Gestern nachmittag war ich mit den Jungs beim Halsnasenohrenarzt. Schnarchen, Paukenröhrchen, Polypen, das Übliche eben. Es war heiß, mein Kopf wummerte und ich habe mich bemüht, alles langsam und Stück für Stück zu machen. Es kam, wie es kommen musste. Klein Oskar schlief auf der Hinfahrt ein, war ebenfalls müde von der Hitze und vom Kindergarten. Was dann folgte, war ein typischer Nachmittag, der Eltern so richtig fertig macht. Wir alle haben anschließend ein dickes Eis gebraucht und uns damit ermattet auf eine Bank im Schatten gesetzt.
Arzttermine des Grauens
Ich parke, wecke Oskar sanft, er flippt aus und weint. Will nicht raus aus dem Auto, ist knatschig. Ich verstehe ihn, so ein Mist, aber wir sollten dringend los, in fünf Minuten ist der Termin und ich weiß noch nicht genau, wo wir hinmüssen. Oskar schreit, zetert, ist doch so müde. Ich schnalle ihn ab, hole ihn aus seinem Sitz, er wehrt sich und beißt. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Wir müssen los, ich kenne die Praxis nicht, finde den Termin bei der Hitze auch nicht prickelnd. Aber es muss doch sein. Also nehme ich ihn noch einmal auf den Arm und wir laufen los. Oskar wehrt sich, eine Frau guckt. Eine andere fragt: „ach, was hat er denn?“. Ich stelle ihn ab, frage ihn, ob er laufen will. Er setzt sich auf den Boden und weint. Ich nehme ihn hoch, sage ihm, wir müssen los. Er beisst, er kratzt, er haut mich. Ich setze ihn unsanft ab und gehe. In diesem Moment habe ich wirklich ganz, ganz kurz gedacht, dass ich einfach geradeaus laufe und die Jungs stehen lassen. Ich laufe, laufe bis nach irgendwohin und komme nie wieder. Lebe fortan in der Natur, in völliger Stille, wo es keine Arzttermine und keine Kinder gibt. Das habe ich ganze 20 Sekunden gedacht und mich dann doch umgedreht.
Es war ganz herzallerliebst. Der große Sohn hatte sich zum Kleinen hinunter gebeugt und ihn dann bei der Hand genommen. In einem kleinen Abstand liefen sie also hinter mir her und ich hätte Jimmy umarmen können, eigentlich war mir bis jetzt zum Heulen.
Immer wieder haben wir solche Momente und du kennst das sicher auch ganz gut. Nachmittage mit Kindern sind eben nicht auf dem Spielplatz rumsitzen und Bücher lesen, sondern ab und zu die Hölle für alle Beteiligten. Denn kleine Kinder sind schnell müde, der Alltag aber oft durchgetaktet. Es gibt viel Müssen und das finden die Kinder im Allgemeinen doof. Wir müssen einkaufen, wir müssen Geburtstagsgesschenke kaufen. Der Kindergarten braucht eine ärztliche Bescheinigung, der eine neue Gummistiefel, der andere Bastelmaterial für den Ferienkurs. Wir müssen zum Flöten, zum Fußball oder zum Friseur. Oft wollen die beiden Anderen nicht mit zum Termin des Dritten. Meist sind die Kinder total lieb und machen mit, ab und zu eben nicht. Ich kann das gut verstehen. Aber habe ich Kopfschmerzen, bin müde, krank oder richtig mies drauf, ist mir dann eher danach, mit zu meckern, mich auch mal zu beschweren oder zu rufen: „und was ist verd*** nochmal mit mir???“
Nicht nur Mutter, sondern auch Mensch
Ich bin vor allem in der Öffentlichkeit gestresst, bestürzt und unsicher, wenn ein Kleinkind ausflippt. Weiß nicht, was ich machen soll. Es ist mir auch peinlich vor allen Leuten und es tut mir leid für Oskar. Wie neulich im Supermarkt. Oskar war wieder im Auto eingeschlafen und zu müde zum Einkaufen, wir hatten aber kein Brot, keine Wurst, kein Wasser. Ich weiß genau, was zu tun ist. Ruhig bleiben, Kind trösten, alles auf Anfang, gibts eben heute Abend Pizza. Aber du weißt, ich schreibe dir ehrliche Texte. Und erstens bin ich manchmal pädagogisch eine Null und zweitens sind mir Mütter unheimlich, die immer alles richtig und vor allem ruhig machen. Ich bin Mutter und ich bin ab und zu auch einfach eine Laura, die kein Bock mehr hat. Kids, deal with it!