Vor einiger Zeit habe ich hier zwei Texte veröffentlicht, die sich mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie befassten. In Mütter in der Zerreißprobe beschrieb ich, wie Mütter unter dem Druck leiden, zuhause für die Familie da zu sein und gleichzeitig den Anspruch an sich stellen, auch beruflich, sportlich und kreativ alles geben zu müssen. Wird das nicht einfach zu viel? Da viele Frauen fragten, warum denn die Männer nicht zur Sprache kamen, habe ich mit dem zweiten Text Papas an den Herd die leise Vermutung ausgesprochen, dass sich einige (und lange nicht alle) Väter um die Verantwortung zuhause drücken. Auch da haben sich wieder viele Eltern zu Wort gemeldet und ich möchte sagen, wie wichtig und wertvoll ich diese Diskussion finde, vor allem wenn sich Männer dazu äußern.
Natürlich sind nicht DIE Frauen schuld, weil sie sich zu viel Druck machen. Genauso wenig ist das Problem, dass DIE Männer keine Verantwortung für Kinder und Haushalt übernehmen. Das alles sind Pauschalisierungen, die ja schon einmal aus dem Grund Quatsch sind, weil wir Menschen unterschiedlich sind und wir nicht die Geschlechter über einen Kamm schweren dürfen. Schwierig ist aber definitiv, dass Eltern unter Druck stehen. Finanzielle Sorgen sind immer quälend und rauben die Kraft, sich über Gleichberechtigungsthemen Gedanken zu machen. Aber auch wenn das Geld reicht, sind die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt für Eltern in vielen Fällen schwer. Väter, die mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchten, kämpfen gegen Windmühlen, weil eine Reduzierung der Arbeitszeit in unserem Land nicht gerne gesehen wird. Frauen kämpfen darum, den Arbeitsplatz nach der Elternzeit zurück zu bekommen. Ich selber habe in einem namhaften Verlag einen befristeten Vertrag nach dem anderen erhalten und wollte dennoch ein Kind. So lief der letzte Vertrag in der Elternzeit aus und mein Job war weg, was mich unglaublich verletzte und frustrierte.
Luxusprobleme der Eltern
Was machen wir denn nun mit diesem Dilemma? Winken wir dieses Thema als „Luxusproblem“ ab, wie es eine Leserin tat? Mir ist klar, dass es Eltern gibt, deren wichtigstes Problem darin besteht, überhaupt genug Geld für die Familie zu erwirtschaften. In meinem Artikel zum Thema Erhöhung der Kindergartengebühren habe ich einmal erklärt, warum Eltern das System tragen und keine soziale Gerechtigkeit herrsche, solange für Eltern am Rande des Existenzminimums auch noch die Kitagebühren erhöht würden. Aber darf diese Tatsache dazu führen, dass wir nicht länger für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Gleichberechtigung unter Eltern reden dürfen? Wäre es besser, aus Rücksicht auf sozial schwächer Gestellte den Mund zu halten, wenn es darum geht, dass viele Väter reduziert arbeiten möchten und mehr Zeit mit ihren Kindern einfordern? Dagegen wehre ich mich mit allen Mitteln, denn dann hätten wir Frauen heute nicht das Recht zu wählen. Auch damals gab es dringendere Themen, müsste man dieser Theorie Glauben schenken!
Wege, wie es gehen kann
Ich möchte hier auf diesem Blog deshalb positive Beispiele geben für Eltern, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu aller Zufriedenheit gelöst haben. Das Ziel ist es, dass du dich als LeserIn inspiriert fühlst, auch an ein paar Stellschrauben zu drehen. Es gibt immer eine Möglichkeit, etwas zu ändern, und sei es nur ein ganz kleines bisschen. Denn um was geht es letztendlich? Es geht darum, dass Eltern sich nicht in ihrem Hamsterrad gefangen fühlen und keine Entscheidungen mehr treffen können, die ihr Leben und das ihrer Kinder betrifft. Frei über einen Teil der Zeit entscheiden zu können und die Möglichkeit zu haben, das Leben selbst zu gestalten, das macht glücklich. Ich erzähle dir nun von drei Paaren, die mit ihrem gemeinsamen Weg zufrieden sind.
