Wir lieben uns, Anton und ich. Wir bleiben für immer zusammen, denn er ist der allerbeste Mann, den es gibt. Wieso eigentlich brauchen wir dann einen Ehevertrag, der die Trennung regelt? Anton teilt doch alles mit mir, Bett, die Schichten, wenn Kinder krank sind, Vermögen, Rentenpunkte und die Flasche Sekt gestern Abend.
Über den unsachgemäßen Gebrauch von Bohrmaschinen
Aber ab und zu gibts auch mal Ärger. Zum Beispiel vorgestern, als ich ein Regal für mein Arbeitszimmer anbringen wollte. Die Bohrmaschine aus dem Keller geholt, ein Loch gebohrt und mich dabei saugut gefühlt. So lange, bis es fitz gemacht hat und ich die Stromleitung traf. Als Anton nach Hause kam, entspann sich ungefähr folgendes Gespräch: „Sag mal, bist du wahnsinnig? Du darfst niemals über einer Steckdose bohren!“ „Upps, nicht gesehen.“ „Guck dir doch mal die Wand an, wie die aussieht!“ Popeliger Streit, völlig unwichtig, und dennoch saß ich eine Weile beleidigt im Bad und dachte, dann geh ich eben!
Denkfehler in der Lebensplanung
Aber ganz ehrlich: würde doch gar nicht gehen! Denn mit meinem Halbtagsjob könnte ich weder die Kinder noch mich ernähren. Ich bin ja finanziell total an Anton gebunden und von ihm abhängig. Das alles kam so Schritt für Schritt und ich habe mir nie wirklich Gedanken gemacht. Traumman an der Uni kennengelernt, geheiratet. Mit verklärtem Blick in fremde Kinderwagen geschaut, ein, zwei, drei Babys bekommen, auf halber Strecke schon den Job verloren, weil der Vertrag befristet war. Kinder gehütet und wieder halbtags in den Job eingestiegen. Wenig Kohle auf dem Konto, keine Altersvorsorge in der Tasche – miese Aussichten, oder? Ich bin sehr emanzipiert und streite mich gerne mit einem Bier in der Hand in lustiger Runde mit meinen Freunden über Frauenrechte und reklamiere die schreiende Ungerechtigkeit, die zwei X-Chromosomen so mit sich bringen. Aber vielleicht sollte ich anstelle zu reden lieber handeln und mich informieren, ob nicht hier oder da ein Denkfehler in meiner Lebensplanung steckt. Also habe ich die wunderbare und weltbeste Anwältin Nina Straßner kontaktiert. Was bitte ist eigentlich ein Ehevertrag und wieso sollte ich einen haben? Wir haben live auf Instagram gesprochen und den wertvollen Inhalt und Ninas weisen Rat möchte ich dir nicht vorenthalten.
Die Juramama weiß Bescheid
Auch Nina hat sich lange keine Gedanken gemacht, aber in den 13 Jahren Ehe, einiger Lebenserfahrung und dank der täglichen Praxis in ihrem Berufs als Anwältin hat sie sich dann um einen Vertrag gekümmert.
Denn wenn Kinder dazu kommen, sie und ihr Mann haben zwei, ändert sich für das Paar Einiges und finanziell steht vor allem der, der die Kinder betreut, ganz anders da als vorher. In der Beziehung verschiebt sich also ganz Grundlegendes für den, der beruflich zurücktritt. Zwar bekommt der Kinder-betreuuende Partner nach einer Trennung die Hälfte der Rentenpunkte des anderen, aber von der Rente kann ja mittlerweile oft nicht einmal eine Person alleine leben, darauf weist Nina schon zu Beginn hin.
Eheverträge: wieso das denn?
Wer an Eheverträge denkt, denkt an Dieter Bohlen, der sein Vermögen vertraglich absichert, wenn er mal wieder eine junge Frau geheiratet hat. Aber gerade für Frauen, die in klassischem Familienmodell leben und hauptsächlich die Kinder betreuen, ist so ein Vertrag empfehlenswert. Wirtschaftlich stärker sei ja ohne Vertrag der Ehemann, der nach wie vor sein Geld verdiene. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, kann ein Vertrag vieles regeln und zwar ganz individuell. Zum Beispiel, wer nach der Trennung in der Wohnung bleiben kann. Oder dass das Haus, das der Mann von seinen Eltern geerbt hat, zu einem Viertel ihr gehört.
Nina erklärt, dass bei einer Scheidung das Gesetz Ehepartnern ein Grundgerüst zur Verfügung stellt, dieses aber oft nicht ausreichend ist. Und dass diejenigen blöd aus der Wäsche guckten, die ihren Job reduziert oder aufgegeben haben. Eine Warnung spricht sie für Menschen aus, die in einer Beziehung lebten, Kinder haben und nicht verheiratet sind. Wenn sie ihren Job der Kinder wegen reduziert oder aufgegeben haben, ist ein Vertrag überlebenswichtig, da gibt es auch keine zwei Meinungen, sagt Nina.
