Das Lego-Zeitalter bricht an

Jimmy wird älter und wir machen die ersten Erfahrungen á la „kleine Kinder, kleine Sorgen. Große Kinder, große Sorgen“. Ganz konkret lautet das bei uns: „kleine Kinder, große Legosteine. Große Kinder, kleine Legosteine“. Und so massieren wir unsere Füße nicht mehr nur, in dem wir abends überraschend in einen Sechserklotz Lego Duplo treten, sondern verziehen unsere Gesichter und formen die Münder zu einem stummen Schrei, wenn wir beherzt in die klitzekleinen Legosteinchen tappen, die sich nun in unserem Langflor-Teppich verstecken.


Jimmy ist viereinhalb und geht in den Kindergarten. Dort zeigte er Oma und mir neulich stolz, was er mit Freund Marius gebaut hatte: ein Schwimmbad mit echten Legosteinen. „Nicht diese Babydinger, die wir zuhause haben“, fügte er hinzu. Ich war gerührt auf Grund der architektonischen Kleinkunst, die sich mir bot. Insgesamt vier Rutschen, eine Treppe und ein drei-Meter-Turm auf blauem Lego-Gund hatten die beiden aus Klitze-klein-Teilen zusammen gesetzt. Und mir wurde eines klar: hier ist nicht mehr ein Kleinkind am Werk, der mit Patschehänden die dicken, bunten Steine aufeinander steckt, sondern ein richtiger Junge, der die Welt der Miniaturbaustsein entdeckt. Ich sah Lego-Polizeistationen vor mir, meterhohe Bauten mit fünf Stockwerken und ausgetüftelte Fahrzeuge mit 360 Grad Wendekreis, vielleicht sogar einen mannhohen Weihnachtsmann mit Drehmechanismus, wie er im Schaufenster bei Kaufhof zu bestaunen ist.

„Ist ja wohl für Babys!“

„Wir haben doch noch eure alten Legos zuhause“, riss mich Oma aus meinen Träumen. „Super, die könntet ihr doch mitbringen“, antwortete ich begeistert. Und so kam es, dass Opa beim nächsten Besuch ein Kissenhüllenbezug mit gefühlten 7,5 Kilo Legosteinen auf den Boden hievte. Und bei genauem Hinsehen entpuppten sich die 7,5 Kilo in 1.500.000 Einzelteile aus kleinen Steinen, Männchen, Rädern, undefinierbaren Dingern und einer Menge kleiner Türen und Fenstern. Ich, die ja eine totale Spiel-Legasthenikerin bin, war ratlos. „Und was soll man daraus bauen?“ fragte ich. Jimmy suchte sich die blauen Steine raus und fing an, ein weiteres Schwimmbad zu entwerfen. Da allerdings keine Unterlagen dabei waren, auf die man die Klötze stecken kann, gab er frustriert auf. Luise kam angelaufen und griff beherzt in den großen Berg, um die Steine händeweise durch die Gegend zu schmeißen.

Ich sah, was ich mir da eingebrockt hatte, und begann, nachdem Jimmy wahllos irgendwelche Teile aufeinander gebaut hatte und sich dann lieber seinen Kalendern zuwandte, das Chaos zu beseitigen. Nun ist es aber wirklich mühsam, die 1.500.000 Teile aus dem Teppich zu suchen und die Chance, alle zu erwischen, liegt bei 1:20.000. So viel zu Zahlen und Fakten.

Zum Glück kam mir Anton zu Hilfe. Er half nicht nur beim Aufräumen, sondern baute kurzerhand zwei Autos für Jimmy, einen Hubschrauber für Luise und eine vollautomatische Küchenmaschine ein kleines Häuschen für mich.

 Wir waren irgendwie sehr stolz, dass die Baby-Duplo-Zeit nun beendet und die kreative Lego-Phase eingeläutet wurde. Glücklich bin ich aber nicht über die 20 % Kleinteile, die sich scheinbar selbstständig machen und nachts aus der Kissenhülle krabbeln. Denn sie verstecken sich dann unter meinem Kissen, in der Küchenschublade, in der Badewanne, im Auto und in allen Ritzen und Ecken, die unsere Wohnung so zu bieten hat. Und sie bohren sich immer wieder beim Gehen schmerzhaft  in meine Füße.
 So ist es wohl mit dem Großwerden: man ist ganz schön stolz auf dieses Kind. Aber es kann  auch schmerzen, wenn es nicht mehr länger klein sein will. In diesem Sinne wünsche ich euch allen frohe Weihnachten und ruhige Feiertage.

Alles Liebe, Laura

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