Lach- und Krachgeschichten
Jimmy ist zu unserem ausufernden Glück im Großen und Ganzen ein ganz gesunder, kleiner Kerl. Allerdings kennen wir trotzdem sämtliche Fachärzte in unsere Umgebung und rennen von Praxis zu Praxis, und das von Säuglingsbeinen an. Angefangen hat natürlich alles mit dem heute absolut notwendigen Gang zum Osteopathen, den mir die Krabbelgruppenkollegin wärmstens ans Herz legte, über den unser Kinderarzt wiederum nur schallend lachen konnte.
Wie dem auch sei, ich selbst bin medizinisch so ausgebildet wie ein Bernardiner im Bereich Exceltabellen und kann zum Thema Körper und Co Rat und Tat aufnehmen, annehmen oder eventuell auch mal verwerfen, was ich zum Beispiel bei Globulis recht schnell getan habe. Aber da macht ja jede Mutter so ihre eigenen Erfahrungen.
Nachdem Jimmy also ausgiebig vom Osteopathen behandelt und für gut gefunden wurde, stellte der Kinderarzt die Diagnose, dass das einjährige Kind unter Mittelohrentzündung leidet und schickte uns zum Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten. Der wiederum hielt nach längeren Untersuchungsintervallen eine Polypen-OP für unumgänglich und damit es sich auch gleich lohnt, sollte Jimmy zwei Paukenröhrchen eingesetzt bekommen. Wir haben mit dieser Aktion gute Erfahrungen gemacht und hofften, die Ohrgeschichte habe sich damit erledigt. Denkste. Für zuhause bekam Jimmy einen Nasenblasebalk mit, auf dem er von nun an bis zu drei Mal täglich einen Luftballon aufblasen solle – durch die Nase wohl gemerkt. Dass Jimmy dies nicht gerade mit Hingabe erledigt, muss ich hier nicht erwähnen. Also steht seitdem neben Zähne putzen, ernähren, waschen und einkleiden auf der Eltern-To do-Liste: morgens, mittags abends durch die Nase blasen.
In etwa derselben Zeit fiel uns Jimmys Schielen auf, und wir berieten uns mit dem Augenarzt. Erst einmal reichten Visiten alle drei Monate, nach einem Jahr aber stand fest: da muss eine Schiel-OP her. Auch diese absolvierte Jimmy vorzüglich und mit äußerster Nervenstärke. Fast tat er dies lieber, als sich im vierteljährlichen Rhythmus nach einer zwei stündigen Wartezeit in der Augenarztpraxis Tropfen ins Auge tropfen zu lassen und gefühlte 20 Mal Autos, Herzen und Häuser in meterweiter Entfernung erkennen zu müssen. Auch ich hatte die Wartezeiten leid, die sich bei uns im Jahr mittlerweile durchschnittlich auf 48 Stunden anhäufen.
Bei einer der U-Untersuchungen überraschte uns der Arzt mit einer Überweisung zum Logopäden und fragte uns, ob wir uns über das ewige Sabbern Jimmys und den fehlenden Mundschluss noch nicht geuwundert hätten. „Wir dachten, er zahnt“, war die Allerwelts-Antwort auf alle Fragen nach Fieber, Hautausschlag und Tropfnase. Wir hatten ihm bisher einfach täglich bis zu 10 Halstücher umgebunden, um die zwei Liter Spucke aufzufangen.
Seit diesem Zeitpunkt aber gehen wir nun einmal wöchentlich zur Logopädin und werden von ihr mit Hausaufgaben versorgt, als wäre Jimmy ein Elite-Internatsschüler. Also hängen wir nun an die Nasebalkgeschichte gleich noch das Logo-Programm an und pusten durch Halme, machen Mundverrenkungen und suchen den Zungenschlafplatz. Jimmy ist mäßig begeistert, denn diese lustigen Dinge machen nur mit der Logopädin Spaß. Für uns ist das ein Vorgeschmack auf die Hausaufgaben-Zusammenarbeit zwischen Mama und Kind nach der Einschulung in ein paar Jahren.
Die Logopädin sprach mich in der nächsten Stunde auf Jimmys Überbiss an und legte mir einen Besuch beim Kieferorthopäden ans Herz. Gesagt getan, nun haben wir alle 12 Wochen eine neue Freiteitbeschäftigung. Für zuhause bekamen wir ein neues Teil mit, dessen Namen ich bisher nicht kenne. Jimmy nennt es seinen Schnuller, und er soll ihn tagsüber so oft wie möglich tragen. Es dient auf jeden Fall dazu, dass Jimmy später beim Flirten nicht das Gebiss eines Pferdes, sondern die Prachtzähne eines normalen jungen Mannes dem umworbenen Geschlecht präsentieren kann.
Als ich vor kurzem mit ihm zur Friseurin ging, runzelte diese die Stirn über Jimmyleins Wirbel am Hinterkopf und gab mir den Tipp, dem Jungen abends, wenn er schliefe, mit einem Spängchen die Haare nach unten zu klipsen. Auf die Dauer würde das helfen und wenn er erstmal ein Teenie sei, wäre er seinem Mütterlein für alle Ewigkeiten dankbar, dass sie ihm dieses lästige Übel eines ungünstigen Haarwirbels erspart hätte. Da musste ich schallend lachen.
Gestern fiel mir ein Zeitungsbericht in die Hände. Er handelte von Montagsstücken. Das sind „einzelne Werkstücke oder Fertigwaren, die durch zumeist mehrere nicht erkennbar miteinander zusammenhängende Produktionsfehler auffallen.“ Der Volksmund geht davon aus, dass die Hersteller am Montag gedanklich noch im Wochenende sind und deshalb schlampig arbeiten.“ Jimmy ist an einem Montag geboren. Natürlich rede ich von meinem über alles geliebten Kind nicht von einem „Werkstück“. Er ist schließlich ein tolles Menschlein, und jeder Mensch hat Fehler. Trotzdem rate ich allen künftigen Müttern, bei denen sich eine Geburt an einem Montag ankündigt, sich ordentlich zu konzentrieren und nicht wie ich damals immer nur an den voran gegangenen Sonntagsausflug an den Stadtstrand zu denken. Das erspart später eine ganze Menge anstrengender Arzttermine und nervenzehrender Hausaufgaben.