#Regretting Motherhood ist in aller Munde. Dieses Stichwort entstand, nachdem die Soziologin Orna Donath israelische Mütter im Alter von Mitte 20 bis Mitte 70 zum Thema Mutterschaft befragt hatte. Die meisten dieser Frauen waren der Meinung, dass sie durch ihre Kinder ihre Autonomie und Identität verloren hätten und sie sich heute gegen Kinder entscheiden würden. Klar, dass das Thema durch die Decke ging. Sämtliche Zeitungen und Magazine widmeten sich der Studie und die sozialen Netzwerke liefen heiß. Dürfen Frauen sowas sagen? Machen da endlich mal welche den Mund auf? Spinnen die jetzt alle?
„Die Mutterglücklüge“ von Sarah Fischer
Zur Zeit kocht das Thema #Regretting Motherhood erneut auf. Und auch ich habe mich damit beschäftigt: Sarah Fischer, selbstständige Vortragsreferentin und Mongolei-Expertin, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: Die Mutterglücklüge. Regretting Motherhood – warum ich lieber Vater geworden wäre (Affiliate Link). Der Ludwig Verlag hat es mir dankenswerterweise zur Verfügung gestellt und ich habe es im Urlaub gelesen. Mein Resümee: Traurig, die Geschichte über eine Frau, der alles über den Kopf wächst, die einen Burnout erleidet und daraufhin das Bedürfnis hat, endlich etwas auszusprechen, was sie tief in ihrer Seele empfindet: „Ich liebe mein Kind, aber in der Rolle als Mutter könnte ich verzweifeln.“ Gezeigt hat mir diese sehr ehrliche Biografie einerseits, dass es sich in erster Linie Mütter gegenseitig schwer machen. Frauen, die sich von der Meinung anderer „Super-Mütter“ in diesem Maße beeinflussen lassen, haben es tatsächlich nicht leicht, ihr Kinderglück zu genießen. Und nicht jede kann ehrlich dazu stehen, dass sie keinen Kuchen backen und keine Pumphosen nähen kann oder sich wünscht, nicht dauernd auf Spielplätzen rumhängen zu müssen.
Andererseits empfinde ich während des Lesens, dass sich bei so vielen Menschen heutzutage jeder Gedanke um die eigene Persönlichkeit dreht. Alles wird zum eigenen Besten optimiert und geformt. Das Leben soll jedem Einzelnen alles bieten, was drin ist: ein traumhafter Job, ein traumhafter Partner und eine Freizeit voller Entfaltungsmöglichkeiten. Nebenher werden kleine Psychomacken und Nahrungsmittelunverträglichkeiten gehegt und gepflegt und vor sich her getragen wie ein Schoßhündchen in der Handtasche. Da kann es manchmal gut tun, dem eigenen Ego eine Verschnaufpause zu verschaffen. Dazu hat Sabine Rückert in ihrem (umstrittenen) Artikel „Macht euch nicht klein! – Zehn Wahrheiten über junge Frauen“ in der Zeit geschrieben: „Wer ein Kind hat, muss sich von sich selbst verabschieden, den Blick vom eigenen Nabel erheben und in die Ferne richten. Das ist schmerzhaft, aber befreiend.“ Und sie bezieht diese Befreiung nicht nur auf das Kinderkriegen, sondern generell auf die Aufgabe, für andere Menschen Verantwortung zu übernehmen. Das scheint in der heutigen Zeit, siehe Flüchtlingskrise, notwendiger denn je.
Der Buchinhalt
Aber zurück zu Sarah Fischers Buch und zum Thema #Regretting Motherhood. Eine Frau bekommt ein Baby, und anfangs scheint alles perfekt. Toller Mann, tolle Schwangerschaft, Sarah kann ihren Job weiter ausüben und ihr geht es gut. Als das Kind auf der Welt ist, verändert sich alles. Sie empfindet die finanzielle Abhängigkeit von ihrem Mann als unangenehm und fängt relativ schnell wieder an zu arbeiten. Auch, weil ihr der Job so fehlt. An sich ja kein Problem, aber sie hat viele, wie ich sagen würde, komische Freunde und Mitmütter, die ihr reinreden und ihr ein schlechtes Gewissen machen. Oder aber lässt Sarah sich das schlechte Gewissen einfach viel zu leicht einreden? Sie fühlt sich unwohl in Krabbelgruppen oder auf dem Spielplatz, auf dem Mütterkriege um Ernährung, Frühentwicklung und Co toben. Und so wird sie Stück für Stück unglücklicher und beginnt, obwohl ihre Tochter wunderbar ist und Sarah sie sehr liebt, sich nach ihrem früheren Leben zu sehnen. Sie fühlt sich schlecht, weil nicht alles , was Tochter Emma erfreut, auch sie erfreut. Das scheint bei den Müttern in ihrem Umkreis jedoch ausnahmslos der Fall zu sein. Sarah spürt, dass sie die eigene Unzufriedenheit als Mutter nicht ausdrücken darf. Jede kleinste Anmerkung, dass es manchmal ganz schön nervt, dauernd präsent sein zu müssen und einen Haushalt zu schmeißen, anstelle zu verreisen, ist verpönt unter den Rosa-Wolken-Mamas. Auch spürt sie die Ungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen: die einen leben so weiter wie bisher, die anderen finden sich in einer völlig neuen Welt zwischen Spucktüchern und Windeleinerlei wieder. Und damit kann einfach nicht jede Frau freudestrahlend leben.
