Jimmy unterwegs
Wir haben mal wieder den Luftballon durchblättert und uns ein neues Theaterstück ausgesucht. Da passt es perfekt, dass die Freie Bühne Stuttgart Ost Frau Holle zeigt, das ist nämlich Jimmys absolutes Lieblingsmärchen. Er baut nicht nur den Torbogen mit Lego nach, um die Goldmarie durchgehen zu lassen, sondern kann den Text des Pixie-Büchleins mit dem Märchen auswendig. Also haben wir Karten reserviert (sollte man eigentlich tun, das haben wir beim letzten Mal gelernt), Jimmys Freund Gabriel eingeladen und uns mit der Dauer-Lektüre der Märchenbücher akribisch vorbereitet.
Gestern also, am Sonntag, gings los. Schon die Tour mit Bus und Bahn ist mit zwei Dreijährigen einfach ein Abenteuer. Gabriel, der das erste Mal mit dem Bus unterwegs war, bekam sich nicht ein vor Lachen und fragte mich jedes Mal, was „die Frau“ da gerade gesagt hätte, die „da oben rauskommt“. Ich übersetzte ihm dann die Ansage der nächsten Haltestationen, woraufhin sich Gabriel und Jimmy zum wiederholten Mal vor Lachen bogen. Außerdem wechselten sie bei jedem Halt die Plätze, verlangten alle zwei Minuten nach ihrem Getränk und verputzten schon mal die Hälfte der Schokoration. Alles in allem waren sie aber super lieb und auch ich habe die Fahrt genossen. Mit zwei behandschuhten Patschehändchen in meinen Händen überquerte ich in Stuttgart Ost die Stadtbahnschienen und stand mit den Jungs im Hinterhof des Theaters. Nicht ganz einfach war es, den Eingang zu finden, und wir stiegen einen Haufen Treppen hinauf. Dann aber eine Überraschung; was für ein hübscher Empfang! Tische und Stühle mit Blumenvasen bestückt, eine Bar und eine Garderobe: wir fühlten uns sofort wohl und nahmen auf einem schwarzen Sofa Platz, um dort die restliche Schoko zu verzehren.
Komisch nur, dass wir die Einzigen waren! Bis kurz vor Vorstellungsbeginn kam nur noch eine Familie mit zwei Kindern, und schon wurden wir ins Theater geführt. Die Atmosphäre war wunderbar. Ziemlich dunkel, viele Stühle, schlicht und eine beleuchtete Bühne, auf der wir schon die passenden Requisiten entdecken konnten. Dann ging es los: eine in schwarz gekleidete Dame betrat den Raum und suchte nach Frau Holle. Wir halfen ihr und schrien laut mit. Dann begann ein so bezauberndes Schauspiel, dass auch ich gefesselt auf meinem Stuhl saß. Jimmy sperrte wie gewohnt sein Mündchen weit auf, Gabriel hämmerte vor Aufregung mit seinen Schuhen gegen die Stuhlbeine. Wir begleiteten Blondmarie auf ihrer Reise durchs Frau Holle-Land, schüttelten mit ihr den Baum (die Schauspielerin setzte sich ein grünes Flauschehütchen auf den Kopf, das mit kleinen roten Kugeln behängt war), holten das Brot aus dem Ofen, und suchten wieder nach Frau Holle. Diese war immernoch nicht aufgetaucht, aber die fabelhafte Dame übernahm ihre Aufgabe und verkleidete sich mit einer weißen Mütze, die mit Schneebällen bestickt war, so traumhaft, dass wir die richtige Frau Holle nicht vermissten. Als dann die Rotmarie an der Reihe war, drückte Jimmy meine Hände, denn er mag die faule Schwester nicht.
Bis zuletzt saßen wir gebannt auf unseren Stühlen. Die Requisiten waren so phantasievoll gewählt, die Schauspielerin hatte solo und mit vollem Einsatz das Frau Holle-Land aufleben lassen, die Maries waren mit zwarten Tüchern in Gold und Pech gehüllt – dass wir gar nicht gehen wollten. Zu Beginn des Stückes waren zwei Mütter mit jeweils einem Kind zu uns gestoßen. Dennoch blieb das Theater viel zu leer. Ob es wohl an der Werbung gefehlt hatte? An der Aufführung jedenfalls hat es nicht gelegen. Wir sind begeistert und kommen bald wieder. Ihr auch?