Rassismus und Mental Load in einer binationalen Familie

Die mentale Belastung in Familien ist für Eltern oft sehr hoch, weil es so unglaublich viele Dinge gibt, an die es zu denken gilt. Sie wird noch höher, wenn große Schwierigkeiten dazu kommen: Sorgen um Gesundheit, um die Zukunft, um die Beziehung oder um finanzielle Angelegenheiten. Besonders hoch ist der Mental Load auch dann, wenn Familien von Rassismus bedroht sind. Zum ersten Mal stieß ich im Buch von Gemma Hartley „Es reicht!“ auf diese Last. Sie hat eine Schwarze US-Amerikanerin interviewt, die regelmäßig ignorante und unverblümt rassistische Fragen zurückweisen oder sich mit ihnen auseinandersetzen muss. Sie steckt täglich Mikroaggressionen ihrer Mitmenschen weg und muss dabei so tun, als sei alles in Ordnung. Diese Form der „Gefühlsarbeit“ werde von ihr erwartet, noch schlimmer aber – auch von ihren Kindern, denn von ihnen werde jederzeit auf Grund ihres Aussehens eine gewisse Unterwürfigkeit verlangt. „Du darfst als Schwarzes Kind nicht auf dieselbe Weise Kind sein wie ein weißes“, sagt sie (S. 262f).

Deutschland ist mit den USA nicht direkt vergleichbar, aber auch hier gibt es rassistische Strukturen und rassistisches Verhalten. Um mehr über den damit zusammenhängenden Mental Load zu erfahren, habe ich Iris gefragt, wie es ihr und ihrem Mann geht, und wieso die mentale Belastung so sehr steigt, wenn man sich ständig mit Rassismus konfrontiert sieht. Auf ihrem Instagram-Kanal @akwaabakua erzählt sie von den Erfahrungen ihrer Familie und erklärt dort auch, wie sich weiße Menschen selbst reflektieren und sich gegen Rassismus engagieren können. Hier kommt ihre Geschichte:

Anders sein

Charles und ich haben uns 2013 während meines Studienaufenthaltes in Ghana kennengelernt. Seit 2015 leben wir gemeinsam hier in Deutschland, am schönen Niederrhein. Wir haben bald drei gemeinsame Kinder. So weit, so normal. Unser Alltag ist eigentlich auch ganz normal, Mama und Papa sind berufstätig, die Kinder besuchen die örtliche Kita. Wenn da nicht die ständigen kleinen Stiche wären, die wir immer wieder erleben. Rassistische Äußerungen, Blicke, Ausgrenzung und das Gefühl, irgendwie nicht dazu zu gehören. Anders zu sein.

Im Gegensatz zu anderen Familien haben wir viele Hürden überwinden müssen, um hier zusammen leben zu dürfen. Während meiner Schwangerschaft mussten wir das Visum für Charles beantragen, keine Zeit für Babyshower, Babyshopping oder fröhliche Babybauchshootings. Stattdessen falsche Informationen von der deutschen Botschaft, gefühlt unendliche Papiere und Nachweise beantragen und einreichen. Dauerstress. Vorzeitige Wehen und zwei Krankenhausaufenthalte, die ersten 8 Monate war ich allein.

Foto: Privat

Ein ungutes Gefühl schwebt über uns

Bei meiner zweiten Schwangerschaft lief parallel die Überprüfung von Charles Papieren, da wir eigentlich noch vor der Geburt heiraten wollten. Die Hochzeit fand dann knapp 4 Monate nach der Geburt statt, in denen unser Kinder keinen Vater in der Geburtsurkunde hatten, weil seine Identität ja nicht überprüft war. Doch viel schlimmer ist eigentlich dieses Gefühl, dass wir überall theoretisch mit Rassismus konfrontiert werden könnten. Es schwebt ganz unbewusst über uns. Was ist, wenn die Kinder auf dem Spielplatz wieder gefragt werden, woher sie wirklich kommen oder nicht mitspielen dürfen, weil sie braun wie ka*** sind. Werde ich wieder vor den Kindern gefragt, woher ich sie adoptiert habe oder Charles, ob er lesen und schreiben kann? Auch die oft deutliche Empathielosigkeit anderer: Uns wird vorgeworfen, zu empfindlich zu sein, wenn wir uns gegen Rassismus wehren bzw eine rassistische Aussage benennen.

Wenn Charles zu spät von der Arbeit kommt, kommt unweigerlich die Sorge, er könnte von der Polizei mitgenommen worden sein, nur weil er Schwarz ist. Besonders seit er beim Fahrradfahren, von einem Kastenwagen der Polizei bis zur Haustür verfolgt wurde. Unsere Urlaube planen wir inzwischen auch danach, wo es für uns sicher ist, zu groß sind die Bedenken, dort körperlich angegangen werden zu können. Auch in Kinderbüchern, Liedern oder Serien begegnen wir überraschend rassistischen Ausdrücken oder stereotypen Darstellungen Schwarzer Menschen. Das muss dann mit den Kindern aufgearbeitet werden. Doch was ist in der Kita oder später in der Schule? Diese vielen alltäglichen Kleinigkeiten nennen sich  „Mikroaggressionen“. Sie lösen ein Gefühl der Unsicherheit und Belastung aus.

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