Misch dich nicht ein! Eine Ansage

Ist es nicht so, dass es jede Frau, die arbeiten geht, ins Herz trifft, wenn ihr vorgeworfen wird, dass ihr ihre Kinder nicht wichtig genug sind? Und ist es nicht so, dass sich jede Frau gekränkt fühlt, wenn man sie fragt, ob es ihr doch nicht ernsthaft reichen könne, den ganzen Tag für das Kleinkind zuständig zu sein? Warum sehen wir uns dann doch immer wieder mit gemeinen Kommentaren konfrontiert, besonders aus den eigenen Reihen? Und wieso zum Teufel halten wir Frauen nicht lieber zusammen und sorgen dafür, dass wir wählen oder vereinbaren können, wie wir möchten?

Die Kinder sind dir nicht wichtig!

Neulich saß ich während meiner Mütterkur in einer Frauenrunde und wir sprachen über Stress im Alltag. Ich meldete mich und erklärte mein Dilemma:

Ich bin halbtags tätig. Wenn die Kinder kommen, habe ich noch jede Menge To-Dos auf meiner Liste und ich weiß einfach nicht, wie ich die Prioritäten setzen soll. Immer gibt es etwas zu tun und darunter leide ich.

Es meldete sich eine Frau, etwa 15 Jahre älter als ich und fuhr mich im harrschen Ton von der Seite an:

Ist doch klar, wie du deine Prioritäten setzt: am wichtigsten sind ja wohl die Kinder. Außerdem könntest du ja auch ganz zuhause bleiben, wenn dein Mann genug verdient.

Ich war erst einmal platt angesichts dieses Angriffs. In dieser „geschützten“ Gruppe hätte ich so einen Kommentar nicht erwartet, ich dachte, es sollte um Austausch gehen und ich hätte mich über Ratschläge und Ideen sehr gefreut, nicht aber über so einen Spruch. Ich wusste gar nicht, wohin mit meiner Wut. Gerne hätte ich der unverschämten Dame neben mir so einiges entgegengesetzt:

Dass mir meine Arbeit wichtig ist, sie mir Spaß macht und dass ich mir selbst wichtig bin. Ohne meine Arbeit bin ich ein halber Mensch, zu nichts zu gebrauchen. Sie bedeutet mir viel: Kreativität, Unabhängigkeit, Freiheit, Entspannung und noch viel mehr. Dass ich auch arbeiten gehe, um meine Familie im Notfall ernähren zu können. Dass ich berufliche unabhängig sein möchte. Dass ich meinen Rentenzettel gruselig finde. Dass ich leider (noch) keinen Ehevertrag habe und daher ohne meinen Mann direkt beim Sozialamt vorstellig werden müsste. Dass ich Angst habe, alleinerziehend und arm sein zu müssen, falls das Leben nicht so spielt, wie ich es erhoffe.

Rechtfertigen, nein Danke!

Ich wollte ihr auch gerne sagen, dass ich, weil ich den Kindergarten meiner Tocher so toll finde, darauf verzichte, sie in eine Ganztagskita zu bringen, obwohl mir das zeitlich und beruflich entgegenkäme. Dass ich mittags für alle Kinder koche und auf vieles verzichte, damit es ihnen gut geht. Dass jeder Mutter, egal ob oder wie viel sie arbeitet, ihre Kinder über alles gehen und dass es eine Unverschämtheit ist, so mit mir zu reden. Und dass ich mich eigentlich überhaupt nicht rechtfertigen muss. Doch wieso habe ich das Gefühl, es immer wieder tun zu müssen? Habe ich ein Problem mit meiner Art zu leben oder haben andere das Problem?

Hier saßen viele Frauen verschiedenen Alters und alle hatten Stress zuhause. Wegen ihres Jobs oder wegen pubertierender Kindern, wegen kranker Familienmitglieder oder sie hatten Ärger mit ihrem Mann, manche sogar alles zusammen. Meiner Meinung nach sollten wir hier mal darüber sprechen, warum so viele Frauen so fertig sind. Warum sie zuhause oft Erziehungsarbeit und Haushalt alleine machen, warum hier Alleinerziehende sitzen, die weder vor noch zurück wissen, weil sie neben all der Arbeit auch noch Geldsorgen haben. Warum wir Frauen mit Halbtagsjob und Homework mehr als nur 100% arbeiten.

Und wir hier waren ja nur die Speerspitze. Die meisten Frauen schaffen es gar nicht, sich so eine Kur zu organisieren. Oder sie trauen sich nicht. Jedenfalls saßen hier erwachsene Menschen, die ganz schön viel an der Backe hatten und Trost suchten.

Sind berufstätige Mütter keine guten Mütter?

Ich sage dir, was mich am allermeisten schmerzte: der unverhohlene Vorwurf, der für alle arbeitenden Mütter der Genickschuss ist. Nämlich, dass uns die Kinder nicht wichtig genug seien und wir keine guten Mütter wären, weil wir berufstätig sind. Egal, wie tough wir sind, egal wie selbstbewusst, egal wie schlau – das kratzt an der Seele, weil in unserer Gesellschaft das Bild einer Familie festzementiert ist und nur schwer ersetzt werden kann durch die moderne Vorstellung, auch ein Papa kann gut zuhause für die Kinder sorgen.

