Freiheit bedeutet uns allen viel, denn nur wer frei ist, kann sein Leben zur eigenen Zufriedenheit gestalten. Kinder zu bekommen heißt dann, dass die eigene individuelle Freiheit erst einmal für eine Zeit lang eingeschränkt ist. Ganz besonders natürlich mit einem Baby. Ich selbst war doch einigermaßen erschrocken, wie wenig Schlaf ich anfangs bekam, wie sehr die Bedürfnisse des Kindes mein Leben veränderten und was es eben bedeutet, die Verantwortung zu tragen für einen Menschen, dessen Leben auf einmal so viel wichtiger ist als das eigene.
Meine beruflichen Ketten
Ich habe mich mehr und mehr daran gewöhnt, dass Eltern sein die eigene Freiheit stark einschränkt. Selten denke ich wehmütig an die Tage, die ich so gestalten konnte, wie ich wollte. Dennoch fühle ich mich als Mutter oft gefangen und unfrei, was aber weniger mit den Kindern zu tun hat. Berufliche Freiheit wurde mir mit grundlos befristeten Arbeitsverträgen genommen, die in der Elternzeit ausliefen. Danach habe ich mich mit viel Kraft und Mühe selbstständig gemacht, denn einen Halbtagsjob zu finden ist unglaublich schwer. Noch heute ist es für mich ein Kraftakt, meinen Blog und mein Textbüro zu führen und gleichzeitig nachmittags für die Kinder zuständig zu sein. Momentan ist es sogar besonders schwierig. Mein kleiner Sohn schafft es noch nicht, bis halb zwei im Kindergarten zu sein. Die Erzieherinnnen baten uns, ihn schon um halb eins abzuholen. Weil er dann Hunger hat, muss ich um zwölf Uhr Mittagessen machen und mir bleibt viel zu wenig Zeit zum Arbeiten. Anton muss ins Büro und Oskar in einem anderen Kindergarten anzumelden wäre nach der Eingewöhnung eine Belastung für ihn. Also stecke ich zurück und fühle mal wieder, dass ich als Mutter einfach zu wenig Handlunsspielraum habe, was meinen beruflichen Weg und damit auch meine finanzielle Unabhängigkeit angeht.
Warum es Mütter schwer haben
Wieso fühlst du dich als Mutter unfrei, habe ich neulich auf Instagram gefragt. Es haben mir so viele Mütter geantwortet und mir wurde mal wieder bewusst, wie viel Last auf unseren Schultern liegt. Die eine Mutter muss sich um alles alleine kümmern, die nächste vermisst ihren Beruf, während sie auf das Baby aufpasst. Wieder eine andere Mutter fühlt sich unfrei, weil sie so viel arbeiten muss, aber lieber zuhause bei den Kinder wäre.
Vieles liegt im Argen für Mütter: der berufliche Wiedereinstieg ist oft eine Hürde. Vorurteile von Seiten der Arbeitgeber, zu wenig Teilzeitstellen oder befristete Verträge führen zu schweren Bedingungen. Viele Mütter haben auch Angst, nach dem Wiedereinstieg Beruf, Kinder und Haushalt nicht zu packen. Sie haben nicht unrecht mit ihrer Vermutung, dass sie auch mit einem Job all die Organisation an der Backe haben, das hat gerade eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting ergeben, die aus diesem Grund Arbeitgebern ans Herz legt, Mütter vom Mental Load-Problem zu entlasten. Hier liest du dazu mehr.
Ein anderer Punkt: steigende Mieten und mitunter sehr teure Kinderbetreuungsgebühren führen in manchen Familien dazu, dass beide wie verrückt ackern müssen, um genug Geld zu verdienen. Bei alleinerziehenden Eltern ist das ganz oft der Fall. Eine Menge arbeiten und sich gleichzeitig um Kinder und Haushalt kümmern ist aber unheimlich belastend. Ist das Geld knapp, ist weder Haushaltshilfe noch Babysitter drin.
Papas an den Herd!
