Klappt ja doch!
Weiter gehts mit meiner Vereinbarkeits-Reihe. Ich habe Anfang des Jahres Eltern gesucht, die beide reduziert arbeiten und sich Kinderbetreuung, Job und Haushalt teilen. Die meisten sind ja der Meinung, dass das bei ihnen einfach nicht klappt. In vielen Fällen mag das stimmen, weil die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Aber manchmal trifft auch das Sprichwort zu: „Kann-Nicht wohnt in der Will-Nicht-Straße“. Vielleicht fühlst gerade du dich von den Lebensentwürfen dieser Eltern inspiriert und möchtest bei euch zuhause etwas ändern? Ich finde es oft schade, dass ich nicht genug Zeit für meinen Beruf habe. Mein Mann dagegen würde wirklich gerne mehr Stunden mit den Kindern verbringen. Daher freue ich mich, dass so viele mitgemacht haben und stelle euch heute zwei Paare vor, die sich Job und Haushalt teilen. Übrigens haben sich Eltern mit den unterschiedlichsten Berufen und Ausbildungen gefunden und es waren längst nicht nur Paare mit hohem Einkommen dabei.
Das traditionelle Rollenbild ist unfair: Kerstin und Andreas
Kerstin und Andreas haben sich von Anfang an für das geteilte Modell entschieden. Als Kerstin mit Zwillingen schwanger war, haben sie die Zukunft mit den Kindern geplant. Die Kinder sind nun eineinhalb Jahre alt und Kerstin arbeitet mittlerweile als Einkäuferin zu 65% und hatte nach sieben Monaten Elternzeit erst auf 40 % aufgestockt. Forschungsingenieur Andreas hat ebenfalls sieben Monate Elternzeit genommen, arbeitet jetzt 70%.
Für beide Eltern war klar, dass sie sich Elternzeit und Elterngeld teilen und dafür auch gut planen. Das ist mit Zwillingen sicher noch nötiger und in ihrem Fall war leider keine andere Unterstützung in der Nähe, mit der sie hätten rechnen können. Sie haben den Vorteil, dass sie ähnlich verdienen, so stellte sich die typische Frage nach dem Geld nicht so sehr wie bei anderen Paaren. Vor allem aber war es die Entscheidung von beiden, denn Andreas wollte sich unbedingt viel an der Erziehung beteiligen und Kerstin nicht nur den Haushalt schmeißen.
Die Eltern finden das traditionelle Rollenbild weder zeitgemäß noch fair. Die starke Einschränkung der Frau in der beruflichen Entwicklung, die finanzielle Abhängigkeit und der schwere Wiedereinstieg in den Beruf, all diese Punkte waren für sie auch ein Grund dafür, dass Kerstin nach sieben Monaten wieder arbeiten ging. Dazu kam, dass beide keine zwei unterschiedlichen Leben leben wollten. Wenn der eine acht bis zehn Stunden am Tag arbeitet und der andere sich um Haushalt und Kinder kümmert, fehlt oft das Verständnis für den Alltag des anderen. So kennen Andreas und Kerstin beide Seiten: das stressige Arbeitsleben gepaart mit harten Nächten, aber auch Tage mit den Kindern.
Andreas Arbeitgeber war nicht begeistert, als er von seinem Vorhaben erfuhr:
Die Firma ist zwar groß genug, glücklich war dort aber keiner. Aber da es einem zusteht, kann man es
nicht verhindern. Die Firma schreibt sich auf die Fahne, familienfreundlich zu sein, dann muss man es
einfach einfordern. Wichtig ist auch, dass die Rolle im Job nicht zu wichtig ist, als das man
unersetzlich wird. Einschränkungen hinsichtlich Karriere müssen hingenommen werden.