Den Rest der Stunde saß ich da, war wütend und traurig zugleich und bin hinterher erst einmal eine Runde laufen gegangen. Eines ist mir mittlerweile klar geworden: Es steckt auch ein Nicht-Verstehen dahinter. Heute ist es für viele Frauen in meinem Alter selbstverständlich, arbeiten zu gehen. Das war vor 20 Jahren sicher nicht der Fall, zumindest nicht in Westdeutschland. Auch für meine Mutter und ihre Generation war es ungewöhnlich, mit noch kleinen Kindern arbeiten zu gehen. Für meine Großmutter war das sogar undenkbar. Sie hatte ganz andere Probleme und musste nach dem Zweiten Weltkrieg schauen, dass alle satt waren, dass Haus und Hof wieder aufgebaut wurde. Die Männer kamen nicht immer nach Hause und wenn doch, dann oft mit massiven Kriegstraumata. Für sie galt: sich aufopfern für die Familie. Das gilt überall auf der Welt in Kriegszeiten. Für Me-Time und Achtsamkeit ist da wahrlich kein Platz, das ist klar. Warum dieser Anspruch aber heute für mich gelten soll, ist mir nicht erklärlich.

Dieses Aufopfern für die Familie, das scheinen viele Frauen noch immer voneinander zu erwarten. „Du möchtest arbeiten gehen? Wieso bist du so egoistisch? Deine Kinder brauchen dich doch. Bleib gefälligst zuhause.“ Aber wieso ist es so schwer zu verstehen, dass Frauen ihrem Beruf nachgehen möchten oder in jedem Fall die Wahl haben wollen? Dass sie ihr Leben so gestalten möchten, wie sie es für richtig halten mit den gleichen Rechten und Pflichen wie Männer? Wieso wird mir als Mutter indirekt vorgeworfen, dass mir meine Arbeit scheinbar wichtiger wäre als die Kinder und wieso musste sich mein Mann so etwas noch niemals anhören, auch wenn er mal bis 19 Uhr im Büro war?

Die eine so, die andere so

Auf der einen Seite stehen die Mütter, die arbeiten gehen wollen oder müssen. Auf der anderen Seite gibt es auch genug Frauen, die sich für die Haus- und Carearbeit zuhause entscheiden. Sie sind ebenfalls mit Vorwürfen konfrontiert und nicht wenige fühlen sich unter Druck gesetzt, weil sie ihre berufliche Karriee (zeitweise) auf Eis setzen und die Erwartung der anderen spüren, jetzt doch endlich mal wieder in den Job zurückzukehren. Die schon zuhause genug an der Backe haben und wissen, dass sie die Doppelbelastung einfach nicht schaffen oder nicht schaffen möchten. So wie ich mir nicht vorstellen kann, mich den ganzen Tag nur um meine Kinder zu kümmern, so können sich andere Frauen nicht vorstellen, ihre kleinen Kinder in andere Hände zu geben. Das ist doch auch eine ganz persönliche und individuelle Entscheidung!

Eine einfache Formel

In Sachen Elternschaft ist es doch so: Im besten Fall gibt es da zwei Menschen, die gemeinsam Kinder bekommen. Es muss sich jemand um die Kinder kümmern und dann wird geschaut, wer das machen könnte. Dabei spielen dann finanzielle sowie wirtschaftliche Gründe und Befähigungen eine Rolle. Läuft alles gut, einigen sich die beiden und teilen Geld, Risiko und Betreuung der Kinder so auf, dass alle einigermaßen zufrieden und versorgt sind. That`s it! Ob Mann oder Frau dann zuhause bleiben, sollte egal und ausschließlich ihre eigene Angelegenheit sein.

Gleichberechtigung, von wegen!

Ich ärgere mich über die Dikriminierung von Frauen. Sie werden immer noch, auch hier in Deutschland, viel zu oft Opfer von Gewalt, werden sexuell diskriminiert (#Metoo) oder belästigt. Haben es im Job schwerer, weil sie Mütter werden könnten, werden schlechter bezahlt und haben ein enormes Risiko, im Alter arm zu sein. Wäre es da nicht sinnvoll, sich (mit den Männern) zusammen zu tun und gemeinsam für eine Wahlfreiheit zu kämpfen? Wir müssen uns nicht mehr aufopfern wie unsere Großmütter, was für ein Glück!

Im Übrigen kam nach der Gesprächsrunde eine andere Frau auf mich zu und hatte einen total guten Rat für mich. „Denk doch mal über ein Job-Coaching nach. Da kannst du vielleicht lernen, beruflich Prioritäten zu setzen. Ich glaube, das würde zu dir passen.“ Ich habe die Frau feste gedrückt und war froh über den guten Rat. Denn tatsächlich leide ich unter der Doppelbelastung und suche nach einer Lösung, wie Anton und ich Job und Kinder besser vereinbaren können.

Der gute Weg

Sich gegenseitig respektieren und unterstützen, den Lebensweg der anderen nicht kritisieren, sondern gemeinsam nach Lösungen suchen. Keinem Elternteil jemals absprechen, dass die Kinder ihm nicht wichtig genug wären, denn das schmerzt jeden. Anderen Frauen einen Weg zugestehen, den man selbst nicht einschlagen würde. Und diesen nicht als Kritik am eigenen Weg zu sehen – das wäre mein Wunsch für die Zukunft. Vor allem aber müssen wir Frauen uns nicht aufopfern, weil wir Frauen sind. Egal ob im Job, für die Kinder oder für die Vereinbarkeit von beidem.

Bleib fröhlich und unperfekt und lass dir nicht reinquatschen,

deine Laura

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