Völlig veraltet: das Ehegattensplitting
Sie findet, dass das Ehegattensplitting veraltet und ungerecht sei, denn Steuervorteile gehörten dahin, wo Kinder sind. Ob man heiraten will oder nicht, sollte eigentlich keine Rolle spielen. Aber so lange dieses Gesetz so besteht, müssten sich unverheiratete Paare mit Kindern auf jeden Fall selber kümmern. Die Einführung des Ehegattensplittings stamme aus einer Zeit, in der Frauen noch nicht arbeiten durften. Jetzt sei es einfach nicht mehr zeitgemäß, so Nina. Denn es entstehen massive Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft durch die Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Kindern. Was die nämlich kosten, würden viele unterschätzen, auch sie selbst hätte es sich nicht zu träumen gewagt.
(Eigene Anmerkung: Hier empfehle ich unbedingt Ninas Buch Keine Kinder sind auch keine Lösung (Affiliate Link). Diese Ungerechtigkeit wird hier von der klugen und wortgewandten Anwältin besonders deutlich gemacht.)
Die dramatischen Folgen einer Trennung
Wie dramatisch es für den ist, der Kinder betreut hat, nicht vor dem Altar stand und vor einer Trennung steht, macht Nina noch einmal klar:
Wenn man nicht verheiratet ist, hat man letzlich auch nicht dieses „Kriegsrecht“, das einem das BGB mitgibt. Heirat ändert erstmal nur was an der Steuer, aber sie regelt auch was passiert, wenn es schief geht.
Unterhalt für die Kinder müsse zwar immer bezahlt werden (der eine lebt mit den Kindern zusammen, der andere leistet einen Beitrag in bar), aber den Zugewinnausgleich hat ein unverheiratetes Paar nicht. Gesetzlicher Güterstand bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ab dem Zeitpunkt der Eheschließeung alles, was angeschafft oder erwirtschaftet wurde, zwei Säulen für die beiden Ehepartner bildet. Wenn sich das Paar trennt, werden die Säulen ausgeglichen, sodass beide das gleiche haben. Kinderbetreuung gibt eben nur ein paar schimmelige Rentenpunkte, so Nina, dafür gibt es dann den Ausgleich von dem, der Vollzeit gearbeitet und fleißig Rentenpunkte gesammelt hat.
Bei Unverheirateten heißt es Trennung und dann AUS, erklärt sie. Keine Ansprüche und einen Haufen Nachteile, weil (meist) die Frau beruflich nicht vorwärts kam, während sie die gemeinsamen Kinder betreut hat. Nina plaudert aus dem Nähkästchen: ihr Mann hat den gleichen Beruf wie sie und in den drei, vier Jahren, die sie selbst der Kinder wegen zuhause war, seine berufliche Laufbahn gefestigt. Das hole sie auch nie mehr auf. Sie wird dagegen bis heute noch skeptisch gefragt, ob sie auch wirklich pünktlich zum Gerichtstermin erscheine, weil sie sich mehrheitlich um die Kinder kümmert.
Das Risiko trägt der, der bei den Kindern bleibt
Wer sich absichern möchte, der kümmert sich um einen notariell beglaubigten Vertrag. Das ist dann ein zivilrechtlicher Vertrag, der bisher nicht einmal einen richtigen Namen hat. Dieser regelt, was passiert, wenn sich Eltern trennen. Wenn eine Frau zum Besipiel vor der Geburt der Kinder 3000 Euro brutto verdient hat und der Kinder wegen nicht arbeitet, fehlt ein ganzer Batzen Geld auf ihrem Konto. Das Paar hat sich hohe Kosten für externe Betreuung gespart, die durch einen Zugewinnausgleich einer Ehe nach Trennung aufgerechnet würden. Bei Unverheirateten fehlen dem einen für sein künftiges Leben so viel Geld, dass man sich als verantwortungsvolles Elternpaar einfach in die Augen schauen und sich fragen muss: finden wir das denn gerecht?
Nina gibt zu Bedenken: Wie viele Väter würden ihren Partnerinnen den Vogel zeigen, sollten diese fordern, den Job nur noch halbtags machen. „Das geht nicht!“, würden sie entrüstet antworten. Und es stimme ja auch, sagt Nina: Familien brauchen das Geld, das verdient wird. Aber wenn einer sagt, ok, ich mache die Kinderbetreuung und bleibe komplett zuhause, dann müsse das ausgeglichen werden. Zum Beispiel, indem der voll berufstätige Partner Geld in die Rentenvorsorge des anderen überweist, in welcher Form auch immer. Wenn das erwirtschaftete Geld für diese Ausgleichszahlungen nicht reiche, dann ist das für das Paar nicht das richtige Modell und es muss auch der andere (oftmals die Mutter) wieder berufstätig sein. Nina fügt hinzu:
Ich würde da ganz stark daran apellieren, dass die Frau nicht die einzige, die das Risiko trägt.