Wenn wir über Mental Load sprechen, wird schnell klar, dass Mütter sich unfrei fühlen, weil sie sich immerzu kümmern (müssen). Sich um sich selbst zu sorgen haben viele Frauen nicht oder nur schlecht gelernt und auch ich kenne dieses Gefühl: Eigentlich sollte ich mich abends aufs Sofa setzen und ausruhen, stattdessen räume ich noch die Wäsche weg, sonst haben die Kinder morgens keine frischen Strümpfe. Solche Kleinigkeiten muss ich im Blick behalten, sonst hält ein kleines Steinchen im Rad den ganzen Verkehr auf. Ich habe aber hundert Kleinigkeiten im Kopf und bin es so leid, den Überblick behalten zu müssen. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass sich auch die Väter zuständig fühlen und die Wäsche nicht nur aufräumen, sondern generell für Haushalt und Organisation in der Familie mehr Verantwortung übernehmen.
Gründe, warum sich Mütter unfrei fühlen
Hier kommen die Antworten von den Frauen, die mir geschrieben haben:
1, Ich habe seit Monaten unter diesem Gefühl „unfrei“ zu sein gelitten. Bis ich mitbekommen habe, dass es nur ein Gefühl ist. Jeder Mensch ist frei! Aber leider bekommen wir von außen diesen unglaublich großen Druck. Als mich dann Anfang des Jahres mein Freund verlassen hat (wir haben gerade ein Haus gekauft und eine 1,5jährige Tochter) und mich mit dieser ganzen Last und Aufgabe alleine gelassen hat, habe ich wieder angefangen, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Den Job gewechselt und mich einfach mal mit mir selber und meinen Ängsten auseinander gesetzt und gelernt, mit meinen Ängsten zu leben. Natürlich kann man als Mama nicht mehr alles machen, aber wir sind immer noch frei!
2. Mir fehlt manchmal die Spontanität von früher (ohne Kinder)
3. Eine Kombination aus Unzufriedenheit in der Elternzeit, dass mein Kopf nicht genutzt wird, gepaart mit dem traurigen Beigeschmack, dass Arbeitgeber noch nicht so flexibel sind: Mütter auch in Elternzeit arbeiten zu lassen mit Baby vor Ort (wenn möglich, bei mir wäre es möglich, gibt sogar ein Eltern-Kind-Büro) in Kombination mit Home Office.
4. Für mich ist es definitiv die Sache mit der Erziehung. Ich bin zu Hause bei meinen drei Kindern. Wir leben auf dem Land und mein Mann arbeitet sehr viel, aber das sind absolut keine Gründe, mich unfrei zu fühlen. Die Unsicherheit, wie sich meine / unsere Erziehung auf die Kinder auswirkt, wenn sie mal erwachsen sind, die Angst, Fehler mit Spätfolgen zu machen fühlt sich hingegen an wie Handschellen.
5. Ich fühle mich auch unfrei, leider. Weil man Sachen machen muss, die man in dem Moment nicht machen will. Früher ohne Kids konnte man ausschlafen, einfach nix machen, wenn man kaputt war oder einfach nicht wollte. Jetzt wartet die Wäsche, weil ohne frische Wäsche ist es doof. Kinder wollen essen und Beschäftigung. Alles, was in der Woche wegen der Arbeit liegen geblieben ist, muss erledigt werden… Deshalb habe ich oft schlechte Laune am Wochenende, weil es einfach weitergeht und ich nicht mal nix machen kann. Das Beste am Wochenende ist auschlafen und wenn das nicht geht, ist es für mich schon gelaufen. Was mich auch einsperrt ist, dass ich arbeiten muss. Wegen dem Geld. Viel lieber wäre ich eine Stay-at-home-Mom, aber das geht nicht. Also vormittags arbeiten und nachmittags alles andere. Ich hab manchmal das Gefühl, ich geh unter mit all dem.
6. Ich fühle mich eingeengt, mein Partner ist nur am Wochenende zuhause. Mein Sohn ist auffällig in der Schule. Ich habe das Gefühl, ich habe keine Luft mehr zum Atmen, manchmal fühle ich mich ohnmächtig, müde und erschöpft. Leider habe ich MS und bin auch nicht immer fit. Unterstützung habe ich nur wenig.