Miri nicht allein zuhaus
Da sind zum Beispiel Miri und ihr Mann. Sie haben zusammen vier Kinder und leben in einem Dorf in der Nähe meiner Heimatstadt. Miri ist Hausfrau und hat ihren Job für die Kinder aufgegeben, denn mit Vieren ist immer eine Menge zu tun. Sie macht die Hausarbeit sehr gerne, meistens zumindest, und wenn ihr mal alles über den Kopf wächst, dann kann sie jederzeit ihren Mann um Hilfe rufen. Der arbeitet Vollzeit, so haben es beide gemeinsam entschieden. Aber Miris Mann möchte keine Karriere machen, sondern bewahrt sich die Flexibilität, seine Frau unterstützen zu können, wann immer es geht. Es ist nämlich Blödsinn, dass eine einzige Person Haus, Haushalt, Wäsche, Termine, Kids und Co alleine schaffen kann, ohne sich aufzureiben, wenn sie „nur“ Hausfrau ist. Das hat nämlich besagte Leserin hier kommentiert, die mir den Luxusprobleme-Vorwurf machte. Auch Miri braucht hin und wieder die Unterstützung ihres Mannes, wenn nämlich mal wieder etwas außer Plan läuft. Dann kann sie ihn anrufen und er macht früher Feierabend. So haben die beiden das gute Gefühl, sich gemeinsam für ihren Lebensentwurf entschlossen zu haben. Sie müssen mit dem Geld haushalten, denn vier Kids und ein Gehalt lässt die Familie nicht im Luxus schwelgen. „Die Kinder sind unser Luxus!“, sagt Miri. Übrigens schreibt sie einen ganz wunderbaren Foodblog, den ich dir unbedingt ans Herz legen möchte: Leckerleckerliese.de
Wenig Zeug, viel Zeit
Diese Woche habe ich für einen Zeitungsartikel mit Rachel gesprochen. Sie schreibt auf dem Blog mamadenkt.de über ihr Familienleben, Konsumverzicht und Minimalismus. Ihr und ihrem Mann war es gleichermaßen wichtig, viel Zeit mit den gemeinsamen drei Kindern zu verbringen. Deshalb arbeiten beide reduziert und haben nicht einmal eine ganze Stelle zusammen. Aus diesem Grund haben sie natürlich auch weniger Geld zur Verfügung, aber das macht gar nichts aus. Sie leben sowieso sehr nachhaltig und umweltbewusst und stellen jeden ihrer Käufe erst einmal in Frage. Die Familie verzichtet zum Beispiel auf Flugreisen und Unterhaltungselektronik, das Geld reicht aber immer für den Einkauf im Bio-Supermarkt. Weniger arbeiten heißt natürlich immer, an anderer Stelle zu verzichten. Aber die gemeinsame Zeit mit der Familie ist es den Eltern wert. Dazu kommt, dass eine Küche ohne eine Armee an Küchenmaschinen, ein Kinderzimmer mit deutlich weniger Spielzeug und ein Wohnzimmer ohne Fernseher noch so einige Vorteile bietet: Rachel muss sich nicht so viel um ihren Besitz kümmern, muss weniger aufräumen, sortieren und reparieren. Schau mal auf Rachels Blog vorbei. Dort findest du sicher auch viele tolle Inspirationen für dein Familienleben!
