Ein 6-Jähriger sieht rot
Heute erzähle ich euch, wie mit den powerboys, einer Heavymetal-Band für Kinder, Frieden in unser Haus eingekehrt ist! Eigentlich wusste ich es schon immer: Wer laut Texte grölt und in Gitarren drischt, kann kein schlechter Mensch sein, denn Rockmusik beruhigt die Nerven, lässt den Druck raus und ist eine prima Form, um sich friedlich abzureagieren. Und so haben auch tatsächlich bei uns ein paar harte Beats für Entspannung gesorgt. Jimmy ist sechs geworden und kommt demnächst in die Schule. Er ist mit seiner neuen Undercut-Frisur, dem Schulranzen auf dem Rücken und dem Fußball unter dem Arm definitiv kein kleines Kind mehr. Aber das merke ich noch an anderen Dingen. Bis vor kurzem kamen wir noch ganz gut klar, haben meist gemeinsam Lösungen für Streitthemen gefunden und waren uns auch in Sachen Klamotten, Fernsehkonsum und Bettgehzeiten einig.
Nun aber diskutieren wir alles aus. Jimmy will nicht um acht ins Bett, er will Fußball gucken und zwar bis Ende der Spielzeit um 22.30 Uhr. Er will sein Fußballtrikot anziehen und zwar jeden Tag und immerzu. Außerdem wird Jimmy richtig sauer. Auf mich, auf seine Schwester, auf das Leben als solches. Mit Anton sitze ich auf dem Balkon und überlege, was los ist mit ihm. „Wahrscheinlich merkt er selber, dass er älter wird, sucht die Konfrontation und möchte sich von uns emanzipieren“, mutmaßt Anton, und das klingt in meinen Ohren ganz einleuchtend. Am nächsten Tag entdecke ich beim Surfen im Netz ein Video von den powerboys: wilde Jungs rocken für super coole Jungs. Die Musik klingt richtig gut und da auch mal in meinem Ipod Korn und Slipknot ihre Verse brüllten, war ich sofort begeistert von „knallhartem Rock und gnadenlos realistischen Texten“. Das könnte was für Jimmy sein! Dazu kommt, dass mir schon seit einiger Zeit Anne Kaffeekanne, Rolfs Vogelhochzeit und ganz besonders der Eisköniginnen-Soundtrack ganz gehörig auf den Keks gehen. Die powerboys könnten nicht nur ne Menge Identifikationspotential für meinen wilden Jimmy mitbringen, sondern sie wären auch Balsam für die geschundenen Mutterohren.
Rocker auf Augenhöhe – die powerboys
Gesagt, getan. Als Jimmy aus dem Kindergarten kommt, gewohnt schlecht gelaunt und ordentlich auf Krawall gebürstet, setze ich ihn eine Runde vor das Tablet und zeige ihm das Video. Bingo! Jimmy ist begeistert. „Da singen ja echte Kinder“ ist sein Kommentar, und er guckt sich „Wir machen blau“ gleich drei Mal hintereinander an. Und er will mehr über die Jungs wissen. Wir googlen eine Runde und finden auf der offiziellen Website der powerboys raus, dass sich Luc, Julian, Levin und Elias bei einem Rockworkshop in der Musikschule kennengelernt haben. Weil sie zünftige Schlagzeugrhythmen und schmissige Gitarrenriffs mehr schätzen als schmusige Kinderreime und die üblichen Kinder-Gesangsbarden, haben sie ihre eigene Band gegründet. Sunrise Avenue, AC/DC und Iron Maiden dienten den vier Jungs, die zwischen zehn und vierzehn Jahre alt sind, als Vorbilder für ihre eigene Heavy Metal-Formation.
„Boaah, sowas will ich auch machen“ brüllt Jimmy, holt seine Minigitarre aus dem Kinderzimmer, pfeffert seinen Kopf rauf und runter und drischt in die Seiten. „Wir machen blau…“ singt er dazu. „Was ist denn blaumachen überhaupt?“ unterbricht er sein kleines Rockkonzert. Kurz überlege ich, was ich sagen soll, aber ich bin ehrlich. „Blaumachen ist, wenn man einfach nicht da hingeht, wo man hingehen sollte. Zum Kindergarten, zur Schule oder zur Arbeit.“ „Geil, dann mache ich morgen auch blau und gehe nicht in den Kindergarten.“ Super, denke ich. Was kommt da in den nächsten Jahren wohl noch auf mich zu?
Wenn Eltern mal nerven….hört Jimmy die powerboys
Aber egal! Jimmy hat jetzt jedenfalls eine Möglichkeit gefunden, seiner Wut auf die Eltern, die ihn abends um acht ins Bett oder sonntags in die Wanne schicken, Luft zu machen. Wenn er mal wieder richtig sauer ist, schnappt er sich das Tablet, geht in sein Zimmer, hört die powerboys und drischt auf seine kleine Gitarre ein. Er möchte sich außerdem wie Luc die Haare lang wachsen lassen, mit mir auf ein powerboys-Konzert gehen, der Facebook-Fanpage folgen und ein Poster der Vier an die Wand hängen. Auch ich freue mich über die musikalische Abwechslung. Die Mucke kann ich gut ertragen und ist ein wundervoller Ausgleich zu den Momenten, in denen Elsa ihr „ich bin frei, endlich frei…“ erklingen lässt.
Übrigens ist eine CD von den powerboys eine riesen Idee für Jimmys Schultüte. Und eine Konzertkarte passt wohl auch noch rein! Wie gut, dass wir Verwandte in München haben. Die Tourdaten lauten
- 22.07. – Hafenfest, Berlin-Tegel
- 05.08. – Saar-Spektakel, Saarbrücken
- 12.08. – Sommerfest imopark, München
Aber jetzt wünsche ich euch allen viel Spaß beim Abrocken. Vielleicht ist das mit dem Blaumachen gar keine so schlechte Idee. Wir fahren jedenfalls morgen anstatt in den Kindergarten ins Freibad und lassen unser Gewissen frei nach den powerboys „ein Auge zudrücken.“ Vielleicht lege ich mal wieder eine alte Korn-Platte auf. Lasst es krachen, eure Laura