Mythos Mama. Warum wir eine neue Geschichte vom Muttersein brauchen!

Mutter sein.

Da ist Marie. Sie ist super organisiert. Sie schmiert Brote, schmeißt Wäsche in die Maschine, verteilt die Aufgaben per Orgatool an die Familie, dann fährt sie ins Büro. Nach fünf Stunden Arbeit düst sie nach Hause, Ben braucht Unterstützung bei den Hausaufgaben. Trotzdem sie immer hetzt und alles gibt, verdient sie nur noch die Hälfte ihres früheren Gehalts. Sollte sie sich von ihrem Mann trennen wollen, müsste sie sich beim Sozialamt vorstellen. Als ihr der Joghurt auf den Boden fällt und hunderttausende Spritzer auf den Kückenschränken hinterlässt, hat sie kurz das Gefühl, heulen zu müssen.

Da ist Ella. Sie ist wütend auf so Vieles um sie herum. Sie nervt der Druck, als Mutter alles perfekt machen zu müssen. Neulich hat sie das einer Freundin gesagt, die den Kopf schüttelte. „Ella, als Mama musst du eben Abstriche machen. Genieß die Zeit, in der deine Kinder klein sind!“ Sie diskutiert gerne im Freundeskreis über Frauen- und Männerbilder, hat neulich bei Tappas und Wein gesagt, wie ungerecht sie das findet, dass die Papas alles haben: ihren Job und die Kinder. Manuel, der Kumpel ihres Mannes Martin, hat Martin in den Arm geknufft und gesagt: „Mann, du bist ja nicht zu beneiden mit deiner Emanze!“

Da ist Sara. Sie ist sie zuständig für Kinder und Haushalt. Aber die beiden kleinen Mädchen lassen ihr kaum Zeit, zu kochen oder zu putzen. In den Kindergarten gehen sie auch noch nicht, Sara ist sich da unsicher. Sie hat bei Instagram gelesen, dass eine andere Mutter von jeder Art von Fremdbetreuung unter drei Jahren abrät. Daher überlegt sie, die Kinder lieber zuhause zu lassen. Es ist Sara sehr wichtig, dass sie sich gut um die Kinder kümmert. Sie hat eine Kaffeetasse, auf der steht: „Mamas sind Engel. Sie können alles schaffen.“

Mütterleiden

Marie, Ella und Sara gibt es nicht, ich habe sie erfunden. Aber es könnte sie geben und sie haben mit vielen Müttern eines gemeinsam: sie stehen unter Druck. Marie hat alle Hände voll zu tun, sie erwartet viel von sich und reibt sich auf im Spagat zwischen Job und Familie, aber ihr Lohn für die Mühe ist mies. Ella möchte etwas entgegensetzen und über Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sprechen, wird dabei aber belächelt oder als Emanze abgestempelt. Sara tut alles für die Kinder, beeinflusst wird sie stark von konservativen Mütterbildern, die ihr im Bekanntenkreis und in sozialen Netzwerken begegnen.

Wieso reiben sich Mütter so auf? Warum haben sie so ein schlechtes Gewissen? Wieso orientieren sich viele Frauen wieder an Mütterbildern aus der Vergangenheit? Dieser Frage begegne ich in den letzten Tagen auch im Internet. Gemeint sind Mamas, die extrem hohe Anforderungen an sich stellen, die alles perfekt machen wollen und sich heimlich dafür schämen, dass sie nicht stillen oder ein Glas Brei für das Baby kaufen, anstelle selbst zu pürieren. Die Mütter, die sich von scheinbar perfekten Bildern auf Instagram blenden lassen, deren Alltag mit Kind und Kegel eher chaotisch statt kamerareif abläuft. Marie vom Blog Little Years hat einen Text geschrieben mit dem Titel: Warum Mütter keine Heiligen sind. Sie selbst kennt das Chaos, kennt die Überforderung, aber diese Selbstüberforderung vieler Mamas sei ihr fremd:
Wenn das Stillen nicht klappt oder man es schlicht weg nicht möchte, dann gibts halt Pulvermilch. Man muss nicht leiden und sich aufopfern, um Mama zu sein. Man muss nicht über sich selbst hinauswachsen. Und die Heilige sein.
Natalie vom Blog Eine ganz normale Mama widmete sich letzte Woche in ihrem Text Nein, Mütter müssen sich nicht rechtfertigen einem ähnlichen Thema. Ihr ist aufgefallen, dass sich Mütter in ihrem Umkreis laufend entschuldigen. Dafür, dass sie ein Milch- statt ein Vollkornbrötchen kaufen, dass ihr Kind auch mit drei Jahren noch im Kinderwagen sitzt oder der Schneeanzug vom Discounter ist – Dinge, die doch eigentlich völlig normal sein sollten. Sie vermutet den Grund für diese Rechfertigungen darin:

