Vererbter Putz-Zwang
Ich muss es von meiner Großmutter geerbt haben. Wenn mich jemand mit einer typischen Bewegung beschreiben müsste, würde er einen imaginären Staubflusen vom Boden aufheben. Und das beschreibt auch schon mein Problem: ich bin (leidenschaftlich gern) Mutter von drei Kindern und mag es gleichzeitig gerne sauber und rein. Ich ergötze mich an geputzten Böden und Fenstern, ich bin süchtig nach staubfreien und blanken Regalflächen, nach sterilen Kühlschrankböden und Fliesen, die sich in der Sonne spiegeln. Das widerspricht sich leider, wenn ihr versteht, was ich meine.
Kinder lieben Dreck
Meine Kinder lieben es allesamt chaotisch, dreckig und verschmiert; saubere Böden und blitzende Bäder sind ihnen herzlich egal. Bin ich gerade eben Herrin über eine blitzeblanke Wohnung, schreite stolz wie eine Putzprinzessin durch die Gemächer, kommen schon Jimmy und Luise aus dem Kindergarten, schütten einen Eimer Sand aus ihren Schuhen, schmeißen selbige in die Ecke, pfeffern Rucksäcke in den Flur und begeben sich schnurstracks in Richtung Küche. Dort veranstalten sie in null-komma-nix ein Nachmittagspicknick und hinterlassen Obstkerne, umgekippte Becher und mindestens 250 Gramm Krümel auf allen Oberflächen. Der frisch gesaugte Boden sieht aus wie der Grund eines Hamsterkäfigs und ich spüre schon bald dieses eklige Gefühl unter den Füßen, wenn undefinierbare, klebrige Massen an der Strumpfsohle kleben.
Natürlich müssen die Kinder jetzt dringend aufs Klo. Wenn ich dann selbst ins Bad marschiere, blicke ich auf eine Tropfenspur rund um die Schüssel, und in der Schüssel finde ich ein paar unansehnliche Überraschungen. Eine kleine, nasse Unterhose liegt daneben und nach dem Händewaschen hat eine Person sehr vehement die Händchen schüttelnd von Wassertropfen befreit, was ich auf Spiegel und Fliesen unschwer erkennen kann.
Währenddessen sitzt Luise gemütlich in ihrem Zimmer, um sich herum einen bunten Salat aus Legosteinen, Puppenkleidung und Playmobil ausgebreitet. All das Spielzeug habe ich erst gestern, doof wie ich bin, mühsam in die Boxen sortiert. Jimmy klettert über das Sofa und stützt sich mit den Händen an den Fensterscheiben ab. Ich bedaure meine zweistündige Fensterputzaktion, die mich neulich so viel Zeit und Schweiß gekostet hat.
Ein Leben mit Kindern ist schön, aber schmutzig
Daran muss ich mich einfach gewöhnen, auch wenn es schwer fällt. In ein paar Wochen sitzt ein weiterer kleiner Kerl mit uns am Tisch, der mit Eifer Brei in den Holztisch einarbeiten und mit einem satten „Hatschi“ Karotte auf die Tapete niesen wird. Überhaupt ist die Tapete ein schönes Stichwort. Kinderfreie Wohnungen erkennen Insider sofort an strahlend weiß getünchten Wänden. Bei uns dagegen ist die Raufaser bunt besprenkelt oder stellenweise zerfetzt. Erst neulich ging Luise bei einem ihrer Wutanfälle mit der roten Puppenbürste kräftig über die Flurwand. Ich habe es aufgegeben, mit Pinsel und Farbe im Glas all das Gemetzel auszubessern.
Alle zwei Wochen kärchern wir mit dem Dampfstrahler rote Kinderstühle ab oder saugen tonnenweise Krümel aus dem Auto. Wir versprühen massenhaft Fleckenentferner auf T-Shirts und Pullover, bürsten Schmutz aus der Sofa-Garnitur oder versuchen, Sonnencreme-Flecken zu entfernen, die sich im Sommer einfach ÜBERALL befinden. Das alles machen wir inzwischen mehr oder weniger stoisch, denn: that´s life with kids!
Meine Tipps zum Thema Ordnung
Und weil ich es leid bin, mich über diese elende Putzerei, meinen Putzzwang und das (völlig normale) Verhalten der Kinder zu ärgern, habe ich nun ein paar Dinge in die Wege geleitet, die ich jeder Mutter mit ähnlich verrücktem Syndrom nur ans Herz legen kann:
- Aufräumen: Ich räume zwei Mal am Tag auf, vormittags und abends. Dabei stelle ich mir meinen Handy-Wecker auf 20 Minuten und schnappe mir einen Korb. Damit laufe ich von Zimmer zu Zimmer, sammele alle Dinge ein, die dort nicht hingehören, sortiere sie hinterher auf unserem großen Esstisch und verteile sie neu. Wenn die Uhr bimmelt, höre ich auf und stelle den Korb mit Zeug in die Ecke. Dort wartet er auf die nächste Räumaktion. Dann trinke ich erst einmal einen Kaffee.
- Chaos im Kinderzimmer: ich mache mich mental frei von dem Gedanken, dass diese Zimmer aufgeräumt sein müssen, denn das ist das Reich der Kinder. Da wir Erwachsenen allerdings nachts ungern in einen Haufen Legosteine treten, muss abends eine breite Schneise ins Chaos gelegt werden. Außerdem verweigere ich bei Kinderzimmer-Chaos jegliche Unterstützung beim Suchen von Kleinteilen.
- Alle packen mit an: um die Kinder zum Helfen zu animieren, habe ich mir ein ausgeklügeltes System überlegt. Ich habe Memory-Karten mit klebenden Etiketten versehen und von einem begabten Zeichner Haushaltstätigkeiten aufmalen lassen, die Kinder zwischen drei und fünf Jahren erledigen können. Jimmy und Luise suchen sich jeden Morgen zwei Kärtchen aus, klemmen sie an einen Magneten mit ihrem Bild und sind für diese Tätigkeit im Lauf des Tages verantwortlich. (Pflanzen gießen, Tisch decken, Tisch abwischen, Schuhe aufräumen, Spiegel putzen….)
- Putzerei: Ich habe einen Vormittag im Kalender für den Großputz reserviert. Den betrachte ich dann als eine Art Meditationsübung: ich sauge, wische und wedele und konzentriere mich dabei mit aller Sorgfalt auf diese eine Tätigkeit, atme ein und aus und denke an nichts anderes. Und manchmal mache ich auch einfach laute Musik an. Außerdem gehe ich alle zwei Tage mit dem Staubsauger über die Böden. Ansonsten zwinge ich mich dazu, Dreck Dreck sein zu lassen und auch den anderen Bewohnern des Hauses nicht mit meinem Putzwahn auf den Keks zu gehen.