7. Ich fühle mich total fremdbestimmt und habe das Gefühl, gar nicht mehr ich selbst zu sein. Ich habe mich bisher noch nie getraut, das zu sagen, weil ich immer dachte, ich sei die Einzige, die das stört. Wenn man keine Kinder hat, stellt man es sich viel leichter vor, sich hinten an zu stellen. Ich dachte immer, es sei für mich ein Leichtes und selbstverständlich, meine Freiheit und mich aufzugeben. ich meine damit nicht, dass ich nicht in den Urlaub fahren kann, wie ich es möchte! Es geht wirklich um alltägliche Sachen! Eigentlich ist ja jeder Tag von den Kindern gesteuert. Ich bin zum Beispiel ein sehr strukturierter und organisierter Mensch (das macht meine Person ein Stück weit aus) Das ist ja mit Zwillingen überhaupt nicht mehr möglich.
8. Unfrei auf jeden Fall. Einmal durchs Kind, da ich fremdbestimmt bin. Nehme ich in Kauf für die paar Jahre und leide nicht darunter. Unfrei ganz deutlich in der Wahl meines Lebensmodells. Mein eigenes Unternehmen ist nicht so strukturiert, dass es für meinen Unterhalt reicht. Also gehe ich arbeiten, bzw. muss wieder arbeiten gehen. Bin noch in Elternzeit. Theoretisch reicht das Gehalt meines Mannes aus. Dennoch muss, soll ich wieder arbeiten. Es geht ja auch um zukünftige Abhängigkeit vom Mann bzw. Altersarmut, wenn was schief geht.
10. Nach der Elternzeit auf langwieriger Jobsuche zu sein und sich dadurch in eine finanzielle Abhängigkeit vom Partner zu befinden. Und sicherlich auch das Gefühl zu haben, jetzt nach abgeschlossener Promotion druchstarten zu müssen, um keine Jobchancen zu verpassen. Dabei wäre es vielleicht total ok für mich, noch zuhause zu bleiben. Der Arbeitsmarkt sieht für mich aber leider nicht allzu rosig aus, deshalb habe ich das Gefühl, da keine sich bietende Möglichkeit verpassen zu dürfen und nicht zu lange Pause zu machen.
11.Ich suche gerade einen neuen Job. Alle Jobangebote für meine Suche gibt es nur in Vollzeit. Ich kann aber nur in Teilzeitarbeit gehen. Ich arbeite gerne in meinem Job, aber die Situation zu Hause lässt es nicht zu. Das macht mich in dieser Richtung unfrei.
Was sich ändern muss
Ich glaube, diese Mütter sprechen für sehr viele andere Frauen da draußen. Und ich wünsche mir Veränderung für mich und für sie!
Mehr Anerkennung für die Care-Arbeit und finanzielle Absicherung für Menschen, die sich um Kinder und Angehörige kümmern. Was ist uns das Kümmern wert? Leider nicht viel, das sieht man auch an der schlechten Bezahlung von Pflegekräften und ErzieherInnen.
Mehr Väter in Elternzeit, sodass das Risiko, einen Mann oder eine Frau einzustellen, die dann wegen der Kinder ausfallen, gleich groß ist. Mehr Jobs in Teilzeit, sodass Arbeitszeitreduzierung nicht automatisch einen Karriereknick bedeuten. Chefs, die sich selbst um die Familie kümmern und mit gutem Beispiel voran gehen. Am besten weg von der 40-Stunden Woche. Spannend ist dazu die aktuelle Brigitte (10/2019) und der Text „30-Stunden-Woche für alle“ von Kristina Maroldt.
Mehr Unterstützung für Alleinerziehende und steuerliche Entlastung. Sich alleine um die Kinder kümmern in Kombination mit Geldsorgen und viel Arbeit führt unweigerlich zu Überlastung. Die meisten Alleinerziehenden sind Frauen.
Gleichberechtigte Elternschaft für alle, die nicht alleine für den Haushalt zuständig sein wollen. Gesellschaftliche Anerkennung dafür, welche Folgen Mental Load hat und dass Frauen nicht selbst schuld sind, wenn sie sich um alles kümmern. Mehr und mehr Väter übernehmen Verantwortung für Arzttermine, Breizubereitung und Wechselsachen im Kindergarten, aber es sind noch viel zu wenige. Es braucht Vorbilder in der Öffentlichkeit, damit sich noch mehr Väter trauen, die Arbeitszeit zu reduzieren, um für die Familie da zu sein.
So, und nun kannst du dir die Müttersprechstunde noch als Podcast anhören und ich hetze nun zum Kindergarten. Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura