Prolog: Vor vier Wochen habe ich hier einen Artikel über die Zerrissenheit der Mütter veröffentlicht. Keiner meiner Texte fand so viel Anklang wie dieser. Manche Frauen stemmen den ganzen Haushalt, kümmern sich um die Kinder, arbeiten in Teilzeit – und sind völlig überfordert. Unser Anspruch an uns selbst ist zu hoch, aber auch die Lebensumstände spielen eine Rolle.
Aber was ist eigentlich mit den Männern, haben viele LeserInnen gefragt. Warum war von ihnen im Text nicht die Rede? Darauf möchte ich heute eine Antwort geben. Ich will hier überhaupt kein Lebensmodell in Frage stellen, das gut funktioniert und mit dem sich die Familien wohl fühlen. Wer zuhause bleibt und die Hausarbeit macht, ist ja eigentlich egal. Wichtig ist nur, dass Vater und Mutter zufrieden sind und ihre Entscheidungen gemeinsam treffen. Viele Mütter, mit denen ich rede, fühlen sich aber nicht frei in ihrer Entscheidung und schlimmer noch: sie sind überfordert und sehen sich unter Druck gesetzt. Ob die Männer da wohl helfen können?
Freunde-Besuch
Ich weiß, liebe Männer, auch euer Leben ist nicht nur Zucker. Ihr arbeitet Vollzeit, unterstützt eure Partnerinnen am Wochenende mit den Kindern, müsst Kredite abzahlen und Rechnungen begleichen, die Frauen aufmuntern und die Söhne und Töchter bespaßen. Dennoch empfinde ich ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen! Es liegt Einiges im Argen und für mich muss sich etwas sehr Grundlegendes in unserer Gesellschaft ändern, allem voran in unserer Arbeitswelt. Aber auch ihr seid gefragt, schließlich geht es hier um die Frauen, die ihr liebt, und um die Mütter von euren Kindern.
Daniel auf Erfolgskurs
Da ist Daniel, ein alter Freund von mir aus der Grundschule. Er ist ein toller Typ und ein klasse Vater, lebt mit seiner Frau und den zwei Kindern in Stuttgart, arbeitet als Finanzberater bei einer Bank, ist beruflich erfolgreich und hat ein spannendes Hobby: er macht Poetry Slam. Aber er ist unzufrieden, als wir bei einem kühlen Bierchen sitzen und reden. Mit seiner Frau gibts immer wieder Ärger. Sie arbeitet halbtags als Physiotherapeutin und kümmert sich nachmittags um die Kinder. Obwohl er eigentlich mal viel Zeit mit seinen Kindern verbringen wollte, ist er abends nicht vor sieben Uhr zuhause, weil sein Chef ihm stapelweise Projekte auf den Tisch legt. Und irgendwie findet er das ja auch gut, denn die Arbeit macht ihm Spaß und er genießt das gute Teamwork und die Gehaltserhöhung, die er in regelmäßigen Abständen bekommt. Warum sich Sara trotzdem dauernd beschwert, versteht er nicht so richtig. Das mit den Kindern ist doch halb so wild, sagt er. Immerhin geht auch die Tochter bald zur Schule. Dennoch meckert sie dauernd rum, sie hätte so viel zu tun und er würde sich am Wochenende nur um seine Poetry Slam-Auftritte kümmern. Er gesteht mir, dass er eine Kollegin hat, die sich sehr für seine Gedichte interessiert. Sie wäre immer so gut gelaunt und höre ihm zu.
Micha auf der Flucht
Micha, mit dem ich neulich geskypt habe, ist ziemlich fertig. Seit er und seine Freundin ein Baby haben, hat sich ihr Leben gewaltig verändert, und das schlaucht ihn. Melli kriegt es ganz gut hin mit dem Kind, erzählt er. Sie hat zwar mit Rückenschmerzen zu kämpfen, aber macht es echt tapfer und hat auch den Haushalt im Griff. Er ist echt froh, dass er wieder ins Büro geht. Acht Wochen Elternzeit hat er genommen, mehr wäre in seiner Abteilung nicht drin gewesen. Und überhaupt muss er schauen, dass er am Ball bleibt, damit er in den nächsten Jahren in das Führungskräfte-Programm der Firma kommt. Melli hat ihre Arbeit erst einmal an den Nagel gehängt und ihr macht es nichts aus, dass er drei Mal die Woche zum Volleyball-Training geht, sagt er. „Manchmal ist sie ein wenig traurig, weil sie die Kinder aus ihrem Kindergarten vermisst, in dem sie gearbeitet hat. Aber ich glaube, sie ist sowieso mehr so der Hausfrauen-Typ, der nicht so viel Wert auf den Job legt“, sagt Micha.
