Feminismus für Mütter: Frauen mit Kindern den Rücken stärken

Feminismus ist ein großes Thema für mich. Ich lese mich gerade quer durch feministische Bücher und höre sämtliche Podcasts . Vor allem aber möchte ich es auf meinen Social Media-Kanälen und natürlich hier auf dem Blog thematisieren, denn es geht uns alle etwas an, dich und mich!

Was bedeutet Feminismus für Mütter?

Dass gerade Mütter Gleichberechtigung brauchen, habe ich schon oft geschrieben. Wieso vor allem Mütter? Und was heißt denn genau Feminismus? Im Prinzip geht es dabei um Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit für alle Menschen. Aber könnte man dann nicht gleich Humanismus sagen? Nein, leider nicht. Ganz gut erklärt hat das Kristina Lunz, Mitbegründerin und Deutschlanddirektorin des Centre for Feminist Foreign Policy, im sehr empfehlenswerten Podcast 100 Frauen von Miriam Steckl:

Genauso wie „black lifes matter“ wichtig ist und wir das nicht einfach „all lifes matter“ nennen, (…) ist das beim Feminismus ganz genauso. Die Rechte einer großen Bevölkerungsgruppe von vor allem älteren, heterosexuellen Männern gibt es seit sehr vielen Jahrhunderten und seitdem werden die gewahrt und die Rechte anderer Gruppen, davon ist die größte politische Minderheit eben Frauen (es gibt noch andere politische Minderheiten), die kämpfen seit Jahrhunderten wie bescheuert, um endlich mal dieselben Rechte zu haben. Deswegen die Betonung darauf.

Schlechte Karten im Job

Ja, leider haben wir nicht dieselben Rechte wie Männer und wenn wir unser Land, in dem wir leben, betrachten, wird das auch ziemlich schnell klar. Wir können wählen, brauchen seit den 70er Jahren nicht mehr das Einverständnis des Mannes, um arbeiten zu gehen und haben ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Im Job sieht es aber noch heute eher mies aus, wenn man sich den Artikel über Diskriminierung am Arbeitsplatz durchliest, der neulich in der Zeit erschien.

Noch mieser wird es für Frauen, wenn Kinder da sind. Dann nämlich landen sie ganz schnell auf dem Abstellgleis, wenn sie aus der Elternzeit zurückkommen, oder wie ich amKopierer, an dem ich Clippings für die Presseabteilung eingescannt habe. Es läuft aber noch viel mehr schief in der Arbeitswelt, darüber habe ich ausführlich in meinem Text „Her mit dem Steak“ auf dem Blog Damengedeck geschrieben.

Zum Beispiel sind es nach wie vor meist Frauen, die sich um die Babys kümmern, sehr oft steigen sie später beruflich nur in Teilzeit wieder ein. Zuhause rackern sie dann an Waschmaschine und Herd und bekommen dafür nur ein paar läppische Rentenpunkte. Die Lücke im Lebenslauf werden sie ihr ganzes Leben nicht mehr füllen können und diese Art von Geldstrafe hat auch einen Namen: „Motherhood Wage Penality“. Das ist übrigens bei Männern anders, sie haben keine finanziellen Einbußen nach der Elternzeit.

Ohne Netz und doppelten Boden

Wir können endlos so weitermachen, wenn es um den Job geht. Klar ist, dass Kinder zu bekommen für viele Frauen einem Seiltanz gleicht. Stell dir zwei Seiltänzer vor, einen Mann und eine Frau. Ihr Seil ist nebeneinander gespannt, aber unter dem Seil des Mannes ist ein Sicherheitsnetz. In der Hand trägt er einen Stab für die Balance und die Zuschauer spenden ihm Applaus. Die Frau dagegen wird mit Bananen beschmissen und ausgebuht: sie ist entweder eine egoistische „Karrierefrau“ oder ein „naives Hausmütterlein“.