Entweder wurden sie schon so oft schräg angeschaut oder kritisch befragt, dass sie dem zuvorkommen wollen und immer gleich im Reflex ihre Entschuldigung hervorbringen. Oder aber sie haben ein schlechtes Gewissen oder das Gefühl, dass sie sich damit auch vor sich selbst entschuldigen wollen. Ich weiß nicht, welcher der Gründe schlimmer ist.

Ach, du heilige Mutter!

Marie schreibt über die sozialen Netzwerke und deren großem Einfluss:

Die mediale Selbstbeweihräucherung [der Instagram-Mütter] läuft zwangsläufig nämlich auf Folgendes hinaus: Wir glorifizieren das Muttersein. Wir bewegen uns in dieser glossy Instagram-Bubble, raunen uns gegenseitig zu, was für Supermoms wir sind, verherrlichen die Aufopferung und verfallen in ganz alte Rollenbilder (Stichwort Hausfrau), mit einem pastellfarbenen Lifestyle-Anstrich und gefährlicher Pseudo-Ironie (“ist doch alles ironisch gemeint!”).

Ich finde, Texte wie die von Marie und Natalie sind unglaublich wichtig, denn sie entlarven das glorifizierte und unrealistische Mutterbild, das vor allem auf Instagram gezeichnet wird. Ich war neulich empört über eine reichweitenstarke und schwangere Instagramerin, die behauptete, Ultraschall wäre grundsätzlich schlecht für die ungeborenen Babys, woraufhin viele Mütter besorgt reagierten. Zum Glück hat Journalistin Nora Imlau, für Entwarnung gesorgt. Hier grassieren viele Gerüchte, die Frauen verunsichern, genauso wie Bilder, die eine seltsame Rolle von Mutterschaft transportieren: die ewig backende, immer gut gelaunte, gertenschlanke Frau inmitten ihrer Kinderschar, die Kleider selbst genäht, am besten mit Seidenhäubchen auf dem Kopf (dazu später mehr).

Frauen und die Sozialisation

Für mich liegt die Schuld aber nicht bei einigen Instagram-Kanälen und ihren fragwürdigen Mutterbildern begraben und es sind auch nicht nur die zu leicht beeinflussbaren Mütter schuld. Für mich liegt das Problem tiefer, in der Rolle der Frau und ganz besonders der Mutter in unserer Gesellschaft, in unserem Land, hier in Deutschland! Ich finde zunächst einmal, dass es einfach anstrengend ist, eine Frau zu sein. Journalistin Caroline Rosales schreibt in ihrem neuen Buch Sexuell vefügbar (Affiliate Link):

Schon von klein auf wird vielen Mädchen beigebracht sich zu verbiegen, um ihrer Umwelt zu gefallen. Immer noch viel zu oft sollen junge Frauen höflich, zuvorkommend und lieb sein. Im Alltag, bei der Arbeit, im Privatleben und auch beim Sex. Frauen werden oft darauf konditioniert, dass das Wohlbefinden ihres Gegenübers mehr Gewicht hat als ihre eigenen Bedürfnisse. Deshalb fällt es vielen schwer, klar zu sagen, was sie eigentlich wollen, oder sie wissen es gar nicht, weil ihnen wirkliche sexuelle Selbstbestimmung verwehrt geblieben ist.

Ist es nicht immer noch so, auch in der Erziehung unserer eigenen Kinder? Werden Mädchen vielleicht doch etwas öfter ermahnt, leiser zu sein und nicht so zu toben? Werden sie in rüschige Röckchen gesteckt und in schicke Stiefel, die sie lieber nicht dreckig machen sollen? Als Teenie mögen sie sich bitte nicht so knapp kleiden, was könnten die Männer denken? Jungs dagegen können rumlaufen, wie sie wollen. Dass sie sich schmutzig machen, ist normal. Keiner empfiehlt ihnen, die Boxershorts nicht zu zeigen. Keiner fragt: Was könnten die Frauen denken?

Einer erwachsenen Freundin wurde neulich im Rahmen einer beruflichen Fortbildung von einem Coach ans Herz gelegt, bei Vorträgen mehr zu lächeln und ein wärmeres Auftreten an den Tag zu legen, insbesondere bei Männern. So gehts schon früh los mit der Orientierung an der Meinung der anderen und bis im Erwachsenenalter steckt es tief in uns Frauen drin: sei lieb, freundlich, gut und passend gekleidet, tritt keinem (Mann) auf den Schlips, werde nicht laut, lächle – und bekomme zur richtigen Zeit Kinder!

Folgenschwere Entscheidung

Oft werden kinderlose Frauen gefragt, wann sie denn nun endlich Nachwuchs bekommen, so als hätte da irgendjemand mitzureden! Was dann kommt, scheinen manche Frauen zu ahnen und scheuen sich vor der Entscheidung – zu Recht. Befristete Verträge laufen in der Elternzeit aus, Teilzeitstellen sind rar, flexible Arbeitsplätze ebenso. Manche Papas werfen ein, sie könnten die Arbeitszeit leider nicht reduzieren, weil das im Unternehmen nicht gerne gesehen werde. Meiner Erfahrung nach ist dieser Grund in manchen Fällen eine Mischung aus Tatsache und Bequemlichkeit. Also arbeiten die Frauen reduziert und betreuen danach die Kinder, ihre berufliche Karriere macht mit dem ersten Kind einen steilen Knick nach unten und wird sich nie wieder erholen, das Rentenpunktekonto ist so gut wie leer und sie können hoffen, dass die Beziehung hält und der Partner später seine Rente brüderlich mit ihr teilt.

Alternativ bleibt die Frau eben zuhause, wie es schon Generationen  zuvor getan haben. Wer kann es ihr verdenken? Teilzeitstress und fehlende Mittagspausen, Haushaltspflichten, Druck vom Chef in Kombination mit der Versorgung der Kinder und die Funktion als Ansprechpartnerin für ErzieherInnen, LehrerInnen und ErgotherapeutInnen sein – das kann im besten Fall zu Ohrensausen, im schlechten zu Burn out und Depression führen.

Zickenalarm

Weil Frauen in diesem Sinne oft keine andere Wahl haben, richten sie sich ein in ihrem Leben. Sie können nicht wirklich frei entscheiden, sie stehen aber ziemlich schnell unter Druck. Endlich Kinder kriegen, sich zurück in den Job kämpfen, doch lieber zuhause bleiben, sich zerreißen zwischen Beruf und Familie, sich als Hausmütterchen abkanzeln lassen –  egal was sie machen, es ist alles härter und steiniger als der Weg eines Mannes. Die Folge ist, dass ein paar von ihnen sich ihren gewählten Weg schön reden und den der anderen Frauen verachten. Marie von Little Years spricht in diesem Zusammenhang in ihrem Text von Aggressionen:

Gleichzeitig kann mir bei aller Superness und Aufopferung keiner erzählen, dass es da nicht irgendwo mehr oder minder schlecht versteckte Aggressionen gibt. Die dann gern gegen andere Mütter gerichtet werden, die den eigenen Lebensentwurf schon mit ihrer reinen Anwesenheit infrage stellen. Nicht nur deshalb wird so gern verurteilt, werden die Schubladen besonders weit aufgemacht.

So werden Frauen, die arbeiten gehen oder zuhause bleiben, munter verurteilt, es wird darauf verwiesen, wie unverantwortungslos es ist, kleine Kindern „fremdbetreuen“ zu lassen oder den Beruf aufgegeben zu haben. Benachteiligte Leute hacken auf andere benachteilgte Leute ein, das ist in jeder Gesellschaft zu beobachten, genauso wie arme Menschen manchmal auf geflüchtete Menschen wütend sind, anstelle die Schuld bei Steuerhinterziehern und Großkonzernen mit ihren Top-Manager-Gehältern zu suchen. Sicherlich ist es auch bequemer, den Druck an den MitstreiterInnen (in diesem Fall Mitmüttern) auszulassen, als sich mit den vielen Problemen an die Politik oder die ArbeitgeberInnen zu wenden.

