Ich habe eine Buchempfehlung für euch, die ich euch aus tiefster Überzeugung ans Herz legen möchte! Slow Family (Affiliate Link) von Julia Dibbern und Nicola Schmidt ist ein echter Schatz im Buchregal und eine Bereicherung in Sachen Erziehungs-Ratgeber. Und es gibt einen Haufen Antworten auf die Fragen, die mir am allermeisten auf der Seele brennen: Wie kann ich unser Familienleben angenehmer machen? Wie können wir unseren Alltag stressfreier gestalten und wie bringe ich mehr Ruhe, Natur und Gemeinschaft ins Haus?
Stress in der Familie
Die Autorinnen kennen den Stress, den wir alle haben. Auf der ersten Seite skizzieren sie den typischen Wahnsinn mit hunderten von Dingen, die zu erledigen sind. Vor lauter Haushalt haben wir keine Zeit, den Schmetterling zu betrachten, auf den uns das Kind aufmerksam macht. Und tatsächlich sehe ich das Dilemma: im Glauben, Aufräumen, Wäsche machen, Geld verdienen und Termine organisieren tun wir nur für die Familie, übersehen wir, was wir als Familie wirklich brauchen. Ein paar Minuten, um sich mit der Tochter einem Schmetterling zu widmen. Eine halbe Stunde, um mal die Beine auszustrecken und einen Kaffee in der Sonne zu trinken. Mit den Kindern in den Wald fahren und Wanderstöcke schnitzen. Die Nachmittage von Verpflichtungen frei räumen und die Stunden mit Spielen und Lesen füllen.
Falsche Prioritäten
Zunächst mal weisen die Autorinnen darauf hin, dass heute alles schnell gehen muss. Tja, kenne ich nur zu gut. Meist bin ich die Hüterin über die Zeit, treibe die Kinder an, hetze Anton durch die Gegend, flitze selbst los. Ich habe stets ein „jetzt aber zügig!“ auf den Lippen und den Rucksack allzeit gepackt, damit wir lossprinten können. Pünktlichkeit ist mir heilig und ich schnauze lieber mein Kind an, als einen Bus später zu nehmen. Beim Lesen des Buches komme ich ins Grübeln. Dibbern und Schmidt haben recht: was ist schon dabei, morgens mal zu spät im Kindergarten zu sein? Das ist kein Beinbruch. Aber Luise mal wieder zur Schnecke zu machen irgendwie schon. Vielleicht setze ich meine Prioritäten falsch?
Langsamer leben
Ich will so ein Slow Family Life, von dem im Buch die Rede ist! Ich möchte ein entspannteres Leben für Jimmy, Oskar und Luise, und nicht zuletzt auch für Anton und mich. Wir leben in einer beschleunigten Gesellschaft. In der Rushhour des Lebens bekomme ich drei Kinder, starte beruflich durch, gründe mein Texterbüro und suche mit Anton ein neues Zuhause – eine ganze Menge, die da auf meinen Schultern lastet. Und die Kinder? Die müssen heute schon in der Grundschule alles geben und dann in acht statt neun Jahren ihr Abitur machen. Bei all den Rädern, die ohne Pause rollen, möchte ich ab jetzt einen Ausgleich schaffen. Ich möchte unser Leben verlangsamen, und dieses Buch ist mir dabei eine große Hilfe. Es erklärt im ersten Teil, was Familien wirklich brauchen und zeigt im zweiten, dem „Rezeptteil“, wie wir unser Familienleben angenehmer gestalten können.
Drei Begriffe begleiten uns dabei: Gelassenheit, Gleichgesinnte, Gemeinschaft. Die in unser Leben zu integrieren ist ein Ziel dieses Buches. Außerdem gibt es eine Menge Inspiration für den Alltag. Vielleicht können wir künftig ein paar andere Entscheidungen treffen, die zu guten Gewohnheiten werden (S. 30). Und ich habe solche Entscheidungen sogar bereits getroffen. Ich möchte, dass meine Kinder freie Nachmittage haben. Nachmittage, an denen sie faul sein dürfen, sich mit Freunden treffen oder spontane Unternehmungen planen können. Und ich habe mich gegen Therapien entschieden. Nichts gegen Ergo oder Logopädie, wenn sie wirklich nötig sind. Aber nur, weil Jimmy den Stift nicht optimal hält oder Luise ein wenig lispelt, werden wir nicht nachmittags in Wartezimmern sitzen, während andere ins Freibad oder auf den Spielplatz gehen.
