Kinder, kommt nörgeln, das Essen ist fertig!

Bei Mama schmeckts nicht

Jimmy und Luise sind immerzu unterschiedlicher Meinung. Der eine mag Fußball, die andere Pferde. Der eine guckt gerne Jim Knopf, die andere lieber Bibi und Tina. Der eine spielt gerne Schach, die andere lieber Schneckenrennen. Nur in einem sind sie sich einig: was Mama kocht, schmeckt nicht. Und so sitzen zwei mies gelaunte Kinder am Tisch, ekeln sich vor Brokkoli, beschweren sich über Pizza und Lasagne, verabscheuen Salat und Kräuterquark, finden Kartoffeln langweilig. Da ich nicht täglich Pfannkuchen mit Nutella oder blanke Nudeln machen möchte, finde ich beim Mittag- und Abendessen kein Lächeln vor, sondern nur zwei kleine Gesichter, die sich verziehen, als servierte ich Schneckenschleim mit Borkenrinde. Luise mag nicht einmal Brot am Abend. Ihr seht schon, die Aussichten für mich als Familienköchin sind schlecht, sehr schlecht!

Papa macht Abendbrot

Sogar Oma hat sich jetzt eingeschaltet. Obwohl es bei ihr zuhause für die Lieblingsenkel vornehmlich Süßspeisen als Hauptgang gibt und danach gerne noch ein dickes, fettes Eis, ist auch sie daran interessiert, dass Jimmy und Luise nicht demnächst an Vitaminmangel zu Grunde gehen. Und so besorgte sie ein herzallerliebstes Büchlein mit dem Titel „#Papa macht Abendbrot“. In diesem hat ein Papa-Blogger seine Abendbrote fotografiert und beschrieben, wie er diese allabendlich für seine vier Kinder auf den Tisch zaubert. Jedes Mal denkt er sich ein anderes tolles Motiv aus, von der kleinen Raupe über ein Haus oder ein Rennauto. Diese sind dann aus Gemüsestücken, Wurst, Käse und Co so passend zusammengestückelt, dass es eine Freude ist. Also habe ich nach Vorlage für Luise ein Häuslein aus Knäcke, Emmentaler und Karottenscheibchen gebaut, für Jimmy gab es die drei kleinen Schweinchen. Ratet, was passierte!

© Daniel Staffen-Quandt: #Papamachtabendbrot. Ein Vorlese-Rezept-Buch für Väter und Mütter, München 2016, Claudius Verlag

Jimmy war beleidigt, weil ich ihm Gurke auf den Teller gelegt hatte. Er entfernte mit einem Mal die säuberlich ausgeschnittenen Augen und all das andere Gemüse, und biss verdrossen in die Wurstbrotkreise. Luise beschwerte sich darüber, dass sie ja kein Käse mag und auch keine Paprika, und überhaupt will sie Ketchup und keine Mayo. Ich war entsetzt und dachte darüber nach, ob wir totale Erziehungsversager waren, oder uns der Frosch aus purer Bosheit nur die verwöhnten, egozentrischen Kaulquappen ins Nest gesetzt hatte.

Papa macht Abendbrot. Daniel Staffen-Quandt: #Papamachtabendbrot. Ein Vorlese-Rezept-Buch für Väter und Mütter, München 2016,
© Daniel Staffen-Quandt: #Papamachtabendbrot. Ein Vorlese-Rezept-Buch für Väter und Mütter, München 2016, Claudius Verlag

Auf der Suche nach Lösungen

Es war mir sowieso ein Rätsel, wieso diese beiden Kinder nicht schon längst an Skorbut erkrankt sind, denn am Ende aßen sie ja doch kein Gemüse, sondern verzehrten den Nachtisch als Hauptmahlzeit. Aber es musste eine Lösung her. So habe ich in den letzten Wochen Ideen gesammelt, was den Kindern schmecken könnte. Habe sie interviewt und nach den Kindergartenmahlzeiten befragt, Kinderkochbücher gewälzt und versucht, einen kleinen gemeinsamen Essensnenner zu suchen. Am Ende stand auf meiner Liste

  • Reis mit Mais
  • Fleisch mit Soße und rohen Tomaten
  • Fischstäbchen mit Kartoffelbrei

Na gut, dachte ich, wenigstens kann man hier wenigstens von Abwechslung sprechen, und ich könnte ja die einzelnen Dinge nach Adam Riese zu insgesamt neun Menüs kombinieren. Aber am letzten Wochenende konnte ich keine Fischstäbchen mehr sehen und auch kein Reis, wir hatten kein Mais aus der Dose vorrätig und auch die Kartoffeln waren alle. „Jimmy, was könnten wir denn heute kochen?“, fragte ich meinen Sohn. „Wie wäre es mit schwarzen Klößen?“ antwortete Jimmy. Ich schaute ihn verständnislos an, aber Anton half mir auf die Sprünge. Er meint wohl Frikadellen, mutmaßte er zu Recht. Gut, lass ich die Dinger halt ein wenig anbrennen, dann haben wir schwarze Klöße, dachte ich noch, und wir marschierten zum Metzger und kauften 400 Gramm Hack. Ich zermatschte dieses mit Ei, Zwiebeln, Pfeffer und Salt und briet die Pampe zu Klößen. Dazu gab es Kohlrabi für die Erwachsenen, den Kindern brauche ich sowas gar nicht vorzusetzen. Als wir dann am Tisch saßen und Jimmy in den ersten Kloß biss, spuckte er ihn sofort wieder aus, fing an zu heulen und brüllte, es sei viel zu scharf. Wir probierten und konnten keine Schärfe feststellen, aber für Jimmy war die Sache gegessen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Mir reichts

Und genau an dieser Stelle platzte mein Kragen, denn nun hatte ich dieses elende Gemecker satt. Ich ließ einen Schrei los, der noch in der entfernten Nachbarschaft zu hören war, und schwor, von nun an keine einzige Süßigkeit mehr zu kaufen, nie mehr Kuchen zu backen und stattdessen nur mehr Broccoli-Auflauf und Lauchgemüse zu kochen. Wir würden ja sehen, ob sie das dann irgendwann essen würden.

So sieht es nun bei uns aus: Es herrscht absolutes Süßigkeitenverbot, denn am Ende des Tages waren zu oft drei Doppelkekse und sieben Gummibären die einzigen Akteure im Kindermagen gewesen. Oma und Freunde wissen Bescheid, und wenn wir zu Besuch kommen, gibt es nur noch Apfelschnitze. Papa nascht abends heimlich, wenn die Kinder im Bett sind, und die nächste Zuckerzufuhr habe ich erst für Halloween in Aussicht gestellt.

Letzten Freitag ist dann noch etwas Überraschendes passiert: abends war der Kühlschrank leer, der Papa lange im Büro. In meiner Not packte ich die Kinder ins Auto, und da normale Restaurantbesuche mit drei kleinen Kinder ein äußerst stressiges Unterfangen darstellen, fuhren wir zum allerersten Mal im Kinderleben zum Burger King. Ich bestellte zwei Juniortüten und packte alles vor Jimmy und Luise aus. Die bissen in die Chicken Mc Nuggests und den Burger und spuckten alles wieder aus. „Bah, mag ich nicht“, rief Jimmy. „Iiih, ekelig“, ereiferte sich Luise. Nicht einmal die Plastik-Dinos kamen gut an – und wisst ihr was, irgendwie bin ich jetzt ganz erleichtert!

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