An manchen Tagen wollen die Kinder den ganzen Tag nur Süßigkeiten essen. Morgens gehts damit los, dass sie unbedingt ein Nutella-Brot wollen, mittags verlangen sie nach Pfannkuchen mit Zimt und Zucker und wünschen sich zum Nachtisch Pudding. Abends hätten sie gerne ein Honigtoast mit warmem Kakao.
Ich könnte dann die Volkornflocken anpreisen und mit frischen Beeren und Agavendicksaft verfeinern. Es wäre möglich, sie mittags für Spinatwaffeln zu gewinnen und auf dem Spielplatz mein frisch geschnittenes Obst in hübschen Döschen an den Sohn und die Tochter zu bringen. Abends läge ich vermutlich richtig mit kleinen Käsebroten, die ich mit dem scharfen Messer zerteilen und zu kleinen Häuschen verbastele. Am Rand liegen Radieschenscheiben, Gurkentaler und Paprikaringe mit kleinen Remouladenaugen.
Es kann aber durchaus vorkommen, dass ich auf dieses ganze Essenstheater einfach keinen Bock habe, zu jeder Nascherei „Ja und Amen“ sage und schicksalsergeben massenweise Zucker in den Topf kippe. An manchen Tagen bin ich pädagogisch wertlos.
An manchen Tagen sind wir den ganzen Tag zuhause. Die Kinder und ich gehen uns mächtig auf die Nerven. Alle streiten, kein Spiel macht Spaß. Es herrscht das Chaos und die Anarchie. Keiner mag den anderen mehr sehen.
Ich könnte dann allen Schuhe anziehen und rausgehen. Draußen an der frischen Luft würden die Kinder rennen und ich aufamtmen. Keine Enge, keine Grenzen, Sonne, Regen, Wind und Freiheit. Luise und Jimmy würden auf den Spielplatz rennen, Oskar tapste fröhlich durch die Gegend und die Laune besserte sich schlagartig – und zwar bei allen.
Es kann aber durchaus vorkommen, dass ich kein Bock habe, rauszugehen, wir drinnen bleiben, uns weiter anranzen und ich hoffe, dass es ganz schnell Abend wird. An manchen Tagen bin ich pädagogisch wertlos.
An manchen Tagen ist eines der Kinder wutgeladen. Es zürnt vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, ist sauer wegen dies und jenem, weint, schreit, wütet und stampft. Ist müde, unausgeglichen und völlig neben der Spur.
Ich könnte abends mit im sprechen, es fragen, was an dem Tag so doof war. Sagen, dass es mir auch manchmal so geht und dass das nicht schlimm, dafür aber völlig normal ist. Wir könnten das Sams zitieren und uns ein wenig kitzeln, bis wir vor Lachen fast in die Hose machen.
Es kann aber durchaus vorkommen, dass mich die Launenhaftigkeit meines Sprösslings selber rasend gemacht hat und ich kurz nach dem Abendessen zum Bersten wütend bin. Dass ich keine Geduld mehr habe und außer einem Bier aufmachen, ein Fußbad nehmen oder in die Glotze starren zu absolut nichts anderem mehr fähig bin. An manchen Tagen bin ich pädagogisch wertlos.
An manchen Tagen ist den Kindern langweilig. Sie haben keine Lust auf Playmobil und Lego, wollen nicht malen, nicht Fußball spielen und sich nicht verkleiden. Sie nölen herum und wissen nichts mit sich anzufangen.
Ich könnte dann nach einer tollen Bastelidee suchen. Bei Pinterest gibts die kreativsten Dinge für jedes Alter. Bügelperlenbilder, Herbstlaternen oder Ahorn-Blätter mit Wasserfarbe bemalen vielleicht. Wir könnten aber auch einen Kuchen backen, mit ganz viel Schokoladenstreusel verzieren und ihn sofort aufessen.
Es kann aber durchaus vorkommen, dass ich keine Lust habe, das ganze Bastelzeug aus den Schränken zu holen und wieder aufzuräumen. Ich habe auch keine Lust auf die riesen Sauerei in der Küche, die entsteht, wenn ich mit meinen Kindern einen Kuchen backe. Das ist mir alles zu viel Arbeit. Statt dessen mache ich den Fernseher an und lasse eine Stunde Peppa Wutz laufen. An manchen Tagen bin ich pädagogisch wertlos.
An manchen Tagen ärgere ich mich über meine Familie, weil mir keiner hilft. Ich fühle mich allein gelassen mit all der Arbeit und bin frustriert, weil ich Wäsche, Abendessen und Einkauf erledigen muss, aber kein Dank erhalte.
Ich könnte mich dann mit meinen Vieren zusammen setzen und Sätze aussprechen, die mit „ich möchte, dass…“, „ich fühle mich…“ und „ich wünsche mir…“ beginnen und gewaltfrei kommunizieren, wie ich es in meinen Büchern von Marshall Rosenberg gelernt habe.
Es kann aber durchaus vorkommen, dass ich mich, nachdem ich den Abendbrottisch gedeckt habe, vor meiner Familie aufbaue, Luft hole und ganz viele wütende Dinge rausposaune, die mir so ungefiltert in den Sinn kommen. Dann beende ich den Vortrag mit einem gepfefferten „ich bin doch nicht eure Haushälterin, ihr faulen Pupsnasen“. Manchmal bin ich pädagogisch wertlos.
Vielleicht geht es dir manchmal wie mir. Und vermutlich hast du dann auch so ein schlechtes Gewissen. Aber eigentlich ist das alles doch nicht weiter schlimm, oder? Wir machen den ganzen Tag so viel pädagogisch Wertvolles: Stechen den Kindern aus Obst Herzen und Sterne aus, kochen gesund, gehen mit ihnen an die frische Luft, setzen uns abends zu ihnen ans Bett, basteln Herbstgirlanden und Weihnachtssterne, decken den Tisch und waschen bergeweise Wäsche für unsere über alles geliebten Menschen – ist es da nicht völlig ok, wenn wir an manchen Tagen einfach keine Lust zu all dem haben? Ich glaube, unsere Kinder finden das manchmal sogar ganz entspannend. Und sie wissen später, wenn sie selber groß sind, dass sie als Eltern nicht immer nur pädagogisch wertvoll sein müssen.
Also, lass doch morgen mal fünfe gerade sein, wenn dir danach ist. Bleib drinnen mit den Kids, auch wenn die Sonne scheint. Koch ungesund und schalt mittags um vier den Fernseher an. Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
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