Ich brauche mehr Balance zwischen Kindes- und Elternwohl

Bin ich als Mutter gut genug oder ist da noch mehr drin? Wenn ich Antworten darauf möchte, schaue ich einfach mal ins Ratgeberregal beim Buchhändler meines Vertrauens oder in Elternblogs, Foren oder Printmedien nach. Hier wird mir dann erzählt, warum es noch ziemlich viel Raum nach oben gibt, um eine gute Mutter zu sein. Stimmt, war nicht so brilliant, was ich da letzte Woche abgezogen habe. Ich habe die Kinder viel vor den Fernseher gesetzt und sie waren zu wenig draußen. Ich habe Pommes in den Ofen geschoben und Schoki statt Obst zum Nachtisch serviert. Es kommt aber noch viel schlimmer:

Ich war ziemlich ungeduldig und habe sogar alle Kinder angeschrien. Hatte kein Verständnis dafür, dass mein großer Sohn wie ein Berserker aus der Schule kam und rumgepoltert hat wie ein Wilder. Dabei weiß ich es doch besser. Er muss sich den ganzen Vormittag anstrengen und lieb sein, also lässt er zuhause mal die Sau raus.

Mich hat es so genervt, dass überall Chaos herrschte. Dabei ist es doch klar, dass Kinder beim Aufräumen und Ordnung halten Unterstützung brauchen und ich einfach über ein bissschen Durcheinander hinwegsehen muss.

Knapp daneben ist auch vorbei

Unterm Strich habe ich ziemlich versagt, das kann ich dann in meinen Büchern durchlesen, die auf meinem Regal stehen und die ich allesamt richtig gut finde. Dort ist die Rede davon, dass Strafen nichts bringen (stimmt!), dass Kinder Angst haben, wenn wir sie anbrüllen (ja, der Schreck saß meinen Kindern in den Knochen), dass wir geduldig sein müssen (jaaa, ich weiß doch) und unser Alltag ihre Kindheit ist (jetzt ist aber mal gut!).

Ich liebe meine Bücher sehr, die von guten Menschen mit einer Menge Ahnung von Kindern geschrieben wurden und ich habe viel daraus gelernt. Weil ich nämlich selbst nie mit Kindern zu tun hatte, bevor ich welche bekam, bin ich ziemlich ahnungslos, was Kindererziehung betrifft. Da war nicht viel Instinkt und Muttergefühl, da war eher Staunen über diese kleinen Kinderlein und leider auch Wut darüber, dass meine Ansagen von ihnen nicht befolgt wurden. Anton, der in einer Großfamilie aufwuchs und sich seit Kindesbeinen an um zahlreiche Baby-Kusinen und Mini-Cousins gekümmert hat, wusste, dass man mit viel Humor und Verständnis, Einfühlungsvermögen und ein paar Taschenspielertricks jedes Kind zum Lachen und Mitmachen kriegt. Ich stand da und wunderte mich, warum meine Standpauken und Wuttiraden nichts halfen und musste erst lernen, das Antons Weg der viel schönere und bessere war.

Viel gelernt

Also habe ich aus meinen geliebten Büchern gelernt, lese sie immer wieder durch und merke dann auch, wie ich sofort wieder respektvoller mit meinen Kindern umgehe. Ich sehe vieles wieder durch ihre Augen und kann sie besser verstehen. Dafür bin ich meinen Büchern dankbar.

Aber da ist noch etwas: ein schlechtes Gewissen, das an mir nagt. Die Angst, mit meinem Fehlverhalten der letzten Wochen meine Kinder verängstigt und erschreckt zu haben. Ist etwa unser Vertrauensverhältnis schon gestört, weil ich neulich so fies war? Vorgestern lag ich abends zwei Stunden lang wach und habe mich gegrämt, weil ich meine Tochter in einer Sache rückblickend ganz gemein unter Druck gesetzt habe. Das ist mir nun auch klar und ich finde mich selbst total schrecklich, das kannst du mir glauben. Wäre das passiert, wenn ich in dieser Sache, die genauen Umstände lassen wir mal außen vor, mehr Zeit und Muße, mehr Raum zum Nachdenken und zur Reflexion gehabt hätte? Ich denke, ja.

