Eine Familie führen

Was ist eigentlich unsere Aufgabe als Eltern und wie können wir unser Familienleben so gestalten, dass wir Erwachsene und unsere Kinder so zufrieden wie möglich sind? Das frage ich mich oft und gerate dabei auch mal an meine Grenzen. Ich halte zum Beispiel gar nichts von Strafen und bin überzeugt, dass sie vor allem im Alltag mit Kindern nichts bringen. Dennoch bin ich manchmal so verzweifelt, weil die Kinder und ich uns in die Haare kriegen, dass ich Strafen verkündige wie eine böse Himmelsbotin.

Unsere Aufgabe als Eltern

Ich bin absolute Verfechterin der bedürfnisorientierten Erziehung, die auch immer die Grenzen der Eltern im Auge behält. Aber ab und zu stehe ich vor einem sehr, sehr frechen Kind und denke, wie komme ich hier nur weiter? Oder ich schäme mich ein wenig, weil sich meine großen Kinder (fünf und sieben Jahre) nicht zu einem „Hallo“ durchringen können, wenn unsere guten und altbekannten Freunde in der Tür stehen.

Nicht so einfach, oder? Ich möchte meinen Kindern gerne auf Augenhöhe begegnen und merke dennoch, dass ich sie auch führen muss. Sie sind noch kleiner und auch wenn wir viel von ihrem Optimismus, ihrem Humor und ihrem kindlichen Wesen lernen können, so müssen auch wir ihnen etwas beibringen: wie sie später in der Gesellschaft klar kommen. Darum ist es unsere Aufgabe, ihnen die Konventionen zu erklären, die bei uns gelten. Essen mit Besteck, Begrüßungsrituale, Danke sagen und Bitte, das Verhalten gegenüber Lehrern, Chefs und Vorgesetzten und allen anderen Mitmenschen.

Was Eltern mit Führungskräften gemeinsam haben

Neulich habe ich in der Zeit einen tollen Artikel über die Führungsseminare von Pater Anselm Grün gelesen. Er bietet sie an, um Managern den Umgang mit der Macht beizubringen. Natürlich ist es ein großer Unterschied, ob ich als ChefIn MitarbeiterInnen führe oder als Eltern mit Kindern zusammenlebe. Dennoch fand ich ein paar ganz wunderbare Ansichten, die ich dir hier als Mama oder Papa ans Herz legen möchte. Anselm Grün schreibt über das Führen:

Dazu gehört, dass der, der andere führt, sich selbst gut führt, dass er Eigenschaften in sich selbst entwickelt, die seine Aufgabe unterstützen. (…) Wer führt, soll auf seine Seele achten, seine Gefühle und seinen Leib.

Ich finde, dass passt super zur Elternschaft. Denn wenn ich als Mutter oder Vater unglücklich, gestresst und unzufrieden bin, kann ich auch nicht so gut mit meinen Kindern umgehen. Jeder Streit macht mich wahnsinnig, jedes „du doofe Mama“ ärgert mich. Bin ich dagegen ausgeglichen, achte auf mich, mache Pausen und fühle mich wohl, dann halte ich Streitereien aus, dann kann ich den Kindern alles in Ruhe erklären. Ich kann mich zu ihnen runterbeugen und ihnen helfen, ihre Konflikte selbst zu lösen. Ein „du doofe Mama“ bringt mich nicht aus dem Konzept sondern zeigt mir, dass das Kind gerade wütend ist und vielleicht Hilfe oder ein wenig Kuscheln gebrauchen könnte.

Das bestätigt auch das zweite Zitat von Anselm Grün:

Wer bin ich? Ein Unternehmen kann sich noch so groß auf die Fahnen schreiben, dass es bei seinen Mitarbeitern eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen will – wenn der Chef sich selbst nicht vertraut, wenn er sich schlecht kennt und seine Schattenseiten ausblendet, dann wird von ihm immer ein Misstrauen ausgehen. Deswegen ist mir wichtig, nach der eigenen Ausstrahlung zu fragen: Gehen von mir Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht aus?

