Aufruf an Eltern und Elternblogger: #Elternmachenaufstand

Vereinbarkeit von Familie und Beruf  #Elternmachenaufstand

Neulich las ich einen Artikel in der Zeit-Ausgabe Nr. 34, der mir so sehr aus der Seele sprach. Ich hätte die Autorin Johanna Schoener am liebsten direkt umarmt für ihre weisen und wahren Worte. „Zu platt für den Aufstand“ lautete die Überschrift und es ging um das ewig leidige Thema: wie vereinbaren Eltern Familie und Beruf? Nicht besonders gut, war das Resumé der Autorin, und das liegt auch an den Eltern selbst. Deshalb starte ich heute den Aufruf #Elternmachenaufstand

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Politiker und Arbeitgeber drücken sich

Seit Jahren drückten sich Politiker und sehr viele Arbeitgeber darum, ernsthafte Antworten zu geben auf die Frage, wie Familien gefördert und gleichzeitig Eltern die Berufstätigkeit ermöglicht werden kann. Denn Fakt ist, dass dies in vielen Haushalten schwer umzusetzen ist, schreibt Johanna Schoener. Die Autorin berichtet in ihrem Zeit-Artikel, dass 60 % aller Eltern mit Kindern unter drei Jahren familiäre und elterliche Aufgaben gerne zu gleichen Teilen übernehmen möchten, aber nur 14 % dies auch umsetzten.

Warum das so ist? Nun, darauf habe ich eine Antwort, in die meine eigenen Erfahrungen reinspielen. Auch ich möchte mir gerne mit Anton die Arbeit teilen, und zwar sowohl den Haushalt als auch das Geld verdienen. Anton wäre sogar bereit dazu, denn er hat kein Problem damit, sich zuhause ordentlich zu engagieren. Ein Problem haben wir nur mit dem Geld. Weil er, wie so viele Familienväter, wesentlich mehr verdient als ich, arbeitet er in Vollzeit, ich in Teilzeit. Er ist nach 10 Stunden Arbeit froh, den Rest der Zeit für die Kinder aufbringen zu können. Abendessen, ein paar Körbe Wäsche, an drei Bettchen sitzen – dann ist der Tag auch schon rum. Ich selbst habe unter Druck meine Halbtagsschicht am Schreibtisch erledigt, die Kinder abgeholt, den Haushalt gemacht, war auf dem Spielplatz und beim Turnen. Und so haben wir oft das Gefühl, im Klein-Klein unserer Alltagsorganisation unter zu gehen, wie es Schoener so schön formuliert. Gut, wir Frauen wählen statistisch gesehen unseren Beruf eher nach unseren Interessen, die Männer mehrheitlich nach Karriereaussichten und einer vernünftigen Entlohnung. Tatsächlich habe ich am schönen Bodensee in deutscher Lyrik und europäischer Geschichte geschwelgt, ohne mir Gedanken über einen Job zu machen, der auch anständig Knete abwirft.

#elternmachtaufstand

Dennoch scheint mir dieses Argument nicht ganz so schlüssig, denn wenn alle Menschen Abteilungsleiter und Maschinenbau-Ingenieure sind, wer arbeitet dann im Kindergarten, wer wird Kranken- oder Altenpfleger? Auch die Berufe werden schlecht entlohnt, und sind doch so wertvoll und wichtig wie keine anderen! Keine Mutter könnte arbeiten, wenn Kindergärtnerinnen alle zuhause bei ihren Kindern bleiben, weil sie weniger verdienen als ihr Mann.

Meine Forderung an die Politik

Deshalb fordere ich von der Politik, dass etwas geschehen muss. Wieso müssen wir Familien so viele Abgaben zahlen, obwohl wir haufenweise Ausgaben haben? Wieso bin ich später eine arme Rentnerin, obwohl ich jahrelang zuhause war und Kinder zu vernünftigen und gebildeten Erwachsenen erzogen habe, die später den Staat mit hohen Steuern versorgen? Warum werden Alleinerziehende nicht besser unterstützt und wieso nimmt die Politik in Kauf, dass diese mehrheitlich weibliche Gruppe oft gegen drohende Armut kämpft oder sogar schon als arm gilt? Wieso sind Arbeitgeber nicht flexibler und werden vom Staat für familienfreundliche Arbeitsplätze sogar belohnt?