Ein bis zwei seiner Kollegen machen es ähnlich und teilen sich die Arbeitszeit mit ihren Parnerinnen sogar 50:50. Manche reduzieren ein bisschen, aber selten nehmen sie mehr als die typischen zwei Monate nach der Geburt ihrer Kinder. In der Familie von Kerstin und Andreas wird die Arbeitsteilung ganz ähnlich gehandhabt, also war die Reaktion von dieser Seite klar. Aber die Freunde der beiden leben eher das traditionelle Modell. Sie finden ein solches geteiltes Modell zwar meist gut, haben aber oft nicht den Mut, selbst Veränderungen wie diese anzustreben. Manche männlichen Freunde können sich die Arbeit zuhause auch einfach nicht vorstellen. Und natürlich gibt es wieder das klassische Problem: die Frauen verdienen viel weniger und eine Arbeitsteilung würde einfach unwirtschaftlich sein.
Andreas hat schon das Gefühl, dass seine Entscheidung Einfluss auf die Karriere hat. Aber er hat sich bewusst für Zeit mit der Famlie entschieden:
Wenn man weniger arbeitet, kann man schwer mit anderen Kollegen mithalten, man hinkt
daher erst Mal hinterher. Jedoch nicht uneinholbar. Wenn man Familie will, muss man sich immer einschränken, die Frage ist eher, was man wirklich will.
Kerstin und Andreas teilen sich den Haushalt in gleichem Maße auf und sie besprechen jeden Tag, was zu tun ist. Wenn die Kinder krank sind, wechseln sie sich ab. Sind beide der Zwillinge krank, bleiben sie manchmal auch beide zuhause.
Finanziell müssen sie sich schon etwas einschränken, denn das Gehalt ist aufgrund der Reduzierung zwangsläufig niedriger. Aber beide verdienen auch ganz gut, sodass es nicht weiter ins Gewicht fällt.
Verändert hat sich durch die Kinder für die Eltern fast alles: im Job müssen beide schauen, dass sie mitkommen, weil sie nicht mehr den ganzen Tag vor Ort sind. Meetings müssen abgesagt, verschoben oder früher verlassen werden, weil sie die Kinder abholen müssen. Sie finden, dass das Berufsleben einfach nicht auf die Work-Life-Balance ausgerichtet ist. Aber sie sehen keine Alternative zu ihrem Lebensmodell als Eltern, auch weil Kerstin keine Lust hätte, alleine für den Haushalt zuständig zu sein.
Klar gibt es ihrer Meinung nach auch Nachteile, denn alles muss ausdiskutiert werden. Sie sind immer nur halb Eltern, halb im Job. Beim traditionellen Modell könnten Eltern fokussierter das machen, für was sie zuständig sind. Sie aber haben auch beide immer ein schlechtes Gewissen, weil sie zu wenig Zeit für die Kinder haben, sagen beide.
Beiden ist der Haushalt wichtig: Jana und Markus
Doktorandin Jana und Kommunikationsberater Markus haben ein Kind, das bald vier Jahre alt wird. Sie arbeitet 50%, er 60% in seinem Job.
Die beiden lernten sich kennen, verliebten sich und ein halbes Jahr später beschlossen sie, schwanger zu werden. Sie führten zu der Zeit eine Fernbeziehung zwischen dem Ruhrgebiet und Bern. Jana studierte, Markus arbeitete 80%. Gegen Ende der Schwangerschaft zog er zu ihr ins Ruhrgebiet und arbeitet seitdem 60%. Gut zwei Jahre lang wohnten beide mit Kind im Ruhrgebiet, bis Jana ihr Studium abgeschlossen hatte; Markus arbeitete in dieser Zeit fast ausschließlich im Homeoffice. Das Kind betreuen sie bis heute selbst. Mittlerweile wohnen sie in Bern, wo sie beide arbeiten. In der Schweiz gehen Kinder erst mit vier Jahren in den Kindergarten.
Beide haben sich nicht bewusst für das geteilte Modell entschieden, aber es war irgendwie klar, dass sich Jana nach dem Studium einen Job suchen würde. Hätte sie eine ganze Stelle gefunden, hätte Markus vermutlich noch weiter reduziert. Jana und Markus wollten unbedingt Anteil am Kind haben und den Haushalt nicht ganz aus der Hand geben.
Markus hat gute Erfahrungen mit seinem Arbeitgeber gemacht. Der hat zwar die Reduzierung erst erlaubt, als klar wurde, dass er ansonsten kündigen würde. Aber dann hat er zusätzlich zur Reduzierung auch flexiblere Arbeitszeiten bzw. Homeoffice erlaubt. Zwar arbeitet kein Kollege wie er, aber deren Reaktionen waren nicht negativ. Auch die Familie reagierte nicht weiter auf die Entscheidung des Paares. Markus hat zwar nicht das Gefühl, dass seine Karriere nun beschränkt ist, aber es ist ihm bewusst, dass er eine Neuanstellung in einer verantwortungsvollen Position mit diesem Pensun nicht finden würde.
Jana: Aufräumen und Putzen erledigen wir beide gleich oft und gleich gründlich. Wir haben es beide gern sauber und ordentlich und tun gleichermaßen viel dafür. Jeder hat aber Bereiche, in denen er „Bestimmer“ ist, weil ihm dieser Bereich wichtiger ist als der anderen Person. So kümmere ich mich zum Beispiel ums Kochen, weil mir Essen wichtiger ist als Markus. Dadurch bin ich auch für Einkäufe verantwortlich. Markus‘ Bereich ist zum Beispiel das Wäsche Waschen mit allem, was dazu gehört.
Termine, Anschaffungen und alle Themen, die das Kind betreffen, organisieren und besprechen sie gemeinsam. Durch ihre spezielle Situation müssen sie sich auch nicht finanziell einschränken, weil vor der Geburt des Kindes nur einer von ihnen gearbeitet hat. Die beiden würden alles wieder genauso machen und finden, dass das Modell keine nennenswerten Nachteile hat, außer einen, den auch Andreas benannt hat: Es ist schwierig, eine Neuanstellung in einem verantwortungsvollen Job in Teilzeit zu bekommen.
Die Gesellschaft verändert sich
Ganz lieben Dank an die beiden Paare, die so offen über ihr Lebensmodell gesprochen haben. Ich finde es unglaublich spannend, wie Familien gleichberechtigt leben. Na klar, es müssen die Voraussetzungen stimmen und die sind eben bei allen unterschiedlich. Und der Arbeitgeber muss mitziehen! In diesem Punkt sehe ich noch enorm viel Handlungsbedarf, aber ich bin auch optimistisch. Erst diese Woche habe ich ein Interview mit einer Ärztin gehört, die als Personalrekruterin arbeitet. Sie sagt, dass die jungen Leute von heute einen attraktiven Arbeitsplatz fordern, und der soll oft in Teilzeit sein. Das hat nichts damit zu tun, dass die neue Generation faul ist. Es geht viel mehr um die Familie, denn die Zeit mit den Kindern ist so wertvoll wie schnell vorbei. Wie oft sagen Männer, die heute in Rente sind, dass sie von ihren Kindern fast nichts mitbekommen und immer nur gearbeitet haben. Ich bin mir sicher, die meisten bedauern das zutiefst. Genauso gibt es heute massenhaft Frauen, deren Rente lange nicht reicht. Dabei haben sie Kinder groß gezogen und ihr Leben lang geschuftet.
Hier und hier kannst du noch mehr von Eltern lesen, die sich Job, Haushalt und Kinderbetreuung teilen.
Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
Mehr von Heute ist Musik! Wenn du Lust hast, öfter Beiträge von mir zu lesen, dann klick doch auf der Facebook-Seite auf Gefällt mir. Dort poste ich neben meinen Artikeln auch tolle Texte von KollegInnen und erzählen dir, wie es bei mir ziemlich oft auch mal drunter und drüber geht. Ich freue mich, dich wieder zu treffen!