Es sei ja nicht nur so, dass der Mann weglaufen kann. Was ist denn, wenn man selber die Beziehung nicht mehr möchte? Soll man weiter in der finanziellen Abhängigkeit bleiben? Und was ist, wenn der Mann stirbt? Wenn Paare unverheiratet sind, gibts keine Witwenrente für die hinterbliebene Frau. Sie erbt auch nichts, denn das Vermögen bekommen die Kinder.
Nina erzählt von diesen Nächten, in denen man grübelt. Meist sei das bei ihr der Fall, wenn sie sich mit ihrem Mann ganz doll gestritten hat. Wenn sie kurz ausziehen will und sich ungerecht behandelt fühlt, wie ich nach meiner Aktion mit der Bohrmaschine. Die Koffer packen geht aber nicht, weil man die Kinder gar nicht alleine ernähren kann. Das könne nicht einmal sie, die schon umfangreich als Juristin tätig ist. Ihr Mann dagegen hätte finanziell keine Probleme. Er könnte theoretisch Nina raussschmeißen und eine Nanny für die Kinder engagieren.
In wenigen Schritten zum Vertrag
Aus diesem Grund empfiehlt Nina vor allem unverheirateten Paaren, aber auch Ehepartnern mit Kindern, im nächsten Jahr zusammen diese Sache anzugehen und einen Trennungsvertrag auszuhandeln. Die Vorgehensweise: sich erst einmal besprechen und dann einen Notar kontaktieren. Der kann telefonisch beraten, über welche Punkte man sich klar werden soll. Das wird dann besprochen und das Ganze notariell beglaubigt. Notargebühren richten sich nach dem Einkommen, sagt Nina. Wer also wenig verdient, zahlt auch weniger. Es sei aber in jedem Fall das best investierteste Geld, auch wenn der Vertrag niemals ziehen werde. Sie hält es grundsätzlich für enorm wichtig, dass Paare auch einmal über Trennung und daraus resultierende Folgen reden und zitiert eine alte Anwaltsregel: Das, was man in Friedenszeiten klären kann, sollte man klären. Wenn es einmal Streit gibt, ist das unmöglich.
Dafür muss man das Recht kennen und wissen was passiert, wenn man nichts regelt. Zusammenfassend ist die Situation für den Betreuuenden im Falle einer Trennung katastrophal, gerade bei Nichtverheirateten. Und auch bei Verheirateten sind die Regeln des Gesetzgeber nicht ausreichend, um irgendwie klar zu kommen, wenn sich einer trennen will.
Der Staat wird all das so schnell nicht für uns regeln und die Gesellschaft wird immer älter. Keiner bewahrt uns aktuell vor der Altersarmut oder trägt uns im Falle einer Trennung. Wenn man sich entscheidet, Kidner zu haben und diese groß zu ziehen, muss man sich über diese Dinge klar werden und sich um den, der die Kinder versorgt, finanziell kümmern und ihn im Falle einer Trennung auszahlen.
Wenn einer dem anderen eine Karriere ermöglicht, indem er zuhause bei den Kinder bleibt, dann ist das sehr viel Geld wert, so Nina. Kinder betreuen ist eine tolle Arbeit und alle, die sie machen, machen das hoffentlich gerne, meint sie. Es sei übrigens auch ein Privileg, das zu tun. Sie selbst schätzt aber ebenso das Privileg, in dem Beruf zu arbeiten, den sie sich ausgesucht hat.
Zum Abschluss unseres Instagram-Gesprächs sagt Nina:
Es muss Schluss sein, dass die Diskussion dann aufhört, wenn vom Muttersein nur geschwärmt wird. Es IST toll, ganz fraglos. Aber es ist auch toll, Geld zu verdienen. Darüber muss man sprechen! Dem Mann kostenlos den Rücken frei halten ist ok, solange man zusammen bleibt. Aber das garantiert einem eben keiner!
Die Sache mit der Bohrmaschine
Ich bin übrigens froh, dass ich nach fünf Minuten beleidigt im Bad sitzen schnell wieder eingesehen habe, dass ein Streit über das Löcherbohren absolut kein Grund ist, den besten Ehemann der Welt sitzen zu lassen. Regeln, was in einem Trennungsfall passiert, das möchte ich aber schon. Ich finde, dass das auch ganz viel mit großer Liebe zu tun hat. Ich bleibe bei Anton einzig und allein, weil ich an seiner Seite sein möchte. Nicht, weil ich ohne ihn finanziell nicht über die Runden käme.
Danke Nina, für deine Tipps, dein Wissen und deine wunderbare Art, Juristendeutsch für uns verständlich zu machen. Und dir, liebe Leserin oder lieber Leser, wünsche ich, dass du das Thema Anfang nächten Jahres angehst, dich gemeinsam mit deinem Partner oder deiner Partnerin hinsetzt, ihr diese Dinge klärt, sie juristisch festzurrt und den Vertrag im Schrank verschließen könnt. Auf dass er niemals zur Anwendung kommt.
Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
So sah übrigens unsere Live-Sendung auf Instagram aus: eine halbe Stunde Talk und es wurde auch von den ZuschauerInnen eifrig kommentiert.