Ideen gibt es schon

Die Politikerin Manuale Schwesig hat eine Idee: Eltern sollen zwei Jahre lang mit 300 Euro unterstützt werden, wenn sie die Berufstätigkeit zugunsten der Betreuung der Kinder auf 28 bis 36 Stunden reduzieren, und zwar beide. Das berichtet Schoener in ihrem Artikel, und sie schreibt von einer weiteren Idee: Jutta Allmendinger schlägt vor, eine neue Vollzeit von 32 Stunden in der Woche einzuführen, und zwar für alle – als Durchschnittswert für das ganze Erwerbsleben. So können Menschen eine Zeit lang reisen, wohltätig sein, Kinder erziehen, Eltern pflegen oder was sonst noch in einem Leben anfällt,. das nun mal nicht immer so geradlinig läuft, wie wir es uns vorstellen.

Wenn Anton und ich mehr Luft hätten und beruflich weniger unter Druck stünden, könnten wir uns den Kindern intensiver widmen, hätten mehr Zeit, um den Haushalt zu organisieren und wären weniger gestresst. Eltern leisten im Schnitt 58 Wochenstunden, davon knapp 31 unbezahlt, schreibt Johanna Schoener. Und ich kann die Zahlen bestätigen. Mein Feierabend beginnt derzeit um 21 Uhr. An manchen Tagen verzichte ich auf eine Pause, weil es einfach zu viel zu tun und zu viele Kinder zu behüten sind.

Noch immer ist es doch so, dass viele Väter ungern früher aus dem Büro gehen, weil zuhause die Bude brennt. Die Kollegen könnten sich ärgern, der Chef unzufrieden sein über den engagierten Vater. Auf jeden Fall klappt es nicht mit der Beförderung, wenn der Mitarbeiter 10 Tage im Jahr wegen spuckender und hustender Kinder frei nimmt. Und wer mit dem Vorgesetzten einen Termin vereinbart, um 12 Monate Elternzeit zu beantragen, hat zu Recht Herzklopfen. Denn um den Hals fallen wird der Chef ihm sicher nicht.

Unsere Kinder bezahlen eure Rente

Nun mokieren sich wieder die Menschen, die auf der Chefseite sitzen. Immer diese Eltern, die doch angeblich so viele Sozialleistungen beziehen, und andauernd früher aus dem Büro gehen wollen. Der Laden muss nun mal laufen, und da sind diese Halbtagskräfte mit Anhang doch irgendwie sehr unzuverlässig. Tja, muss ich darauf antworten, das Problem der Menschheit ist, dass wir aussterben, wenn wir uns nicht vermehren. Dass aber diejenigen, die das Vermehren übernehmen, die Zeche für alle andern bezahlen müssen, ist unfair. Diese Kinder mit ihren Krankheiten und diese besorgten Eltern, die dauernd hinter ihnen herlaufen, anstelle ihren Job am Schreibtisch erledigen, sorgen dafür, dass es in 20 Jahren genug Fachkräfte gibt, die sich auf die offenen Stellen bewerben, und die dann die Steuern für unsere Rente bezahlen, und zwar auch für alle kinderlosen.

Deshalb wünsche ich mir flexiblere Möglichkeiten am Arbeitsplatz. Homeoffice-Plätze, Verständnis für Eltern, die wegen kranker Kinder nach Hause müssen, Akzeptanz für und Respekt vor Vätern, die länger in Elternzeit gehen, Festverträge für Frauen in allen Branchen, besonders im Verlagswesen, Teilzeit-Ausbildungen für junge Eltern, mehr Entgegenkommen gegenüber Alleinerziehenden und insgesamt mehr Respekt für die ehrenwerte Aufgabe, Kinder zu erziehen.

Eltern, macht den Mund auf!

Was mich aber besonders an dem Artikel aus der Zeitung angesprochen hat, war Schoeners Appell an die Eltern. Denn dass Politiker und Arbeitgeber mit den vorhandenen Ungerechtigkeiten durchkommen, liegt auch an der Sprachlosigkeit der Eltern. Ich finde, sie hat Recht. Wir gehen nicht auf die Straße, wir beschweren uns nicht. Wir diskutieren über banale Erziehungsfragen und Breirezepte anstelle über Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir machen Fotos von Motivtorten und posten sie auf Instagram, wir legen uns für ausgefallene Geburtstagsfeiern rein, als gebe es kein Morgen mehr. Wir verurteilen einander, weil wir Babys nicht stillen oder sie früh in die Kita geben. Wir schauen genauso herab auf Mütter, die nicht arbeiten wie auf Mütter, die extrem viel arbeiten.

