Muttertag? Ich kann es nicht mehr hören! Meine Kinder waren natürlich unglaublich süß, als sie vor mir standen mit ihrer selbstgemachten Gänseblümchen-Salbe aus dem Kindergarten. Aber dieses ganze Tamtam in den Geschäften, pinkfarbene Fußhobel und Bügeleisen als Geschenkempfehlung, Plakete mit der Aufschrift „Zeit, mal Danke zu sagen!“, dieses ätzende Supermarkt-Video, das zum Glück einen ordentlichen Shitstorm ausgelöst hat… mich hat das alles so richtig auf Krawall gebürstet!
Wo bin ich falsch abgebogen?
Vielleicht liegt es daran, dass schon meine eigene Mutter den Muttertag doof fand. Oder daran, dass unser Vater mir und meiner Schwester Kinderkassetten kaufte mit Titeln wie „Mädchen, lasst euch nicht verbieten, was ein Junge machen darf.“ Jedenfalls bin ich es leid, einmal im Jahr gefeiert zu werden, um am Tag darauf gleich wieder alles an der Backe zu haben. Mütter, das sind doch diese Frauen, die sich um alles kümmern? Das sind die, die die Kinder nicht nur auf die Welt bringen, sondern danach alle Pflichten rund um Kind, Küche und Kalender übernehmen. Ja, ich habe gesagt, ich bleibe 12 Monate nach der Geburt zuhause, aber wann habe ich unterschrieben, dass ab jetzt und für alle Zeit ich und nicht Anton die Ansprechperson für alle Kinderangelegenheiten bin? Dass ich meine Arbeitszeit für Jahre reduziere, eine lächerliche Rente erwarten kann und mich oft fühle, wie der Depp vom Dienst? Wo bin ich falsch abgebogen oder habe nicht aufgepasst? Oder ist es vielleicht doch so, dass nicht ich die Schuld an all dem trage, sondern die Bedingungen das Problem sind, unter denen wir heute Mutter werden?
Schlechte Bedingungen
Gut 100 Jahre nach Erfindung des Ehrentags lässt sich sagen: Schon am Montag danach werden viele Mütter kaum noch gefeiert, jedenfalls nicht an ihrem Arbeitsplatz. Dort gelten sie manchem Vorgesetzten offenbar weiter als Beschäftigte zweiter Klasse…
schreibt diese Woche Alexander Hagelüken in der Süddeutschen Zeitung online.
Es ist also nicht nur so ein komisches Gefühl von mir, dass ich als Mutter in der Arbeitswelt nur noch ein halber Mensch bin. Mittlerweile dürfen Mütter arbeiten und der Ehemann kann nicht mehr das Arbeitsverhältnis kündigen, wie bis in die 70er Jahre. Aber auch wenn viele Mütter heute ihren Beruf ausüben, so bleibt nicht selten der Großteil des Haushalts an ihnen hängen. Das liegt keineswegs nur an den Männern. Das liegt vermutlich auch am Verantwortungsgefühl, am sich Kümmern-Müssen-Zwang und an komischen Vorurteilen, ein Kind brauche seine Mutter und nur sie, nicht vielleicht auch mal den Vater. Und so wird nach dem Büro noch fleißig im trauten Heim weitergeschuftet. Im Büro bekommen die Mütter aber keine Hochachtung, weil sie neben dem Job auch noch die Familie organisieren. Im Gegenteil: sie werden nicht richtig ernst genommen, denn sie arbeiten ja „nur“ Teilzeit und sind bei den wichtigen Meetings Mittwoch um 16 Uhr gar nicht dabei. Arbeiten sie ganztags, schütteln hinter ihnen die Kollegen die Köpfe: „Die armen Kinder, sind sicher von morgens bis abends in einer Kita.“ Wusstes du, dass es nachgewiesen ist, dass Mütter, die schnell nach der Geburt wieder arbeiten gehen wollen, bei Bewerbungen einen schlechten Stand haben? Das bestätigt ein Studie, über die Spiegel Online berichtete. Sie werden von Arbeitgebern als egoistisch und feindselig wahrgenommen. Generell bleiben Bewerbungen von Müttern eher unberücksichtigt, schreibt die Süddeutsche.
Schwere Last
Mütter sind meist zuständig für all den Orgakram rund um Arzttermine, Kindergarten und Schule. Hier habe ich darüber geschrieben, wieso Mental Load zur großen Last wird. Aber wir bürden uns nicht nur selbst all das Zeug auf, es ist auch die Gesellschaft, die die Care-Arbeit weiterhin der Mutter zuschreibt. Bewusst wurde mir das neulich, als ich einen Brief aus der Schule bekam. Die Lehrer meines Sohnes baten darum, dass sie bitte noch ein paar Mütter brauchen, die die Klasse beim Schulausflug begleiten sollen. Auch im Kindergarten wird als erstes nach der Handy-Nummer der Mutter gefragt, die dann in den WhatsApp-Chat aufgenommen wird, damit nach und nach Kuchen, Klopapierrollen und Tempospenden erbeten werden, die selbige dann auf der To-Do-Liste notieren, besorgen oder backen muss. Der Vater bekommt dann von all dem nichts mit.