Und ich möchte auch keine künstliche Bildungsmütze, wie die Autorinnen so schön schreiben (S. 31). Das Wort „Lernspiel“ löst in mir Unverständnis aus, denn beim Spielen wird sowieso gelernt. Und Kinderspielzeug, das Babys in krächzenden Lauten irgendwelche ersten Wörter beibringen soll, fliegt bei mir zum Fenster raus. Wir sind also schon auf einem guten Weg, aber in diesem Buch schlummern eine Menge weiterer Ideen, wie wir Stress, Belastung und Druck in unserer Familie minimieren können.
Wir suchen unseren Leitstern
Angeregt durch den Gedanken, einen Leitstern zu setzen, der unsere Prioritäten verschiebt, denke ich darüber nach, was uns wichtig ist. Zeit mit allen zusammen, beispielsweise. Wir Eltern könnten vielleicht künftig die Arbeitszeit reduzieren. Auf jeden Fall haben wir uns gegen einen Hauskauf entschieden, der uns einen hohen Kredit und finanziellen Druck beschert. Und ich lege ein Versprechen an meine Kinder ab, den schulischen Druck zuhause mit Geduld und Verständnis aufzufangen. Gymnasium, Abitur und Studium sollen in unserer Familie nicht als Voraussetzung gelten.
Dibbern und Schmidts Leitstern funkelt und flüstert „langsam, achtsam, echt sein“. Dabei stellen sich die Damen, die beide selbst Mütter sind, die Fragen:
- Welche Erfahrung ist echt?
- Was ist in zehn Jahren noch wichtig?
- Vertraue ich gerade dem Leben?
Und ich habe die Chance, mir selbst diese Fragen zu stellen, als ich mal wieder mit einem typischen Problem konfrontiert bin. Luise, vier Jahre, möchte nicht alleine zum Kinderturnen. Sie will sich nicht von mir trennen, möchte bei mir bleiben. Ich habe nach vielen Jahren gelernt, dass an der Tatsache nichts zu ändern ist. Die Erfahrung, die sie macht, wenn ich sie wieder mit nach Hause nehme, ist: ich kann bei Mama bleiben, wenn ich mich nicht traue. Ich kuschele mich an sie und bin bei ihr geborgen. Das fühlt sich echt an. In zehn Jahren ist Luise vierzehn und sicher froh, wenn Mama sich möglichst weit weg befindet. Ich als Mama vertraue dem Leben, denn Kinder entwickeln sich wie von selbst zur Eigenständigkeit. Sie streben nach draußen und irgendwann weg von der Familie. Das wird kommen, und so lange es nicht so ist, genieße ich ihre Anhänglichkeit.
Sieben Zutaten für einen ganz wunderbaren Kuchen
Im zweiten Teil beschreiben die Autorinnen, wie diese sieben Zutaten das Familienleben langsam und stressfreier machen. Mit vielen ganz einfach umsetzbaren Ideen, die fast nichts kosten, können wir das erreichen, was wir brauchen: mehr Gelassenheit, mehr Gemeinschaft, mehr Gleichgesinnte. Für euren köstlichen Slow Family-Kuchen mischt ihr einfach Liebe, Natur und Achtsamkeit, bis eine duftende, schaumige Masse entsteht. Ein wenig geriebene Gemeinschaft und eine Prise Ressourcen kommen oben auf. Dann mit einem Löffel ganz vorsichtig 100 Gramm Wissen unterrühren und mit Zauber bestäuben. Bei 180 Grad eine halbe Stunde in den Ofen – fertig!
Im zweiten Teil dieses tollen Buches gibt es eine Reihe von „Slow down faster tipps“ sowie Anregungen für mehr Geselligkeit und sozialen Umgang. Was ich mir nach der Lektüre vorgenommen habe, ist Folgendes:
- ich lade unsere Nachbarn öfter zum Kaffee oder auf ein Glas Wein ein
- ich möchte mich bei der Tafel engagieren
- ich will andere Menschen öfter um Hilfe zu fragen
Außerdem will ich mit den Kindern
- die Erde spüren, indem wir die Socken ausziehen und sie tief in die Erde graben
- mehr nach draußen gehen
- uns so richtig dreckig machen
- ein großes Lagerfeuer anzünden
Alles in allem ist das Buch eine große Bereicherung und ich möchte es direkt im Wohnzimmer liegen lassen, sodass ich es immer zur Hand habe. Nun wünsche ich euch bei der Lektüre ganz viel Spaß und künftig eine riesen Portion Ruhe und Gelassenheit. Ein Versuch ist es wert und eure Kinder werden es euch ewig danken!
Julia Dibbern, Nicola Schmidt: Slow Family (Affilate Link). Sieben Zutaten für ein einfaches Leben mit Kindern, Beltz Verlag 2016, 16,95 Euro.