Boris scheut das Risiko
Mein Nachbar Boris erzählte mir neulich von seinem Dilemma, als wir gemeinsam die Mülltonnen rausstellten. Er wollte so gerne mehr Zeit mit den Kindern verbringen und seine Frau möchte wieder arbeiten. Aber das ginge ja nicht. Warum, fragte ich ihn. „Naja, wenn ich im Büro mit der Bitte um Teilzeit ankomme, wird der Chef blöd gucken. Dann wars das mit der Weiterbildung! Ich wäre gerne öfter zuhause, aber es ist einfach nicht möglich. Schließlich muss ich die Kohle nach Hause bringen und die Raten für das Haus abbezahlen. Tanja verdient nicht genug. Das finanzielle Risiko ist mir einfach zu hoch.“
Ungerechte Arbeitsteilung?
Irgendwie hinterlassen diese Gespräche ein blödes Gefühl in mir. Alle drei Männer sind echt nette Kerle, sie sind beruflich engagiert und geben auch zuhause ihr Bestes. Sie haben ebenso wenig Freizeit wie die Frauen und machen auch mal eine Nacht am Bett des kranken Kindes durch. Dennoch finde ich, die drei machen es sich leicht. Am Ende sind es immer sie, die über das Schicksal der Familie entscheiden. Sara, Melli und Tanja arbeiten alle drei gerne in ihrem Beruf, aber sie haben keine Wahl: sie arbeiten gar nicht, wenn die Kinder Babys sind und später maximal in Teilzeit. Das höhere Gehalt des Mannes, der Hauskredit oder das finanzielle Risiko sind zwar nachvollziehbare Gründe für den Lebensentwurf der Familien, aber irgendwie geht dieser Entwurf auf Kosten der Frauen. Wenn sie am Ende den Druck nicht mehr aushalten, den Halbtagsjob und den gesamten Haushalt nicht mehr wuppen können und zusammenbrechen, dann hilft kein Eigenheim und kein Karrierejob von Papa. Dann hat die ganze Familie ein dickes, fettes Problem!
Care-Arbeit ist wertvoll, aber…
Wenn die drei Paare bei der Kinderplanung oder spätesten jetzt mal in Ruhe und völlig gleichberechtigt besprechen würden, wie sie das mit der Kindererziehung und den Jobs handhaben wollen, dann wäre das schon mal ziemlich zielführend. Wenn eine der Frauen laut und deutlich sagt: „Ich möchte bei den Kindern zuhause bleiben und den Haushalt machen. Ich verzichte auf meine Berufstätigkeit und widme mich ganz der Familie!“, dann ist das ja auch keine schlechte Idee. Die Care-Arbeit zu erledigen ist eine wertvolle Arbeit und verdient großen Respekt. Wenn die Frau dann auch noch finanziell abgesichert ist, falls dem Mann etwas passieren sollte und sich das Paar auch noch Gedanken über die Rente im Alter gemacht hat, finde ich diese Art der Arbeitsteilung durchaus in Ordnung, solange die Frau zufrieden ist und der Herr des Hauses nach Feierabend auch mit anpackt.
Wenn die Frau aber, und so erlebe ich es im Freundes- und Bekanntenkreis oft, von der Schwangerschaft in die Elternzeit und danach in die Teilzeitfalle schlittert und die Doppelbelastung von Job und Haushalt zum großen Teil alleine stemmt, dann kommt sie da nicht mehr raus! Die Kinder fordern eine Menge Aufmerksamkeit, der Chef erwartet eine kompetente Teilzeitkraft und nebenher ist sie für Haushalt, Urlaubsplanung und Kindergeburtstage zuständig sowie für hunderttausend Dinge von A wie Abfall rausbringen bis Z wie Zeugnisse unterschreiben – kein Wunder, dass sie am Ende fix und alle ist. Die Männer aber begründen diese Lebensform damit, dass sie Karriere machen, das Geld brauchen oder der Chef eine Arbeitszeitreduzierung sowieso nicht erlaubt.
Liebe Männer, es ist klar, dass in eurem Büro kein Ponyhof wartet und euer Tag nicht nur aus Muffins essen und Pläusche halten besteht, aber ihr habt diese eine dicke Baustelle. Eure Frauen koordinieren mehrere Baustellen gleichzeitig, ihre Kontoauszug dagegen wiegt diesen Mörderstress leider niemals auf.
