Hilfe, das Kind ist krank! Care-Arbeit gerecht teilen

Mama und der Mental Load

Hilfe, das Kind ist krank! Abgesehen davon, dass sich Eltern Sorgen machen, wenn es den Kindern nicht gut geht, läuft der Kopf auf Höchstleistung, wenn die Tochter auf einmal fiebert oder sich der Sohn morgens auf den Teppichboden übergibt.

Dann heißt es nämlich, Kindergarten oder Schule absagen, im Büro Bescheid geben, Termine verschieben, versuchen, durch die Warteschleife am Telefon des Kinderarztes durchzukommen, Tee kochen, Nasentropfen suchen, trösten, kuscheln und das weinende Kind überreden, jetzt doch endlich bitte diesen Fiebersaft zu nehmen. Nebenbei im Kopf überschlagen, was alles an Hausarbeit und beruflichen Projekten liegen bleibt und wann wir das alles wieder aufholen können. Wer übernimmt den Mega-Mental Load, wenn ein Kind krank ist? Oft die Mama!

Die Denkmaschine läuft

Denn die Mutter ist ja entweder sowieso zuhause oder sie arbeitet „nur in Teilzeit.“ Es könnte auch sein, dass sie wie der Papa in Vollzeit arbeitet, sich aber dennoch zuständig fühlt oder alle davon ausgehen, dass die Mama zuständig ist. Meine Freundin Nina Straßner erzählte neulich von einer Mutter, der der Kinderarzt erleichtert gegenüberstand. Er sagte: „Ich dachte, sie seien tot, weil die letzten Male immer Ihr Mann mit den Kinder da war.“ So viel zur Frage, warum sich Mütter denn eigentlich so verantwortlich fühlen….

Wenn Kinder krank sind, zeigt sich das Mental Load-Dilemma besonders gravierend, denn dann gerät die Welt ein wenig aus den Fugen. Leider sind Kinder in manchen Stoßzeiten besonders häufig angeschlagen, gerade wenn es Winter ist und es in der Mäusegruppe von Viren, Läuse und Bakterien nur so wimmelt.

Es ist allerdings ein grober Denkfehler, wenn der Mama die gesamte Care- und Pflegearbeit aufgeladen wird oder sie sich diese selbst auflädt und – das ist der Punkt, unzufrieden damit ist.

Denkfehler Nummer eins:

Die Mutter ist derzeit nicht berufstätig und macht zuhause die unbezahlte Care-Arbeit, weil die Kinder noch klein sind oder besondere Betreuung brauchen. Logisch, dass sie sich um die akuten Patienten kümmert. Es sollte aber klar sein, dass den Haushalt zu schmeißen und kleine Kinder zu betreuen ein Vollzeit-Job ist. Familien-Organisation, Haushalt und KRANKE Kinder betreuen ist eine Vierfachbelastung, die einen nach vier bis fünf Tagen in den Wahnsinn treibt. Ich erinnere mich an Magen-Darm-Infekte, die sich die Kinder gegenseitig weitergaben, während ich mit grummelndem Magen Bettwäsche wusch und inzwischen quitschfidele, aber mördergelangweilte Kinder bespaßen musste. Nach vier Tagen stellte ich meinen Mann vor die Wahl: entweder er nimmt sich mal einen halben Tag frei oder ich wandere aus.

Denkfehler Nummer zwei:

Die Mama arbeitet sowieso nur Teilzeit, dann kann sie ja gleich zuhause bleiben. Das Problem ist, dass Teilzeit-Jobs in unserer Arbeitswelt leider, leider überhaupt keinen guten Ruf haben. Dabei wäre Teilzeit für die meisten Menschen zeitweise die perfekte Lösung, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Leider bedeutet für viele Arbeitnehmer*innen die Bitte um Arbeitszeitreduzierung auch gleich das Aus für die Karriere. Das ist deshalb besonders problematisch, weil sich Männer durch die stereotypen Erwartungen an ihr Geschlecht oft für die finanzielle Versorgung der Familie verantwortlich fühlen und sie aus diesem Grund vor einer Reduzierung zurückschrecken. So lange wir uns also kein Recht auf Teilzeit (für alle) und die nötige Anerkennung derselben erkämpft haben, wäre es gerade für die Teilzeitler wichtig, dass sie nicht die kompletten Kinderkranktage übernehmen. Es könnte nämlich auch heißen: „Du reduzierst für die Familie die Arbeitszeit, also übernehme ich als Ausgleich ein paar Kinderkranktage. Haben wir übrigens schon über deine Rentenlücke gesprochen? Die füllen wir direkt mal mit meinem 13. Gehalt auf!“

Denkfehler Nummer drei:

„Die Kinder brauchen die Mama, also bleibt sie auch zuhause, wenn sie in Vollzeit arbeitet.“ Nein, die Kinder brauchen liebe Menschen, die sie kennen und denen sie vertrauen. Surprise, das trifft auch auf den Papa zu. Wer argumentiert, die Kinder weinten aber, wenn die Mama geht, dem sage ich, dass unsere Kinder immer weinten, wenn der Papa morgens ins Büro ging. Leider war das für Anton nie ein Argument, seinen Chef anzurufen und zu sagen, dass seine Tochter und die beiden Söhne ihn brauchen und er deshalb nicht am Meeting teilnehmen kann.

Also ist es eine gute Lösung für viele Familien, wenn sich Eltern abwechseln mit der Fürsorge, sollten die Kinder krank sein. Denn dadurch ergibt sich folgender Vorteil: Mütter, die ganz alleine die gesamte Familien-Organisation in der Hand haben und als einzige wissen, wo das Turnzeug, die Nasentropfen und das Kaba-Pulver zu finden ist, müssen sich auch dann kümmern, wenn sie mit unangenehmem grippalen Infekt das Bett hüten sollten. Sie geistern deshalb mit Brummschädel und Augenringen in der Küche herum und machen Abendessen oder beantworten Whats-App-Nachrichten in der Kindergartengruppe. Wenn Väter aber ebenso in der Lage sind, die Familie zu organisieren (Übung macht den Meister!), kann Mama ins Bett und sich mal so richtig auskurieren. Oder nach der Grippewelle ein Wochenende zum Wellness fahren. Eine Auszeit haben Eltern nach den Kinderkranktagen nämlich dringend verdient, das gilt selbstverständlich auf für Väter.

Bleib gesund und fröhlich, deine Laura

Ps.: Ich denke, hier wird deutlich, dass alleinerziehende Eltern es am allerschwersten haben. Der Plan ist, dass wir uns nicht nur für mehr Wertschätzung von Care-Arbeit und gleichberechtigter Aufteilung derselben einsetzen, sondern auch für mehr Unterstützung von Alleinerziehenden. Dazu gehört zum Beispiel ein situatives Grundeinkommen, sodass auch sie in der Lage sind, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Und wir können alle etwas tun! „Kann ich dir was vom Supermarkt mitbringen? Soll ich mich heute mal um dein Kind kümmern? Kannst du ein frisches Brot gebrauchen?“ Lasst uns ein Dorf sein, uns gegenseitig entlasten und den Mental Load gemeinsam besiegen.

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