Hard to be a woman…

Natürlich haben wir in Sachen Gleichberechtigung in den letzten Jahrzehnten viel erreicht und gehen diese Schritte hoffentlich munter weiter. Aber zu Zeiten, in denen eine rechtspopulistische deutsche Partei Frauen wieder gerne hinter dem Herd sieht, ein amerikanischer Clown herabwürdigende Dinge über Frauen sagen darf und danach zum Präsident gewählt wird, in denen Ärzten verboten wird, über Abtreibungen aufzuklären, Frauen sich nicht nur in der Filmbranche mit sexueller Belästigung konfrontiert sehen, viele Frauen unter Männer-Gewalt leiden und sie im Schnitt zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes nur noch 61 % ihres ehemaligen Gehalts verdienen, fühlt es sich manchmal so an, als gingen wir wieder rückwärts.

Konservative Wertebilder

Schockierend fand ich neulich den Text in der Zeit Nr. 6 vom 31. Januar 2019 mit der Überschrift Gehalt: Warum bekommen Frauen nach der Geburt eines Kindes so viel weniger als Männer. Hier wurde beschrieben, dass laut einer neuen Studie nichts der Karriere einer Frau so sehr schade wie das erste Kind. Bei Männern hingegen wirkten sich eigene Kinder auf die berufliche Laufbahn positiv aus, selbst wenn sie länger in Elternzeit gingen (Studie des Wissenschaftszentrums Berlin in Sozialforschung). In keinem anderen Land der sechs untersuchten haben Frauen mit einem solchen Karriereknick zu kämpfen als in Deutschland, schlimmer sei es nur in Österreich.

Eine Wissenschaftlerin vermutet im Text, dass Frauen mit Kindern als weniger produktiv wahrgenommen würden, Männer hingegen zeigten gerade mit Kindern noch mehr Einsatz im Job, so könnte die Auffassung von Personalchefs und -chefinnen sein. Im Artikel werden verschiedene Gründe genannt für die Gehaltseinbußen von Müttern: der Gender-Paygap, der bei Kinderlosen deutlich geringer ist als bei Eltern, die längeren Elternzeiten, die Teilzeitfalle, aus der Mütter nur schwer wieder herauskommen sowie der Umstand, dass Frauen weit weniger als Männer mit Geld motivierbar seien und daher öfter schlecht bezahlte Berufe ergriffen. Alles soweit bekannt, darüber habe ich hier auf dem Blog schon oft geschrieben. Der letzte Punkt aber ließ mich nochmal aufhorchen:

In keinem anderen der sechs untersuchten Länder herrschen derart konservative Rollenbilder vor wie in Deutschland. Demnach vertritt die Mehrheit der Deutschen die Ansicht, dass sich die Mütter vorrangig um die Kinder kümmern sollten. Solange ihre Kinder klein sind, sollten sie besser überhaupt nicht arbeiten. (…) Je konservativer die Normen, desto größer die Gehaltseinbußen nach der Geburt.

Und ich bestätige: im Netz (und in privat geführten Gesprächen) geht es regelmäßig heiß her, wenn darüber diskutiert wird, wann eine Mutter wieder arbeiten gehen sollte. „Mein Kind braucht mich“, „eine gute Mutter kümmert sich um die Kinder“ und der Klassiker: „ich habe doch keine Kinder bekommen, um sie dann alleine zu lassen“ – das ist nur ein geringer Teil von Meinungen, die einem um die Ohren gehauen werden. Dass kleine Kinder enge Bezugspersonen brauchen, das will ich hier nicht in Frage stellen, warum das nicht aber auch mal der Papa sein kann, das möchte mir einfach nicht in den Kopf gehen, erst recht nicht nach den Ergebnissen genannter Studien. Hier frage ich mich jetzt: denken die Frauen so konservativ, weil es von ihnen erwartet wird? Sind konservative Rollenbilder schuld, dass Mütter so ein schlechtes Gewissen haben? Und zementieren konservative Darstellungen von Instagram-Müttern, die sich zuhause im Kreise ihrer Kinder zeigen und ganz bewusst darauf hinweisen, wie sehr ein Kind seine Mama braucht, solche Mütterbilder auch noch? Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?

