Die Kinder der Utopie
Ich hatte das Glück, mir den Film „Die Kinder der Utopie“ schon einmal im Vorfeld anschauen zu dürfen. Uns hatte vor ein paar Wochen eine Grippe erwischt und ich lag hustend mit meinem Jimmy im Bett. Der Computer stand vor uns und wir legten los. Statt Popcorn gabs Hustenbonbons, wir tranken Früchtetee mit Honig statt einer kühlen Limo.
Für Jimmy, 8 Jahre alt, sind Menschen mit Behinderung nichts Neues, wir haben eine 11jährige Nachbarin mit einer geistigen Behinderung und er geht auf eine Grundschule, die sich seit ihrer Gründung in den 90er Jahren vorgenommen hat, dass jedes Kind aus dem Stadtteil dort lernen kann, egal ob krank oder gesund. Es gibt eine Inklusionsklasse mit zwei Lehrerinnen und als das erste Kind mit Rollstuhl die Schule besuchte, wurde kurzerhand eine Rampe neben die Schultreppen gebaut.
Ein Film über junge Menschen
Jimmy und ich machten es uns also gemütlich und sahen junge Leute im Film, die sich begegneten. Sie kannten sich schon lange, hatten sich aber scheinbar eine Weile nicht gesehen. Eine sympathische junge Frau erzählte ihrem alten Klassenkameraden von ihrem Studium und davon, dass sie eigentlich gerne Fotografie studiert hätte. Der wiederum berichtete von seiner Musicalkarriere, die gerade begann, erfolgreich zu werden. In der nächsten Sequenz traf der Musicaldarsteller den nächsten Klassenfreund und so ging es den Film über weiter. Alle jungen Leute berichteten, wie es ihnen ergangen war und was sie aktuell machten. Das Besondere daran: jeder und jede von ihnen hatte gewisse Hürden zu meistern, ein paar Schwierigkeiten zu überwinden oder Entscheidungen zu überdenken.
Irgendwann fällt auf, dass einer der jungen Männer ein wenig anders spricht, sich anders ausdrückt. Vielleicht hat er eine Lernschwäche oder Ähnliches. Das Besondere ist, dass es egal ist. Auch er muss seinen Weg gehen, so wie die anderen, er erzählt von seinem Glauben, der ihm Kraft gibt und von seinem Berufswunsch. Später trifft eine jungen Frau ihre Klassenkameradin, die das Down-Syndrom hat. Sie lacht herzerwärmend und erzählt, dass ihr Papa sie nicht ausziehen lassen möchte, sie aber unbedingt eine eigene Wohnung will. Sie ist einfach ein junger Mensch mit Zielen und Träumen, mit Hürden, die zu meistern sind und einem Vater, der sich Sorgen macht. Alles ganz normal, oder?
Inklusion in der Grundschule
Immer wieder schauen sich die GesprächspartnerInnen kleine Filmsequenzen an, denn sie haben gemeinsam, dass sie alle in dieselbe Inklusions-Grundschulklasse gingen. Das war damals noch außergewöhnlicher als heute und ein Filmteam begleitete die Klasse eine Weile. Die jungen Leute sehen sich selbst als Schulkinder, einmal misslingt einem Jungen ein Referat, er weint. Rührend ist auch das Kind mit schweren Behinderungen, das beim Tanzen und Singen im Unterricht im Rollstuhl in der Mitte steht und von allen als Mitschülerin wahrgenomme wird, trotz ihrer schlimmen Krankheit.
Der Film ist lebensnah, geht ans Herz und das nicht nur aus dem Grund, weil es um Menschen mit Behinderung und um Inklusion geht. Er zeigt, wie selbstverständlich die Kinder früher und nun als junge Erwachsene miteinander umgehen, wie egal ein Rollstuhl, ein Down Syndrom und selbst eine schwerwiegende Krankheit für das gemeinsame Lernen sein kann. Da sind Kinder, die Toleranz ganz einfach nebenbei erfahren, indem sie in einer völlig heterogenen Klasse gemeinsam älter werden.
Deutschland: ein Land der Trennung
Ist das eine Utopie oder könnte es Wirklichkeit werden, dass immer mehr Kinder mit Behinderung zusammen mit gesunden Kindern lernen? In unserem Land wird wie in keinem separiert, die Klassen sind so homogen, wie es nur geht. Kinder mit Behinderung gehen meist in Sonderschulen und sind dort getrennt von allen anderen. In manchen Situationen macht das sicherlich auch Sinn, aber es sollte für die Kinder und ihre Eltern doch auch Alternativen geben. In einem Zeit-Artikel hieß es neulich, Deutschland sei Weltmeister im Ausgrenzen, das hat mich sehr getroffen. Ich kenne das ja aus der Realität: in unseren Schulen bekommen die Kinder aus bildungsnahen Familien Unterstützung bei den Hausaufgaben, weil Eltern nachmittags Zeit haben. Sie helfen bei der Buchpräsentation, besorgen Bücher und kümmern sich um das Poster fürs Referat. Kinder, deren Eltern den ganzen Tag arbeiten müssen und die eher aus einer bildungsfernen Schicht kommen, die haben viel schlechtere Chancen. Keiner leiht mit ihnen Bücher aus der Bücherei, übt mit ihnen Lesen oder zeigt ihnen Museen und Konzerte. Auch das ist für mich Ausgrenzung und kann nur dadurch geändert werden, indem wir mehr Geld in die Schulen stecken, vor allem in vernünftige Ganztagseinrichtungen, in denen alle Schüler die gleichen Bedingungen vorfinden.
Unsere Gesellschaft ist nicht homogen, die Menschen, die hier leben, sind verschieden, kommen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands, aus dem Ausland, sind krank, gesund, lieben das andere oder das gleiche Geschlecht. Je näher wir Menschen sind, die anders sind als wir selbst, desto toleranter werden wir. Das sieht man auch daran, dass in Bundesländern, in denen der Ausländeranteil geringer ist, eher rechte Parteien gewählt werden.
Miteinander leben
Der Umgang mit Menschen mit Behinderung ist für uns auch deshalb schwierig, weil wir zu wenig Anknüpfungspunkte haben. Die jungen Menschen aus dem Film wissen, wie man miteinander umgeht. Man macht kein großes Aufheben um die Andersartigkeit und alle wissen, dass sie einfach dazu gehören.
Jimmy mochte den Film sehr, ich hatte hinterher Tränen in den Augen. Er ist ein Lehrstück für uns alle und ist Herzensbildung vom Feinsten. Jetzt fragst du dich sicher, wie du „Die Kinder der Utopie“ ebenfalls schauen kannst? Und zwar wird er am 15. Mai in ganz vielen deutschen Kinos gezeigt. Auf dieser Seite kannst du nachschauen, welches das nächste Kino in deiner Nähe ist und vielleicht hast du sogar Lust, an den Gesprächsangeboten teilzunehmen.
Hier ist der Ort für Stuttgart
Hier für Ludwigsburg
Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Gucken, einen tollen Kinoabend und ein berührtes Herz.
Bleib fröhlich, denn wir sind alle unperfekt – was ein Glück!
Deine Laura
Hast du Lust, die Message noch weiter zu verbreiten? Ich habe ganz vielen Leuten von dem Film erzählt, das könntest du doch auch tun. Trommel deine Freundinnen und Freunde zusammen, erzähl den anderen Kindergarten- oder Schuleltern davon, mach Werbung in den Eltern-WhatsApp-Gruppen oder teil die Links zum Film auf Facebook und Co. Ich danke dir!
https://www.diekinderderutopie.de/aktionsabend