Wäscheberge: Never reach the end

Von schwerer und nie enden wollender Tätigkeit

Sisyphos ist euch allen vermutlich bekannt. Es handelt sich bei diesem werten Herrn um einen König aus Korinth, der um das Jahr 1400 v. Chr. gelebt haben soll. Er war bekannt als weiser Mann, Schlitzohr und Götterverächter, hat mehrfach den Tod überlistet und wurde am Ende von Hermes in die Unterwelt gezwungen, wo er eine ewig wehrende Strafe verbüßte: er musste von nun an einen Felsblock auf einen Berg hinauf wälzen, der fast am Gipfel angekommen, jedes Mal zurück ins Tal hinab rollte.

Nun weiß ich nicht, was ich mir habe zu Schulde kommen lassen, dass auch mir dieses Schicksal widerfährt. Eigentlich bin ich nicht als Schlitzohr bekannt und habe mich auch Gott gegenüber gut benommen, bin getauft und sogar gefirmt. Dennoch übe ich Tag für Tag eine schwere Tätigkeit ohne absehbares Ende aus und muss dafür Sisyphos gleich in die Unterwelt hinab steigen, besser bekannt als Keller eines Mehrfamilienhauses. Ihr ahnt es schon: ich schleppe keine Steine, sondern wasche Wäsche.

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Lauras Odyssee

Früher, als kinderlose und ungebundene Person, habe ich einmal die Woche Klamotten in die Maschine gesteckt, ein beliebiges Pulver dazu geschüttet und den nassen Kladderadatsch auf einen Ständer gehängt. Alles in allem war ich nach ca. 30 Minuten Arbeit fertig und hatte eine Woche lang Ruhe. Seit fünf Jahren hat sich die Tätigkeit langsam und stetig von einer halben Stunde pro Woche auf eine Stunde PRO TAG gesteigert. Ich sehe Berge von Wäsche vor mir, die laufend wachsen. Berge von Buntwäsche, weißer Wäsche, schwarzer Wäsche. Hunderttausende von kleinen Unterhöschen, verschlammten Jeans und fleckigen T-Shirts, Lätzchen und Bodys mit aprikosengelben Flecken auf dem Rücken. Wäsche in fünf verschiedenen Größen, massenhaft bunten Söckchen und Millionen schwarzer Strümpfe, die sich alle in einer winzigen Eigenschaft unterscheiden und bei denen ich niemals zwei völlig identische Paare finde.

Und so trete ich jeden Tag den Gang ins Bad an, um in den überfüllten Wäschekorb zu blicken . Ich sortiere, ziehe auseinander, befreie von Sand, behandle Flecken vor und trage diverse Körbe in die Unterwelt hinab. Dort befülle ich die Maschine und leere den Trockner. Als nächstes wird der entleerte Inhalt ausgeschüttet, sortiert, in die Zimmer verteilt und in Schränke eingeräumt. Ist dies geschehen, kann ich ein zweites Mal hinab steigen, Flusensiebe reinigen, nasse Kleidung in den Trockner stopfen, den offenen Maschinenschlund erneut mit Schmutzklamotten füllen und Waschpulver abmessen. So geht es immerzu und immerfort und am Ende vergesse ich mindestens eine Ladung nasser Wäsche, die ich am späten Abend stinkend und müffelnd vorfinde.

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Aber da sind ja nicht nur kiloweise Kleider, sondern auch zwei große und drei kleine Bettchen möchten frisch bezogen sein. Im Sommer türmen sich Schwimmsachen und Badelaken, im Winter häufen sich verdreckte Anoraks und Wollsachen. Bin ich einmal an den Boden des Wäschekorbs im Bad gekommen, ist garantiert, dass dieser am Abend wieder halb gefüllt ist. Immer wieder und wieder stapfe ich in den Keller, öffne die Türe, treffe auf andere Hausbewohner, die bergeweise Wäsche verarbeiten, nicke ihnen in stillem Einverständnis zu und beginne mein nie enden wollendes Tagesgeschäft.

„Und weiter sah ich Laura in gewaltigen Schmerzen: wie sie mit beiden Armen eine Ladung Wäsche, eine ungeheure, fortschaffen wollte. Ja, mit Händen und Füßen stemmend, stieß sie die Kleidung in die Trommel hinein. Doch wenn sie dachte, der Wäschekorb sei leer, so irrte sie: von neuem ward er gefüllt, der schamlose, bis oben. Sie aber begann von neuem, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihr von den Gliedern, und der Schmutz erhob sich über ihr Haupt hinaus.“

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