Mit Gewaltfreier Kommunikation die Trotzphasen meistern – Interview mit einer fünffachen Mama

Isabel, meine Zen-Meisterin

Isabel Gößwein und ihr Mann haben zusammen fünf Kinder. Sie sind mit Anette Zanker-Belz und ihrer Familie Teil der la-le-luna-Familienband, die tolle Musik für Eltern und Kinder machen und deren CD ich hier schon einmal vorgestellt habe.  Ich habe sie alle bei einem großen Bloggerevent kennengelernt und schon damals fiel mir auf, wie ruhig Isabel mit ihren Kindern umgeht. Aber auch die vier Töchter und der Sohn unterstützen sich bei den Auftritten gegenseitig so toll und gehen fern der Bühne so rücksichtsvoll miteinander um. Von Anette, die übrigens auch ganz wunderbar ist, habe ich erfahren, dass sich Isabel viel mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg beschäftigt. Auch ich bin von dieser Art der Gesprächsführung fasziniert und habe erst neulich hier auf diesem Blog über meinen Kurs berichtet, in dem ich die Ansätze näher kennengelernt habe.

Um noch mehr über diese Form der achtsamen Kommunikation zu erfahren, habe ich meine persönliche Erziehungs-Zenmeisterin Isabel befragt, wie sie das mit ihren Kindern so gut hin bekommt:

Meine Fragen – Isabels Antworten

Laura: Wie und wann bist du zum Thema Gewaltfreie Kommunikation gekommen und was hat dich daran so fasziniert?

Isabel: Begonnen hat es mit dem wunderschönen kleinen Geschenk-Büchlein „Mit dem Herzen hört man besser – Einladung zur Gewaltfreien Kommunikation“, das ich von meinem Seminarleiter nach dem Referendariat bekam. Als Grundschullehrerin und privat als Mama von damals noch drei kleinen Kindern habe ich mich mit Gordons Familienkonferenz, Schulz von Thuns 4 Ohren Modell und ein paar ähnlichen Ansätzen beschäftigt.  Meine Ausbildung zur systemischen Beraterin in schulischen Kontexten hat mich dann noch weiter auf den Weg zur Gewaltfreien Kommunikation gebracht. Ich konnte, wie man so schön konstruktivistisch sagt, „andocken“.

Was für mich und in unserer Familie selbstverständlich geworden ist – sich zuhören, empathisch hören und verstehen hat sich ganz selbstverständlich entwickelt und war von Anfang an ein Grundbedürfnis von mir und uns allen als Familie.
Einfach anders denken, raus aus der Machtkampf-Falle mit Kindern und in andere Beziehungen gehen, dabei achtsam sein mit sich selbst und seiner Umwelt – das gehört für mich zu einem friedlichen Miteinander dazu. Gerade das ist auch das Faszinierende an der Gewaltfreien Kommunikation: man wird immer wieder neu bereichert, versteht andere besser, weil man einfach mehr nachfragt, verstehen will und eben nicht vorschnell interpretiert und wertet.
Marschall B. Rosenbergs Ansatz ist so klar und „einfach“, dass er mich nicht mehr loslässt und inzwischen ihn unserer 7-köpfigen Familie immer mehr gelebt wird.

Laura: Gibt es auch Situationen in eurem Alltag, die für dich stressig sind?

Isabel: Ob eine Situation stressig ist, definiere ja weitgehend ich selber. Was empfinde ich als stressig, wie gehe ich mit Situationen um, in denen ich möglichst alles sofort machen möchte? Denn Sollen und Müssen gibt es ja in der GFK nicht mehr – das ist auch für mich manchmal wirklich schwierig. Mir hilft inzwischen tatsächlich, dass ich recht früh angefangen habe (also schon beim ersten Kind) Machtkämpfe zu „suchen“ und sie zu erkennen, um mich dann bewusst zu entscheiden: wie wichtig ist mir dieses Nein oder diese Aktion jetzt wirklich? „Lohnt“ es sich in einen Machtkampf einzusteigen?
Alternativen anbieten entzerrt schon Vieles. Warum sollte ich entscheiden, welche Hose oder welches Oberteil oder welcher Schlafanzug jetzt angezogen werden soll? Möchtest du mit Gummistiefeln und Regenschirm losgehen oder lieber doch die Matschhose und die Regenjacke anziehen?

