Mutter, Monster, Magd*

Guten Tag, mein Name ist Laura. Ich bin Mutter, Monster, Magd. Lieber möchte ich mich vorstellen mit Guten Tag, mein Name ist Laura. Ich bin Schriftstellerin, liebende Mutter und zufriedener Mensch. Leider liegen zwischen Wunsch und Realität Berge, die unüberwindbar scheinen.

So saß ich zum Beispiel neulich mittags im Kinderzimmer und tat, was ich glaubte, was eine Mutter zu tun hat. Sie beschäftigt sich mit ihrem dreijährigen Sohn und tut ihm den Gefallen, den er sich von ihr erbeten hat. „Mama, pielst du mit mir?“ Wie kann ich da nur „Nein“ sagen? Aber ehrlicherweise hätte ich viel lieber das Chaos in der Küche gelichtet, denn ich brauche die Ordnung wie die Luft zum Atmen. Viel lieber hätte ich mich an den Schreibtisch gesetzt und an meinem Text gearbeitet. Ich hätte sogar lieber in der Wäschekammer T-Shirts gefaltet, denn da kann ich meinen Gedanken nachhängen. Aber wie kann eine Mutter nicht auf das zauberhafte Angebot ihres Sohnes eingehen und mit ihm spielen? Also habe ich gespielt. Habe Klötze aufeinander gestapelt, aus dem Fenster geglotzt und wieder einen Klotz auf den Turm gesetzt. Dann habe ich eine Spielzeug-Frau auf den Turm gestellt und sie runter geschmissen. Da lag sie dann und guckte mich aus ihren Spielzeugaugen an. „Was bist du nur für eine Mutter?“, schien sie zu fragen. Dass du lieber am Schreibtisch sitzen und deine Gedanken zu Papier bringen oder ihnen in der Wäschekammer nachhängen möchtest? Pfui!

Und irgendwann ging ich doch runter in die Küche und räumte all das Chaos auf, das meine Kinder nach dem Essen hinterlassen hatten. Eigentlich hatte ich beschlossen, dass sie mithelfen müssen beim Aufräumen. Aber dann flitzen sie doch immer wieder schnell aus dem Haus und ich müsste ihnen hinterher rufen, sie bitten, darauf verweisen, dass auch ich Gefühle habe und diese Gefühle gekränkt sind, weil ich hier immer und überall aufräumen, hinterherräumen, Sachen aufheben und einsortieren muss. Sie hätten dann ihr Gesicht verzogen und genervt den Teller zur Spülmaschine gestellt und ich hätte gehofft, dass wenn ich es nur freundlich sage, immer wieder und immer wieder und immer wieder, dass sie dann ganz eigenständig zu Hilfe eilen und der Magd des Hauses ihre Last nehmen, ihre Arbeit zu schätzen wissen und ihr dankbar sind für all das, was sie tut. Habe dann aber doch alles alleine gemacht, weil es eben so schneller geht. Dann habe ich die Schmutzwäsche aufgesammelt, die überall herumliegt: unter dem Sofa, in der Spielzeugkiste, hinter der Badezimmertür, auf den Betten. Habe Spielzeug auf das Regal gestellt, weil wir sonst drauf treten, habe Windeln und Klopapier aufgefüllt und Dinge, die fehlen, auf einen Einkaufszettel geschrieben.

Was bist du immer so pingelig?, fragt die Spiezeug-Frau. Wieso räumst du dauernd herum? Hast du einen Putzzwang oder eine Zwangsneurose? Und da kommt das Monster in mir hervor, es sagt schlimme Sachen und Schimpfwörter, die ich dir, liebe Leserin, nicht zumuten möchte. Ich bin nämlich gar nicht immer die freundliche Laura mit dem lustigen Nachnamen, ich bin manchmal schlimmer als Frankenstein und denke Dinge, die jedem Kneipenwirt auf St. Pauli die Schamesröte in die Wangen treiben würden.

ICH HABE EINEN PUTZZWANG? EINEN AUFRÄUMWAHN? WENN ICH HIER NICHT DAUERND DIE SACHEN AUFSAMMLE UND AN IHREN PLATZ ZURÜCKLEGE, WERDEN WIR HIER ALLE WAHNSINNIG. DANN WERDEN WIR VERSINKEN IN DIESEM CHAOS. ICH KRIEGE HIER KEINE LUFT IN DIESEM DURCHEINANDER.