Vom Staat allein gelassen

Das Sicherheitsnetz fehlt der Frau beim Seiltanz. Bekommt sie Kinder und die Ehe geht in die Brüche, wird das zu einem existentiellen Problem. Vorher hat sie nämlich wegen der Kinder im Job pausiert und schafft den Wiedereinstieg nur schwer. Mütter mit Kindern werden bei den Bewerbungen nämlich gerne aussortiert, das kannst du in der Süddeutschen Zeitung nachlesen. Ein Recht auf Unterhalt durch den Ex-Ehemann gibt es nicht mehr, da wurden die Gesetze nämlich geändert. Der Einverdiener-Haushalt wird durch das Ehegattensplitting nach wie vor gefördert, was für eine Farce. Geht die Beziehung in die Brüche, muss die Frau also alleine klar kommen. Die Message des Staates: „Toll, wenn du als Frau den Haushalt schmeißt und die Kinder erziehst. Aber wehe, die Ehe geht in die Hose. Dann stehst du nämlich alleine da, denn wie konntest du nur so blöd sein, und den Haushalt zu schmeißen und Kinder zu erziehen?“ Noch viel schlechter sieht es für Frauen ohne Trauschein aus, wenn sie sich nicht selber abgesichert haben.

Alleinerziehende sind meist Mütter

Noch ein weiterer Grund, warum Frauen nicht gleichberechtigt sind und das Problem vor allem Mütter betrifft, habe ich in meinem Text auf Damengedeck beschrieben: „Alleinerziehende haben überdurchschnittlich häufig wenig Geld. Viele von ihnen können unerwartete Ausgaben von etwa tausend Euro nicht stemmen“, schreibt der Tagesspiegel. Und Alleinerziehende sind in Deutschland zu 85% Frauen.“

Gleichberechtigung würde heißen, dass unter Alleinerziehenden der Anteil von Männern und Frauen etwa gleich hoch ist. Es würde auch heißen, dass das Risiko für Arbeitgeber, einen Mann einzustellen, genauso hoch ist wie eine Frau. Denn es könnte sein, dass sich der Mann nach der Geburt eines Kindes für eine gewisse Weile in Elternzeit verabschiedet und dann nicht mit der Familie auf Reisen geht, sondern den Haushalt schmeißt und der Frau den Wiedereinstieg in den Job erleichtert.

Fehlende Altersvorsorge

Viel zu wenige Frauen kümmern sich bisher eigenverantwortlich um ihre Altersvorsorge und das ist ein weiterer Punkt, weshalb wir einen Feminismus brauchen, der sich ausdrücklich auch an Mütter richtet. Frauen sollen selbst entscheiden können, ob sie zuhause bei den Kindern bleiben oder arbeiten gehen, aber es muss thematisiert werden, dass damit ein hohes Risiko einhergeht. Wie sich Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit für eine längere Zeit aufgeben möchten, finanziell absichern, habe ich hier auf dem Blog unter dem Titel #MamasundMoneten beschrieben. Auch Madame Moneypenny beschäftigt sich teilweise speziell mit finanziellen Themen für Mütter.

Kritik an Attachment Parenting

Warum wir außerdem einen Feminismus für Mütter brauchen, wird mir klar, wenn ich mich in den sozialen Netzwerken umschaue. Ich selber finde es wichtig, meine Kinder respektvoll zu erziehen und sie nicht anzuschreien, auch wenn ich daran ehrlich gesagt oft scheitere. Mit Attachment Parenting hat sich ein wahrer Trend entwickelt, der von dem amerikanischen Kinderarzt William Sears ausging. Wie gut, dass wir unsere Kinder heute anders erziehen, Strafen und Drohungen kritisch sehen und sie von klein auf als Menschen mit Bedürfnissen sehen, die es zu erfüllen gilt. Dennoch gibt es Kritik an AP, die auch von großen deutschen Bloggerinnen ausgeht, die sich sehr stark mit bedürfnisorientierter Erziehung beschäftigen. Nora Imlau schreibt auf Edition F über Sears:

Er war als ein evangelikaler, sehr konservativer, auch antifeministischer Mann in den 70er und 80er Jahren sehr beseelt davon, die Mütter in ihre ‚natürlich Berufung’ zurückzuführen – da läuft es mir schon kalt den Rücken runter. Wenn man sich die Entstehung von AP anschaut, dann sieht man deutlich, dass sein Ausgangspunkt ganz klar war, zu sagen: ‚Ach, in dieser modernen Zeit, wo Frauen keine richtigen Frauen mehr sind, muss man dem mal was entgegensetzen, muss man den Frauen wieder beibringen, was ihre auch aus biblischer Sicht richtige Rolle ist: die völlige Mutterschaft, das regelrechte Verschmelzen mit dem Kind.’“

Backlash auf Instagram

Mich selber stört, dass sich all diese Bücher rund um die bedürfnisorientierte Erziehung vor allem an Mütter richten. Frauen sollen ihre Kinder eng am Körper tragen und lange stillen, jedes der Baby-Bedürfnisse befriedigen, sie nicht in fremde Obhut geben und sich kümmern, kümmern, kümmern. Auch wenn das nicht der wahre Ansatz einer bedürfnisorientieren Erziehung ist, wie das Imlau gut erklärt, sondern Eltern auch unbedingt ihre eigenen Bedürfnisse im Blick haben sollten, wird es in der Mütter-Welt auf Instagram so postuliert. Da werden Frauen fürs Langzeitstillen gefeiert, sie fotografieren sich mit Kind im Arm oder Hand auf dem Babybauch. Viele Kinder, geschmackvolle Deko, Stoffwindeln, Kleinkind an der Brust und ein Hoch auf das Hausfrauen-Dasein: dieses Rezept ist die perfekte Mischung für einen erfolgreichen Mütter-Account und für mich ein Schuss ins Knie aller Frauenrechterlinnen. Babys können auch von Papas liebevoll getragen werden, ein Kind wird auch ohne Stoffwindeln und Langzeitstillen groß. All das sind Entscheidungen jeder einzelnen Mutter, aber wer Einfluss hat und viele Followerinnen, sollte sich seiner Botschaften bewusst sein.

Gefühlsarbeit ist Frauensache?

Eine andere Sache, die für den Feminismus wichtig ist, ist das Thema Gefühlsarbeit. Wir Frauen kümmern uns seit jeher um Kinder, um zu pflegende Eltern, um unsere Mitmenschen, und halten damit die Gesellschaft zusammen. Gefühlsarbeit ist wichtig, hält aber auch davon ab, sich um den eigenen Beruf zu kümmern, den Kopf frei zu kriegen und sich in Ruhe zu fragen: wer bin ich und was möchte ich vom Leben?

Was wir brauchen

Zurück zum Thema: wir brauchen einen Feminismus, der sich explizit an Mütter richtet. Damit alle Frauen mit Kindern erkennen, warum Frauenrechte auch sie angehen. Katrin Wilkens hat darüber in der Zeit geschrieben und Forderungen zusammengetragen. Wir brauchen

  • ein gerechtes Steuersystem für Familien
  • hochwertige und gute Kinderbetreuung, die für alle zugänglich ist
  • eine Verpflichtung, den Partner, der zuhause bei den Kindern bleibt, rentenzuversichern

All das seien Themen, die für einen Feminismus, der relevant sein will, wichtig sind, schreibt Wilkens. Ich übernehme ihr Schlusswort:

Für solche Themen muss der modener Feminismus kämpfen. Das sind wir unseren Vorfahren schuldig, die schon so viele andere Kämpfe der Frauenbewegung ausgefochten haben. Und unseren Töchtern. Und ja, auch uns selbst.

Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura

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