Viele ihrer Gefühle kann ich nachempfinden. Und vor allem empfinde auch ich selbst die Einmischung anderer als überaus nervig. Sobald frau ein Kind bekommt, reden alle mit. Ob Bäuche betatschen, Kommentare zum Körperumfang, später dann Erziehungs- und Impftipps – auf einmal wird dein Leben und werden deine Entscheidungen von der Umwelt in Frage gestellt oder beurteilt. Dabei schwingt immer dieser Unterton mit: „Eine gute Mutter darf / muss / soll dies und jenes unbedingt oder auf keinen Fall tun.
Oder bilden wir Mütter uns das manchmal auch nur ein und fliehen vor einem Feind, den es eigentlich gar nicht gibt? Sind wir es selbst, die viel zu verunsichert sind in dem, was wir tun? Diese Frage weiß ich manchmal selbst nicht zu beantworten. Sarah schreibt dazu: „Weil ich ein Kind habe, höre ich doch nicht auf, ich selbst zu sein! Doch die Gesellschaft stellt nun völlig andere Ansprüche an mich und urteilt unbarmherzig darüber, was eine Mutter darf und vor allem, was nicht.“ (S. 19)
Im Laufe des Buches beschreibt sie auch das gespaltene Mutterbild, das wir in Deutschland haben. Einerseits soll sich diese aufopferungsvoll um ihren Nachwuchs kümmern. Dieses Mutterbild ist nahezu ein heiliges. Andererseits sind Frauen, die in ihrer Mutterrolle total aufgehen und auf Beruf und Karriere jahrelang verzichten, großer Kritik ausgesetzt und müssen sich Vorwürfe zum Thema Rente, Abhängigkeit von Männern und Berufsfaulheit anhören. Nun ja, da hat frau es bei uns in Deutschland nicht leicht.
Fazit: Nichts bereuen vs. Regretting Motherhood
Ich finde das Buch lesenswert, erkenne mich in manchen Dingen wieder und finde es mutig, dieses Thema anzusprechen. Ich habe großes Mitleid mit einer Frau, die so leidet. Sarah Fischer ging es wirklich schlecht, das erfährt man nicht nur daran, dass sie mit Anfang 40 kurz vor einem Herzinfarkt stand. Ich finde auch, dass eine Frau laut sagen darf, dass sie das Mutterleben nicht als große Erfüllung empfindet.
Allerdings bin ich auch der Meinung, dass wir unser Schicksal doch mehr in der Hand haben, als Sarah Fischer es beschreibt. Ganz besonders in Hinblick auf die Anderen: wir gestalten unser Leben mit Kind so, wie wir es für richtig halten. Ich hätte den Traumauftrag an ihrer Stelle angenommen, der herein trudelte, als Emma noch klein war. Sarahs Mann hatte ihr angeboten, die paar Wochen auf Emma aufzupassen. Aber der Vorwurf einer Freundin, sie verpasse es, wie die Tochter sitzen lernt, stimmte sie um.
In dieser Debatte geht es nicht darum, ob Frauen ihre Kinder lieben. Das tun sie alle, da bin ich mir sicher. Eher geht es um Toleranz denen gegenüber, die anders denken, anders handeln, ihre Kinder anders erziehen als man selbst. Schließlich sollte jede Mutter auch ihr eigenes Glück vor Augen haben, denn nur eine glückliche Mutter hat auch glückliche Kinder. Und so manche Mutter sollte definitiv an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten: sie ist es, die das Leben mit ihren Kindern gestaltet. Und da haben Freunde, Familie und Bekannte kein Recht auf Kritik.
Gestern habe ich in der Zeit passenderweise den Artikel „Gehts noch“ von Susanne Mayer gelesen, die der Debatte #Regretting Motherhood nichts abgewinnen kann. Sie empfindet das Jammern, Nölen und Kreischen der Mütter als Larmoyanz und spricht genau dieses Gefühl von mir an, das ich eingangs erwähnte: es dreht sich einfach auch sehr viel um das eigene Ich. Verantwortung für andere zu übernehmen gehört nunmal zu einem erfüllten Leben dazu, das denke ich auch. Das müssen natürlich nicht zwangsläufig Kinder sein. Aber zu ihnen sagt Mayer so schön in ihrem Schlusswort: „Das Leben unterhalb und oberhalb der Optimierungskruste ist manchmal nur auszuhalten, die besten Kommentare zum „Wie denn?“ liefern Kinder selber, mit ihrer nicht kaputtbaren Energie und diesem durchgeknalltem Lachen, das sie schon als Baby besser können als die Großen.“
Mein Schlusswort: Nichts bereuen und den kritischen Geistern in näherer Umgebung lieber mal ne Windel an den Kopf schmeißen! Viel Spaß beim Lesen und diskutieren. Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
Für mehr Heute ist Musik kannst du ganz einfach auf der Facebookseite auf „Gefällt mir“ klicken oder den Blog abonnieren (hier auf der rechten Seite). Dann gibts noch dem fabelhaften Newsletter (ebenfalls rechts zu abonnieren) und einen Instagram-Kanal für mehr Glitzer im Mama-Alltag.