Dazu kommt, dass die Frauen mit ihrem Lebensentwurf ein gewisses Risiko eingegangen sind. Es ist bewiesen, dass die Lücke, die die Elternzeit in die Vita schneidet, karrieretechnisch nie wieder aufzuholen ist. Leider, und das ist ein großes Manko unserer Gesellschaft, bekommen Menschen, die Care-Arbeit leisten, in keinster Weise angemessene Rentenpunkte auf ihr Konto. Wenn da mal bloß nichts dazwischen kommt: Daniels Frau reisst sich auf zwischen Kids und Halbtagsjob und ist ziemlich gestresst von ihrem Leben. Ist es da ein Wunder, dass sie abends keine Lust auf Daniels Poesie hat? Lasst uns die Daumen drücken, dass Daniels Kollegin es nicht auf den attraktiven Mann abgesehen hat. Denn sonst ist Sara nicht nur gestresst und nervlich im Eimer, sondern bald auch alleinerziehend….
In meinem Text Frauen in der Zerreißprobe habe ich über die Zerrissenheit geschrieben, die Frauen empfinden. Sie möchten modern und unabhängig sein, aber gleichzeitig steckt der Anspruch in ihnen, auch als Mutter perfekt sein zu müssen. Heute aber möchte ich nachtragen, dass die Zerrissenheit der Frauen nicht nur hausgemacht ist. Damit sich da was ändert, müssen auch die Männer ran. Sie müssen eintreten für mehr Zeit mit IHREN Kindern, für flexible Arbeitszeitmodelle und für die Entlastung der Frau im Haushalt.
Daniel, Micha und auch Boris scheuen sich, andere Wege zu gehen. Keiner von ihnen kommt auf die Idee, dass sie und ihre Frauen zu gleichen Teilen für die Familie zuständig sind. Es müsste doch selbstverständlich sein, dass Tanja, Melli und Sara ein Mitspracherecht bei der Arbeitsaufteilung haben und es durchaus denbar wäre, wenn auch mal der Kindsvater den Job reduziert, um zuhause bei den Kinder zu bleiben. Das Thema Geld spielt eine große Rolle, das ist klar. Irgendjemand muss all die Anschaffungen bezahlen, die eine Familie tätigen muss oder will. Aber da gibt es zumindest in diesen drei Familien Spar-Potential und ehrlich gesagt finde ich eine intakte Partnerschaft und zufriedene Eltern ein besseres Argument als das freistehende Eigenheim, den Zweitwagen oder den jährlichen Skiurlaub. Patrizia vom Blog das Nuf hat dazu übrigens einen sehr feinen Artikel mit der treffenden Überschrift betriebswirtschaftlich maximierte Elternschaft geschrieben. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit reduzieren zu können, haben ein paar Eltern gar nicht. Sie sind froh über den einen Job, der die Familie ernährt. Aber solche Sorgen haben Micha, Daniel und Boris nicht.
Leserkommentare
Eine Leserin schrieb unter meinen letzten Text, dass die teilweise horrenden Kitagebühren, die Fahrtwege und der Hauskredit viele moderne heterosexuelle Paare in traditionelle Rollenmodelle fallen lassen. Auch die Erfahrung teile ich und habe hier schon einmal über Kindergartengebühren oder die hohen Wohnkosten geschrieben. Aber haben diese drei Paare wirklich keine andere Wahl, als das Geld als Grund für ihre vertrackte Situation aufzuführen?
Eine andere Leserin hat unter meinem Text zum Thema „Frauen in der Zerreißprobe“ kommentiert: „Was ich vermisse ist, dass hier mal die Männer in die Pflicht genommen werden. Es sind übrigens auch ihre Kinder! Wie wäre es denn mal mit Elternzeit, die beide Partner zu gleichen Teilen nehmen?“ Tatsächlich habe ich das bei den wenigsten Eltern erlebt. Die Männer nehmen maximal ihre acht Wochen und verweisen auf den Chef, der leider nicht mehr genehmigen würde. Und ich glaube ihnen das auch gerne: Lange Elternzeiten sind bei vielen Arbeitgebern nicht gerne gesehen und so mancher Kollege hat vermutlich einen dummen Spruch auf den Lippen. Aber die Karrieren der Frauen sind auch im Eimer, warum denkt da keiner dran? Unter Karriere meine ich übrigens nicht einmal einen flotten Aufstieg Richtung Chefetage oder eine schicke Geschäftskarre, sondern einfach nur einen normalen Job, mit dem sie ihr Leben und vor allem im Alter eine Rente finanzieren können.