Der Traum vom Haus
Und da ist noch eine Familie, nämlich unsere! Wie ist das eigentlich bei Anton und mir? Anton arbeitet Vollzeit und ich Teilzeit, allerdings würde Anton sehr gerne mehr Zeit mit den Kindern verbringen und ich würde oft lieber ein wenig mehr arbeiten. Aber wir müssen Kompromisse machen, aus folgendem Grund: gerne hätten wir uns ein Haus gekauft, weil das immer unser Traum war. Anton arbeitet aber im Großraum Stuttgart und ein Traumhäuschen ist hier unglaublich teuer, sodass wir uns von dieser Idee verabschiedet haben. Weil wir aber mehr Platz brauchten und es uns am allerwichtigsten war, dass Anton einen kurzen Anfahrtsweg zur Arbeit hat (um mehr bei uns zu sein!), haben wir nun ein Haus in der Nähe seiner Arbeitsstelle gemietet. Du kannst dir vorstellen, dass in einer Gegend, in der ein Reihenhäuschen ohne Garten schlappe 600.000 Euro kostet, die Miete ordentlich hoch ist. Weil Anton wesentlich mehr verdient als ich (nein, ich würde niemandem mehr empfehlen, nur Geisteswissenschaften zu studieren), wäre bei unseren hohen Mietkosten eine Umverteilung der Arbeitszeit sehr unwirtschaftlich. Daher bin ich nachmittags für Kids und Haushalt zuständig, aber Anton kommt so schnell es geht, macht einmal die Woche Homeoffice und kümmert sich genauso oft um ein krankes Kind wie ich. Wichtig für uns ist es immer, die Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Wir haben alles abgewägt und so wie es jetzt ist, ist es für uns am besten. Ich weiß nur eines: würde Anton beispielsweise Karriere machen wollen, weil ihm das ungemein wichtig ist und er deshalb öfter weg wäre, wäre für mich selbstverständlich, dass wir uns von dem höheren Gehalt eine Haushaltshilfe oder ein Aupair-Mädchen leisten würden. Denn ohne mich aufzureiben schaffe ich Job, Haushalt und die Kinder nicht, das habe ich in der Vergangenheit gemerkt.
Gemeinsam entscheiden – das zählt!
Ich finde es einfach wichtig, dass Eltern sich abstimmen. Ob nun eine Frau zuhause bei den Kindern bleibt, beide reduziert arbeiten oder einer Karriere macht, der andere dafür genug Hilfe für den Haushalt bekommt: wichtig ist, dass Frau und Mann das Gefühl haben, sie können Einfluss nehmen auf ihr Leben. Für mich war immer dann das Unglück groß, wenn ich mich hilflos gefühlt habe. Als mein Job in der Elternzeit einfach weg war oder ich mit dem dritten Kind zuhause saß, weil der Kitaplatz fehlte und ich doch so gerne wieder arbeiten gegangen wäre, da war ich oft sehr unglücklich.
Übrigens wirst du demnächst noch mehr zu diesem Thema lesen. Ich habe einen Aufruf gestartet und Familien befragt, die reduziert arbeiten. Viele tolle Antworten haben mich erreicht und ab nächster Woche werde ich sie dir hier aufschreiben. Es gibt sie, die verschiedenen Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Klar, alles geht nie. Wenig arbeiten, viel Zeit haben, nur im Bio-Supermarkt einkaufen und einen feinen Urlaub buchen mit all inclusive – das ist für die meisten von uns unmöglich. Die Lösungen sind immer auch sehr individuell, aber eines zählt: Frau und Mann haben sich gemeinsam entschieden und stimmen sich immer wieder ab, ob der momentane Weg der richtige ist. Und nun wünsche ich dir, dass auch bei euch zuhause immer Spielraum für Gespräche und Veränderungen sind. Auch kleine Dinge bewirken etwas: wenn ihr euch gegenseitig eine Stunde Zeit schenkt, damit der andere seinem Hobby nachgehen kann, ihr zusammen zum Lieblingsitaliener geht und bei einer Flasche Wein über eure Wünsche und Erwartungen sprecht oder du dich mal hinsetzt und überlegst, was für euch als Familie wirklich zählt, dann bringt das ganz, ganz viel, oder was meinst du?
Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
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