunden Körper, der in der Lage war, ein tolles kleines Mädchen auf die Welt zu bringen. Zeig ihr, wie wichtig es ist, sich selbst zu mögen! Sprich mit ihr über eure Gemeinsamkeiten! Und sei ihr immer ein gutes Vorbild!

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