Typische „Trotzsituationen“ in Verbindung mit Terminen gibt es bei uns morgens – nämlich immer an den Tagen, an denen ich zur ersten Stunde in der Schule sein muss (d.h. um spätestens 7:30 Uhr). Dann kann es auch bei mir schon mal geben, dass ich sage, „Emma-Anais, ich packe jetzt deine Anziehsachen ein und du kannst jetzt im Schlafanzug mitkommen oder ich trage dich ins Auto. Ich kann leider nicht mehr warten, meine Schule beginnt in 30 Minuten.“ Dass sie dann wirklich im Schlafanzug eingepackt wurde ist noch nie passiert.
Mein Tipp: Bevor ich mich aufrege und mich dazu entscheide ärgerlich oder sauer zu sein, lieber überlegen wie es funktionieren könnte und den Kindern mitteilen, warum es so wichtig für mich ist. Auch schon, wenn sie 1 ½ Jahre alt sind. An meiner Stimme und meinem Handeln erkennen auch die Kleinen, dass es Situationen gibt, in denen es nicht unbedingt viel Zeit für Verhandlungen gibt.

Laura: Wie ist deine Einstellung gegenüber deinen Kindern? Kannst du das definieren?

Isabel: Meine Einstellung gegenüber den Kindern bzw. die Einstellung dazu, dass es Menschen mit Bedürfnissen sind und eben nicht „nur Kinder“, ist essentiell. Erst recht im „Trotz“alter – da wollen Kinder das erste Mal „Verantwortung“ für sich übernehmen – selber entscheiden dürfen, mitbestimmen und auch aktiv am Leben teilhaben. Wir Eltern sind es nur bis dahin so gewohnt, dass wir alles entscheiden konnten (gehe ich jetzt rechts oder links herum, wie lange bleibe ich vor dem Eselsgehege stehen, wann möchte ich mich hinsetzen und sitzen bleiben, …), dass auf einmal unsere Autonomie und Selbstbestimmung beschnitten wird. Die eigenen Freiräume werden so mit jedem Alter immer wieder neu ausgehandelt.

Laura: Hast du eine Art Rezept für andere Mütter, um gelassener zu werden?

Isabel: Mit Humor und Gelassenheit kann man die Trotzphasen gut überstehen, und wenn die Kinder merken, dass sie angehört und verstanden werden (spiegeln, spiegeln, spiegeln; empathisch nachfragen geht es Dir so und so… wolltest du…. Ich kann mir vorstellen, dass du …), dann gibt es bald kaum noch Trotzaktionen. Ich kann mich tatsächlich bei fünf Kindern an nur sehr wenige Trotzzeiten erinnern.

Anette und Isabel, zwei Mamas mit Gespür für die richtigen Töne

Schlusswort

Liebe Isabel, du bist mein ganz großes Mütter-Vorbild. Deine Ruhe und Ausgeglichenheit ist bewundernswert! Und du, liebe Leserin, hast hoffentlich ein paar gute Anregungen und Lust auf die Gewaltfreie Kommunikation bekommen. Keine Sorge: es geht nicht immer achtsam und ruhig, jeder Mutter geht mal die Hutschnur durch und wir können auch nicht immer pädagogisch wertvoll handeln. Ich fühle mich dennoch durch Isabel sehr inspiriert und denke sicher auch diese Woche oft an sie. Meine Kinder sowie ich selber trotzen nämlich mindestens einmal am Tag – da habe ich genug Möglichkeiten, an mir zu arbeiten!

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