Auch Kirsten fragte unter meinem Artikel, wieso hier die Väter nicht genannt würden. Wenn ein Mann Vollzeit arbeitet und seine Frau Teilzeit, müsste er nach Adam Riese auch in etwa ein Drittel der Hausarbeit übernehmen, schreibt sie. Kirsten meint, dass Frauen ihren Gatten viel zu oft in Schutz nehmen. Ich kenne das: Meine Freundinnen erzählen, dass ihr Mann nach einem harten Arbeitstag seinen Sport brauche und aus diesem Grund zwei Mal die Woche zum Fußball müsse. Aber was ist mit meinem Freundinnen, die über Rückenschmerzen klagen, aber abends um 21 Uhr noch Wäsche bügeln?
Zum Ende dieses langen Textes möchte ich meine Worte an die drei Bekannten richten: Daniel, deine Frau ist einfach im Eimer, weil sie sich um alles kümmern muss. Ich weiß, dein Job macht dir Spaß, aber du wirst zuhause gebraucht. Und ganz ehrlich: die Sache mit der Kollegin geht gar nicht! Männer, die ihre Frau den ganzen Tag mit all dem Haushaltskram alleine lassen und sich am Ende beschweren, dass sie so ein Gesicht zieht, um dann der verzückten und entspannten, weil kinderlosen Kollegin selbst geschriebene Poesie vorzulesen, denen möchte ich mal gepflegt in den Allerwertesten treten. Einem Freund kann ich sowas ja sagen!
Und Micha: auch wenn du noch so scharf auf deinen Führungsjob bist – am Ende deines Lebens wirst du sicher nicht bedauern, dass du zu wenig gearbeitet hast. Du wirst bedauern, dass dir dein dicker Schlitten und deine Karriere wichtiger waren als deine Kinder und du viel zu wenig Zeit mit ihnen verbracht hast. Wenn du nicht erkennst, dass Melli ihren geliebten Job als Erzieherin vermisst und gerne wieder arbeiten würde, wenn das Baby größer ist, hast du bald eine sehr unglückliche Frau an deiner Seite.
Boris, warum hast du nicht genug Mumm und fragst deinen Chef einfach mal, ob eine kleine Reduzierung der Arbeitszeit drin wäre? Irgendeiner muss schließlich mal damit anfangen. Und was ist schon ein finanzielles Risiko gegenüber dem großen Unglück, wenn ihr beide euch nur noch streitet und sich deine Frau von dir im Stich gelassen fühlt? Mehr als „Nein“ sagen kann dein Boss ja nicht, aber ein Versuch wäre es doch wert, oder?
Dran bleiben!
Solange ich keine einzige Geschichte kenne, in der ein Vater zuhause bei seinen Kindern bleibt, die Frau Karriere macht, ihr Mann nach den ersten Jahren ordentlich gestresst ist von all der Arbeit daheim, seine Frau auf einer Geschäftsreise einen tollen Typ kennenlernt, der nicht dauernd grätig ist, sich verliebt und ihre Familie verlässt, der Mann traurig, arm und verlassen mit den Kindern dasteht und seine Frau auf Unterhalt verklagen muss, solange ist für mich noch einiges zu tun, meine Herren!
Bleibt fröhlich und unperfekt, setzt euch mal an den Tisch, sucht GEMEINAM nach Lösungen, um die Frauen von ihrem Druck zu befreien.
Eure Laura
Ps.: Ich habe einen Aufruf gestartet und nach Familien gesucht, in denen Mutter UND Vater beide reduziert arbeiten. Es haben sich viele Paare gemeldet und sie werden mir einige Fragen beantworten: Ein dickes DANKESCHÖN an euch! Ich erzähle euch bald davon, vielleicht inspiriert euch das ein oder andere Lebenskonzept?!
Pps: Wer mehr zu diesem Thema lesen möchte, dem empfehle ich das Buch Keine Kinder sind auch keine Lösung (Affiliate Link) von Juramama Nina Strassner, außerdem das Buch von Susanne Garsoffky und Britta Sembach: Der tiefe Riss (Affiliate Link). Aber vorsicht, danach seid ihr ziemlich auf Krawall gebürstet und haut vielleicht bald wie ich in die Tasten.
Mehr von Heute ist Musik! Wenn du Lust hast, öfter Beiträge von uns zu lesen, dann klick doch auf unserer Facebook-Seite auf Gefällt mir. Außerdem erfährst du dort alles über das große #Entspannungsprojekt. Wir freuen uns, dich wieder zu treffen!