Instagram-Barbies sind nur das Symptom

Wir haben doch eigentlich längst einen Weg herausgefunden aus der alten Frauenrolle, die in jeder Hinsicht von Männern abhängig war. Ich kritisiere genau wie Marie von Little Years, dass die Zurschaustellung einer aufopferungsbereiten Mutter fatale Folgen hat. Jungen Müttern ist dieser Aufwand um ein niedliches Foto, auf dem eine topgestylte Mami mit ihren mindestens vier Kindern, allesamt im gleichen Outfit, per Luftballon Baby Nummer fünf verkünden, nicht klar. Sie fragen sich, wieso sie mit einem einzigen Kind nicht so strahlen, nicht so schön sind und warum sie ihr Leben aus diesem Grunde einfach nicht auf die Reihe bekommen.

Diese Frauen googlen sich dann durch die schlimmsten Elternforen, in denen sich Mütter haarsträubende Vorwürfe machen. Es wird diskutiert über Langzeitstillen, Impfen, Tragehilfen und Mamasein fühlt sich für viele wie ein einziges Versagen an, weil frau es nur falsch machen kann – mindestens eine andere Mutter verurteilt sie sowieso.

Dennoch sind diese sich bekämpfenen Mütterhorden sowie der Erfolg dieser seltsamen (oft amerikanischen) Instagram-Barbies oder der übertriebenen Darstellung von aufopferungsbereiten Müttern, die vor Ultraschall warnen und eine Kitafrei-Bewegung starten, für mich nur ein Symptom und nicht der Grund für das Problem. Es ist einfach nach wie vor schwer, Mutter zu sein, die Rolle in der Gesellschaft zu finden und das eigene Leben so zu leben, wie frau es möchte. Die Bedingungen in Wirtschaft und Politik sind immer noch für eine Männerwelt gemacht und wie sehr in die Freiheit der Frauen eingegriffen wird, sieht man an der Debatte um den Paragraf 219a. (mehr zu lesen hier in diesem Text von Nina Straßner: Raus aus meinem Uterus.)

Solange Frauen und vor allem Mütter sowieso nichts richtig machen können, solange sinnlose Debatten über Abtreibungsparagrafen geführt werden, solange es Mütter (und Väter) so schwer haben, Beruf und Familie zu vereinbaren, solange Frauen in Wirtschaft und Politik viel zu wenig vertreten sind, so lange vielleicht werden sich Frauen einem seltsamen Mütterkult hingeben, unter notorischem schlechtem Gewissen leiden und sich gegenseitig für Dinge verurteilen, die eigentlich Privatsache aller Eltern sind.

Frauen, werdet laut!

Eine Sache noch möchte ich anmerken: Frauen wird vorgehalten, sobald sie Missstände ansprechen, Kritik äußern und dabei auch mal laut und wütend werden, dass sie sich immer nur beschweren würden. Denn Frauen kommen meiner Meinung nach immer noch besser an, wenn sie leise, nett und zurückhaltend sind. Frauen, die rumwüten, die sind irgendwie seltsam und gruselig, sie werden als Meckertanten und Furien beschimft. Diese Erfahrung hat übrigens auch Michelle Obama in ihrer aktuellen Biografie beschrieben: „Am leichtesten lässt eine Frau sich mundtot machen, wenn man sie als garstiges Weibsbild hinstellt.“ (Michelle Obama, Becoming, S. 344)

Bitte hier entlang

Was brauchen wir also, damit sich etwas ändert? Für die sozialen Netzwerke habe ich da schon Ideen. Texte wie der von Hausmann Arne zeigen, dass es super klappt, wenn der Papa zuhause bleibt. Mehr solcher Beispiele helfen, dass Väter, die den Haushalt schmeißen, zum Normalzustand werden und es egal ist, wer die Kinder abholt und den Boden wischt. Jeder Papa, der seine Nummer im Kindergarten hinterlässt, der einen Kindergeburtstag plant und durchführt und die Kinder zum Kinderarzt bringt, hilft kräftig mit in Sachen Gleichberechtigung und wird hoffentlich bald so gewöhnlich, dass er dafür auch nicht mehr beklatscht werden muss. Frauen müssen fordern, dass die Männer mitanpacken und sie dann auch lassen, wenn sie es auf einem anderen Weg tun als sie selbst. Also Texte wie diese bitte kräftig teilen!