Es ist doch so: räume ich nicht das Gesellschaftsspiel auf, das hier wieder umliegt, wird mein Sohn Theater machen, weil er mit einem unkompletten Satz Karten nicht spielen kann. Ich habe ihn schon HUNDERT MAL gebeten, es selbst zu tun. Nichts zu machen. Wenn ich den Windelbeutel nicht auffülle, stehen wir irgendwo im Park mit einem Kind, das gerade sein Geschäft verrichtet hat und können es nicht wickeln. Wenn ich mich nicht an die Wäsche mache, haben die Kinder keine Strümpfe mehr, dann kräht einer nach dem Borussen-Trikot, dann mault eine, dass sie diese doofen Hosen aber nicht anzieht und lieber das grüne Kleid will. Dann kann ich mich hundert Mal daneben stellen und sagen: „ich mach das nicht mehr für euch, ich bin doch nicht eure Magd.“ Aber ich bin es, die dann zu spät kommt, weil das Kind einen Wutanfall bekommt, ich bin es, die in diesem Chaos mein Buch nicht mehr findet, das ich endlich lesen wollte. Ich bin es, die sich erst einmal durch den Wäschetrockner wühlen muss, weil der Sohn nur mit diesem saisonal aktuellen Trikot aus dem Haus geht und sonst gar nicht.

 

Und dann bin ich es, die rumschreit, die meckert und mosert, die ihre Kinder zur Schnecke macht, obwohl sie nur Kinder sind, ganz normale Kinder. Drüben nebenan wohnt auch eine Frau, die nie so rumbrüllt wie ich. Aber ihre Kinder gehen doch sicher auch nur in ihrem Lieblingsshirt mit dem Bagger aus dem Haus, das aber gerade voller Sonnencreme-Schmiere und Schokoeis ist, oder? Ich jedenfalls schreie rum, sodass es auch der letzte Nachbar mitbekommt und denke dann an den neuen Bestseller aus dem Ratgeberregal, der da heißt: „Mama, bitte nicht schreien.“

Dann bin ich die Schreimutter, das Monster mit dem grünen Gesicht, die mit dem Aufräumfetisch und die Küchenmagd, die am Ende doch alles alleine macht. Und dann setze ich mich in die Küche auf den Boden und denke über all den Mist nach, den ich mir anhören muss. Von anderen Menschen, von Spielzeugfiguren, die ich vom Turm fallen gelassen habe, von der inneren Stimme in meinem Kopf oder von den Kommentaren im Internet. Über all den Kram, der von mir erwartet wird. Darüber, dass ich sicherlich eine liebende, aber keine geduldige Mutter bin, die nicht gerne im Kinderzimmer sitzt, keine Ahnung hat, wie man eine Höhle baut und keine Lust verspürt, Supermarkt und Verkleiden zu spielen. Und die auch keine Lust mehr hat, so zu tun als ob. Ich möchte mich gerne vorstellen und sagen: „Hallo, ich bin Laura, Schriftstellerin, liebende Mutter und zufriedener Mensch.“ Was ich im Spiegel sehe ist eine meckernde Motzgurke, die ein schlechtes Gewissen hat, wenn sie am Schreibtisch sitzt und schreibt und schreiben will, wenn sie im Kinderzimmer sitzt und Spielzeugfiguren vom Turm fallen lässt. Hallo, ich bin Laura, Mutter, Monster, Magd*.

 

* Den wunderbaren Titel haben ich von Rufi Thorbe, in deren Text „Mother, Writer, Monster, Maid“ ich mich verliebt habe, weil er so treffend formuliert, was mir durch den Kopf geht:

I have tried to say, “I need help.” I have tried to explain why I am finding being a mother so difficult, but in the face of his questions, my explanations collapse. It isn’t exactly that spending time with the children is so horrible. I mean, sometimes it is, sometimes we have a bad day, but most of the time it is relatively pleasant: we go to the store, we go to the park, everyone is well behaved, the three-year-old says something cute, the baby does something new. The problem is not in what I am doing. The problem is in what I am not doing, which is writing every day, but which is also leading a life of the mind.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...