Unter Beschuss

Als Mama werde ich laufend kritisiert. Wer das nicht glaubt, lese den wunderbaren Text von Andrea Harmonika, bei dem man erst lauthals lacht und anschließend weinen möchte. Hier ein AusZUG:

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Zuger Woche mag deine Mutter auch nicht. Allerdings nicht, weil sie den Prenzlauer Berg auf dem Gewissen hat, sondern weil sie zum Stillen immer zu Ikea fährt.

Jeden Mittag hockt sich deine Mutter nämlich dort zur Primetime ins Restaurant, statt ihrem unappetitlichen Hobby auf der Toilette (oder im fensterlosen Stillzimmer neben der Kackwindeltonne) zu frönen.

Dabei hätte ich ehrlich gesagt auch gerne mal Trost und Verständnis anstatt eine mediale Schelte meiner Elternfähigkeit nach der anderen einstecken zu müssen. In meinen lieben Ratgebern finde ich zwar immer wieder Kapitel, die sich den Eltern widmen, aber sie nehmen maximal ein Fünftel des Inhalts ein. Dabei ist es doch so: wir wollen alle, dass es unseren Kindern gut geht. Ihr Leben ist uns wertvoller als unser eigenes. Aber wir können nur gute Eltern sein, wenn es uns auch gut geht. In der Theorie bin ich die beste Mutter der Welt, in der Praxis ist es an manchen Tagen eine Katastrophe, weil mich Mental Load, die Zerrissenheit zwischen Kindern und Beruf, der Druck auf mich, eine gute Mutter sein zu müssen, frühe Schließzeiten der Kita oder Ärger um die Hausaufgaben wahnsinnig machen. Mütter wie ich, die eher zu den „nervösen Zipfeln“ gehören, wie man hier im Schwabenland sagt, gehen auf dem Zahnfleisch und kriegen dann noch mit dem Holzhammer erklärt, wie sie mit ihrem Geschrei die Kinder unter Druck setzen. Dabei haben wir doch gerade eben gelernt, dass unter Druck nichts mehr geht, oder? Nicht bei den Kindern, aber eben auch nicht bei uns!

Mehr Balance

Darum hätte ich gerne mehr Ausgewogenheit zwischen Eltern- und Kinderbedürfnissen. Du hast vielleicht bemerkt, dass ich hier eher über Mütter als über Kinder schreibe. Das ist mein Beitrag, um ein wenig auszugleichen. Toll macht das übrigens auch Susanne Mireau, die sich viel mit dem Thema Mutterschaft beschäftigt und deren neues Buch Mutter. Sein (Affiliate Link) ich gerade verschlinge. Ich liebe meine Ratgeber, aber ich wünsche mir mehr Raum für Elternbedürfnisse. Meinen eigenen Ratgeber, der im Frühjahr 2020 erscheint, habe ich daher gewürzt mit Tipps, die sich nur an Mamas und Papas richten.

„Statt Eltern zu beschämen und in Schubladen zu stecken, sollte man schauen, wie es ihnen wirklich geht. Denn Kindeswohl gibt es selten ohne Elternwohl. Aber vor lauter Kinderzentrierung wird das bislang kaum bemerkt. Es ist dringend Zeit, auf eine Balance von Kindes- und Elternwohl zu bestehen (…)“

sagt Soziologin Désirée Waterstradt in einem Zeit-Interview von dieser Woche dazu. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Gib auf dich Acht und nimm dir deine Auszeit, vor allem für deine Kinder! Und lass dich nicht unter Druck setzen.

Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura

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