Ist das nicht eine total wichtige Frage? Denn ich bin mir sicher, dass Kinder, die in einer Atmosphäre voller Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht aufwachsen, von alleine starke, respektvolle und höfliche Erwachsene werden. Also wäre es vielleicht das Beste, wir Eltern kümmern uns um unsere eigenen Schattenseiten, trösten das Schattenkind (wie das geht? schau mal hier) und versuchen, so weit es geht und so oft es uns möglich ist, diese Atmosphäre zuhause zu schaffen.

Und wenn es in uns drinnen tobt, die Ängste und Sorgen wüten oder die Nerven gespannt sind wie Flitzebögen? Wie schafft man es, innere Ruhe zu bewahren?

Indem ich mich auf meine eigenen Ziele konzentriere, statt andern Leuten Ergebnisse übertrumpfen zu wollen. (…) Wer die innere Ruhe bewahren will, braucht gute Rituale. Vor allem muss man nach der Arbeit die Türe schließen. Viele können nicht einschlafen, weil sie abends noch grübeln. Ich sage immer: Wenn der Tag vorbei ist, kann ich ihn nicht mehr ändern.

Ich spüre, dass dieser Ansatz im Alltag enorm hilft. Ich habe nach meiner Mütterkur ein paar Rituale eingeführt, zum Beispiel nehme ich das Telefon nicht zur Hand, wenn ich nachmittags mit den Kindern beschäftigt bin. Auch abends lasse ich es jetzt auf Flugmodus geschaltet. Dafür mache ich jeden Mittag eine Mittagspause und lege die Füße hoch. Morgens früh habe ich noch 20 Minuten Ruhe, bevor die Kinder aufstehen (das frühe Aufstehen ist nicht so einfach…) und einmal im Monat gönne ich mir einen Friseur-, Massage- oder Wellnesstermin.

Zutrauen ist die Hauptzutat

Ich habe noch ein Zitat von Anselm Grün. Er bezieht sich damit auf Jesus als Führungsfigur. Egal ob gläubig oder nicht, finde ich folgenden Satz auch für Eltern total gut:

Er moralisierte nicht und befehligte niemanden, sondern er führte, indem er den Leuten ein neues Selbstwertgefühl gab. Er machte ihnen Mut und traute ihnen etwas zu. Er vermittelte ihnen, dass jeder eine Gabe hat und zum Segen werden kann. Dieses Zutrauen istz für mich die wichtigste Form seines Führens.

Mir gefällt das deshalb so gut, weil ich denke, dass genau das auch unsere Aufgabe für unsere Kinder ist. Ich möchte ihnen nicht meine Moral aufdrücken (auch wenn ich das natürlich manchmal tue), sondern sie selber dazu bringen, ihre eigene Moral zu entwickeln. Ich möchte meinen Kindern ein Selbstwertgefühl geben, das sie stark macht, um der Mensch zu werden, der sie sein möchten. Ich möchte ihnen Mut und Selbstvertrauen schenken, dass sie später, als Erwachsene, ein selbstständiges und freies Leben führen können, mit dem sie zufrieden und glücklich sind.

Irgendwie hat mir dieser Text gezeigt, dass ich es mit den guten Vorleben so weitermachen kann wie bisher, dass der Verzicht auf Strafen richtig ist und sich Geduld auszahlt. Dass ich mir weniger Gedanken machen muss über das Verhalten der Kinder, wenn es mal nicht den Konventionen entspricht. Sie lernen noch und müssen sich auch auflehnen dürfen, um ihre eigenen Erfahrungen zu machen.

Und nun wünsche ich dir als Mama oder Papa, dass dich diese Zitate genauso inspirieren, wie sie mich inspiriert haben. Ich finde, hier wird auch noch einmal deutlich, wie schön es ist, Kinder groß zu ziehen. Und dass Hoffnung, Vertrauen, ein gutes Vorbild sein und Freude am Leben als Zutaten für eine gute Erziehung reichen.

Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura

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