Mama Stine auf Schatzsuche
Männer finden nichts
Das macht sie manchmal den lieben langen Tag. Vielleicht hätte sich die Braut über die folgenden Konsequenzen nach einer Vermählung mit Kapitän Barbarossa ein wenig mehr Gedanken machen sollen. Aber frisch verliebt wie sie war, störte es sie nicht, dass der gut aussehende Halunke bis zu drei Mal pro Tag die Schiffsschlüssel verlor und stets sie nach deren Verbleib fragte. Auch verlegte er gerne sein Monokel oder das Rundfunkgerät, mit dem er Kontakt zu seinen Piratenkollegen hielt. Oft stand er aber auch mit der Nase direkt vor dem Gesuchten, etwa wenn er im Seeräuberschrank nach seinen grünen Boxershorts mit den Papageien suchte. „Sie liegen dort, wo sie immer liegen“, antwortete dann die Seerüberbraut Stine Störtebecker und schaute ihn mit verliebten Augen an, während sie mit einem Handgriff die grüne Buxe hervorzog.
Mittlerweile schaut die Braut nicht mehr ganz so verliebt, wenn der Gatte seine sieben Sachen sucht. Und noch was hat sich geändert: die Seeräuber haben sich um zwei Personen vermehrt, und der männliche Seeräuber-Teil hat die furchtbare Krankheit geerbt, auch bekannt als unheilbare maskulin bedingte Findungsstörung. Nun sucht die Braut also nicht mehr nur die Dinge des Göttergatten, sondern auch die des Juniorpiraten.
Unterwegs alles dabei?
Wenn die Seeräuberfamilie unterwegst ist, ist es für alle Mitglieder selbstverständlich, dass Stine zuvor alle gebräuchlichen Dinge eingepackt hat. Hast du Marys Windeln dabei? fragt Barbarossa. „Du hast doch sicher was zu trinken in der Tasche“, fragt Juniorpirat Willi, und Mary möchte auf der Stelle Schaufel und Eimer für den Sandstrand. „Wie, du hast das Sandspielzeug vergessen?“, hört Stine ihren Mann fragen, und um ein Haar holt sie das Schwert aus der Gürteltasche.
William the Kidd braucht minütlich irgend einen anderen Gegenstand. Wenn seine Mutter ihn auffordert, beim Suchen gefälligst zu helfen, hat sie den Eindruck, dass ihm dazu leider die Lust fehlt. Mama findet ja alles, scheint er zu denken, und zur Tarnung wandert er ein wenig über das Schiffsdeck. Auch schaut er eigentlich gar nicht hin, und es kommt vor, dass die gesuchte Lego-Eisenbahn oben in der Lego-Kiste liegt, er sie aber nicht entdeckt und einfach schon mal pro forma schreit.
„Irgendwie kommt mir das bekannt vor“, denkt sich die Seeräuberin, und ihr fällt ein, dass sie erst letzte Nacht Barbarossa bat, die Nasentropfen mit dem rosa Deckel aus dem Medikamentenschrank zu holen, weil die kleine Mary Red Schnupfen hatte. „Sind hier nicht drin“, attestierte er nach wenigen Sekunden. Die Piratengattin hingegen fand sie sofort.
Der heutige Morgen begann schlecht für unsere Räubersfrau. William the Kidd vermisste sein Leuchtarmband und heulte. Barbarossa suchte sein Fernrohr und fluchte. Und Mary Red fand ihren Schnuller nicht und schrie erbärmlich. Da wurde es Stine zu viel. Sie holte die Schlüssel für das Beiboot, nahm ihre Handtasche, die immer fertig gepackt am Eingang stand, und verließ die Meute für immer. Mittlerweile hat sie sich auf einer einsamen Insel niedergelassen. Sie verrät aber nicht den Breitengrad aus Angst, ihre Piratenfamilie könnte sie finden. Wobei – das ist nahezu unmöglich!