Frauen wie Nina Straßner alias die Juramama , Sophie Passmann, Mareice Kaiser, Sarah Bonetti machen den Mund auf und setzen sich mit ihrer lauten und intelligenten Stimme ein für Frauen, denen die Stimme fehlt. Es gibt massenweise laute und kluge Frauen, vor allem im Netz. Sie zu unterstützen und ihnen auch mal auf Twitter beizustehen, das ist der richtige Weg.

Und Instagram ist längst keine Barbie-Welt. Es gibt zahlreiche tolle Kanäle mit ganz normalen Frauen, die Mut machen, an ihrem Alltag teilhaben lassen und sich engagieren. Meine liebsten sind diese hier:

Mamahochzwei

Juli von Doppelkinder

Joschy

blog_hotel_mama

Judith Poznan

Liniert kariert

alexandra_z

Im Zeitmagazin Nr. 46 vom letzten Jahr stand in einem Artikel von Ilka Piepgras über die Schriftstellerin Sheila Heti und ihr neues Buch „Mutterschaft“:

Der jahrhundertealte Mythos von der hingebungsvollen Mutter hat ausgedient, aber an seine Stelle ist nichts Neues getreten.

Erschaffen wir einen neuen Mythos von Frauen, die sich die hingebungsvolle Rolle mit den Vätern gleichermaßen teilen, die laut sind und sich nicht einschüchtern lassen, die neue Wege gehen und die der anderen tolerieren. Die gerne Mutter sind, aber genauso gerne sie selbst bleiben. Die kein schlechtes Gewissen haben und sich nicht sagen lassen, wie eine Frau zu sein hat.

Gemeinsam mit den Männern

Ich finde, wir Frauen dürfen und sollen uns beschweren. Und wir kämpfen am besten gemeinsam mit Männern für mehr Gleichberechtigung und

  • Für bessere Bedingungen, um Kinder zu bekommen und groß zu ziehen.
  • Für mehr Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft und Politik.
  • Für mehr Kitaplätze mit besserem Betreuungsschlüssel.
  • Für bessere Bezahlung von Pflegekräften und ErhieherInnen (diese Arbeit wird mehrheitlich von Frauen gemacht)
  • Für eine gute und gerechte Altersvorsorge.
  • Für eine leichte Rückkehr in den Job.
  • Für hochwertige Ganztagsschulen.
  • Für bessere Unterstützung von Alleinerziehenden.
  • Für eine hinreichende Aufklärung zum Thema Abtreibung.
  • Für mehr Hebammen und selbstbestimmte Geburten

und für noch so viel mehr!

Denn wenn die Bedingungen für Frauen besser werden, dann lassen sie sich auch nicht mehr so einfach von irgendwelchen unrealistischen Instagram-Barbies beeinflussen und pfeifen drauf, was andere über den Nährwert eines Milchbrötchens denken.

Bleib fröhlich und unperfekt, kauf Milchbrötchen so viel du willst, halt die Augen auf, mach sie im richtigen Moment (zum Beispiel auf Instagram) auch mal zu und lass mit mir die Fahnen wehen: für Frauenpower und die Freiheit, das eigene Leben so zu gestalten, wie wir es als Mütter (und Väter) für richtig halten.

Ps.: Marie hat in ihrem Text auf einen spannenden Aspekt hingewiesen: die ersten Lifestyle-Mama-Influencerinnen waren amerikanische Accounts und einige davon Mormonen, also sehr konserativ geprägte Frauen. Auch das mag ein Grund dafür sein, dass besonders auf Instagram ein Hype um das Muttersein entstanden ist, inklusive selbstgenähten Seidenhäubchen auf den Köpfen der Kinder, die mich an die Amischen erinnern und über die ich mich sowieso schon immer gewundert haben. #proudtobeamom #letthembelittle #unitedinmotherhood

Pps: Ich möchte dir natürlich auch meinen Instagram-Kanal ans Herz legen. Gemeinsam sprechen wir live über Mütterprobleme, über das Leben mit Kindern, den Wiedereinstieg in den Beruf und darüber, wie wir diesen Druck abschütteln können. Komm vorbei, ich freu mich auf dich! Und hier gehts lang.

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