Wir Elternblogger erreichen mit unseren Texten tausende von Lesern und schreiben die meiste Zeit über DIY, Ordnung im Kinderzimmer oder das richtige Einschlafritual. Klar, das brauchen wir Eltern und das wollen wir lesen, ohne Einwände. In diesem Klein-Klein unseres Familienalltags liegt schließlich die größte Herausforderung und letztendlich auch unser größtes Glück.

Aber wie wäre es, wenn wir Eltern zusammenhalten würden, anstatt uns das Leben gegenseitig noch schwerer zu machen? Wenn wir uns politisch engagieren würden, ob im Elternbeirat des Kindergartens, im Kirchengemeinderat oder in unserer Stadt, um unseren Wünschen eine Stimme zu geben? Wenn wir auf Elternblogs neben all den anderen Themen noch viel mehr über Vereinbarkeit von Familie und Beruf schreiben würden?

Mein Aufruf: #Elternmachenaufstand

Mein Aufruf an alle Eltern lautet deshalb: diskutiert auf dem Spielplatz neben Erziehungsfragen und Kindergartenphilosophie auch über Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Teilt eure Nöte im Job und berichtet von euren Erfahrungen. Schaut nicht herab auf Mütter, die dauernd arbeiten oder nur zuhause bleiben. Tut euch zusammen und helft einander. Auch Männer sind gefordert. Gemeinsam überzeugt ihr den Chef, dass eine familienfreundliche Politik gut für das Image ist. Zieht den Hut vor anderen Vätern, die früher gehen, um ihre Frau zu unterstützen.

vereinbarkeit von familie und beruf

Mein Aufruf an alle Elternblogger lautet: lasst uns noch mehr Artikel über unsere Forderungen an die Politik schreiben und diese dann kräftig untereinander über die Social Media-Kanäle teilen. Was könnte besser laufen in unserer Gesellschaft, und was für eine Unterstützung wünscht ihr euch? Was läuft bei euch schief, oder was läuft richtig gut? Habt ihr einen tollen Chef, oder lässt er euch hängen, wenn die Kinder krank sind?

Mein Aufruf an die Elternbloggerkonferenzen: lasst uns neben Selbstmarketing, Social Media und Sponsoring öfter auch darüber reden, was wir politisch erreichen wollen und können. Dass Elternblogger politisch sind, wurde von Alu auf dem Blog Großekoepfe thematisiert. Also los, lasst uns noch mehr Politik machen, und zwar eine, die Eltern entlastet!

Zusammen könnten wir dafür kämpfen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht länger ein Aufreiben ist, sondern eine reale Möglichkeit, von der alle als Gewinner hervorgehen: Eltern, Kinder, Arbeitgeber, die Gesellschaft und die Politik.

Ps.: Liebe Frau Schoener, danke für den tollen Artikel. Und künftig werden wir beweisen, dass wir nicht zu platt für den Aufstand sind! #Eltermachenaufstand

Nachtrag vom 29.August 2016

Ich wurde von vielen Elternblogger darauf hingewiesen, dass es in der Tat schon einen Haufen Texte zu diesem Thema gibt. Und natürlich stimmt das auch. Ich werde die genannannten Blogs hier direkt verlinken und wollte auf gar keinen Fall klein reden, was schon alles passiert. Dafür möchte ich mich auf jeden Fall entschuldigen. Danke an alle, die mich darauf hingewiesen haben!

Blogs, die regelmäßig politische Themen behandeln:

mama-arbeitet

networkingmom,

meworkingmom

mama-notes

glücklichscheitern

Memyselfandchild

umstandslos.com

Fuckermothers

Terrorpüppi

Großekoepfe

3plus2

Larilara

Papapelz

dasNuf

AndreaHarmonika

Mama Mia

Melanie vom Blog Glücklichscheitern hat mich darauf hingewiesen, dass hat Alu von großeköpfe u.a. auf der #denkst davon berichtet hat, dass manche Berliner Politiker ein offenes Ohr haben und mit Family unplugged wurde dafür auch eine eigene Seite in Zusammenarbeit mit der Politik gebaut.

Und hier die Aktion #Muttertagswunsch, initiiert von Christine Finke und Annette Loers: Offener Brief an Frau Schwesig

 

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