„Die geistige Arbeitsbelastung von Frauen, die entsteht, weil sie sich mehr Gedanken um Haushalt, Kinder und so weiter machen als Männer“ (Zeit Nr. 20, S. 61, „Vieles ist noch oldschool in der Doris“), ist nicht nur selbstverschuldet, sondern es ist ein Massenphänomen und findet seinen Weg zum Glück endlich in die Medien. Für mich ist der einzige Ausweg daraus, dass sich Eltern die Care- und Hausarbeit mehr und mehr teilen und das geht eben dann am besten, wenn nicht einer voll-, sondern beide reduziert berufstätig sind. (Siehe mein Text zur Gleichberechtigten Elternschaft). Aber auch wenn das nicht möglich ist, sollten Väter Verantwortung für die Organisation übernehmen, Kinderarzttermine wahrnehmen oder den Sommerurlaub planen.
Für alles zuständig und hinterher arm und einsam
Viele Mütter übernehmen den Großteil der Kinderbetreuung und des Haushalts – ein aufwendiger Job, der wenig Anerkennung findet und nicht bezahlt wird, im schlimmsten Fall aber zu Einsamkeit und Altersarmut führt. Doris Schröder-Köpf sagt dazu im aktuellen Zeit-Interview (Nr. 20, S. 60f):
Aus meiner Generation sind vor allem die Frauen arm dran, die an Liebe und Treue geglaubt haben…(…) Diese Frauen haben für die Familie auf Berufstätigkeit und Kinder verzichtet, haben Teilzeit oder unbezahlt in der Familie gearbeitet, sich um die Kinder und Angehörigen gekümmert. Vielen dieser Frauen, die dann geschieden wurden, droht Altersarmut. Noch dazu bekommen sie vermittelt: Ihr seid selber schuld. Ihr hättet einer bezahlten Tätigkeit nachgehen können. (…) Für weitere Frauengenerationen müssen wir das unbedingt verhindern.
Wer im Alter arm ist, kann nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, kann nicht ins Konzert gehen oder mit der Seniorengruppe in den Urlaub fahren. Es fehlt an Geld für gute medizinische Versorgung, für einen vernünftigen Alterswohnsitz oder einen Rollator, der nicht wackelt. In einem berührenden Zeit-Artikel über Altersarmut bei Frauen, die sich ein Leben lang gekümmert haben, heißt es über verarmte Rentnerinnen:
Manche heizten nur noch ein Zimmer in der Wohnung, kündigten das Zeitungsabo oder den Sportverein, fuhren nicht mehr mit dem öffentlichen Verkehr, suchten den ganzen Tag nach billigen Lebensmitteln, kochten Kohlrabiblätter aus, die im Supermarkt weggeworfen wurden, oder ließen ihre Zahnschmerzen nicht mehr behandeln. Die Geschenke für die Enkelkinder fielen aus, besonders bitter für diese Frauen, die immer weiter die Gebenden sein wollen.
Selber schuld?
Es ist nicht wahr, dass wir Mütter schuld sind am eigenen Dilemma. Ich selbst habe lange gedacht, ich wäre nicht gut genug, als mein Arbeitgeber in der Elternzeit meinen befristeten Vertrag auslaufen lies. Ich habe gedacht, ich habe einfach zu schwache Nerven, weil mir mein Halbtagsjob, die Organisation und die Kinderbetreuung zu viel wurden und ich habe gedacht, ich kann einfach nicht mit Geld umgehen, weil ich zu wenig davon auf dem (Renten-)Konto habe. Aber langsam dämmert es mir: ich bin nicht schuld daran. Aber ich bin schuld, wenn ich mein Schicksal nicht selber in die Hand nehme oder meiner Tochter vorlebe, dass ich mich als Frau immer schuldig fühle und die miesen Umständ akzeptiere.
Mütter, werdet wütend!
Was fordere ich also zum Muttertag? Ich fordere eine Revolution. Leider wird die nicht von alleine geschehen und wenn wir nicht tätig werden, haben wir Mental Load, Gender Pay Gap und eine miese Mütter-Rente weiterhin am Hals. Leider, das muss ich uns Frauen sagen, müssen wir in den sauren Apfel beißen und für Ärger sorgen. Ich weiß, wir sorgen lieber für Harmonie und Ausgeglichenheit und versuchen krampfhaft, unsere Nerven mit Achtsamkeitsübungen und zur Not mit einer Mütter-Kur zu beruhigen. Aber wir müssen uns streiten, wir müssen diskutieren und den ein oder anderen nerven, wir müssen es aushalten, dass mal keine Harmonie herrscht, sonst wird sich nichts ändern.
Frauen in der Rentenfalle.“ Und auch Sabine Rennefanz sieht die Lösung aus dem Dilemma nur darin, dass Frauen endlich wütender werden, im ersten Schritt zuhause, dann in der Öffentlichkeit. Das kannst du im spannenden Podcast von Little Years nachhören.Meine Forderungen zum Muttertag
Bessere Arbeitsbedingungen für Eltern
Dann schlage ich vor, wir fordern bessere Arbeitsbedingungen für Mütter und Väter. Mütter sollen nach Geburt und Elternzeit die Möglichkeit haben, wieder in den Job zurückzukehren und müssen sich nicht wie ich mit Aushilfstätigkeiten begnügen. Männern soll es einfach gemacht werden, in Elternzeit zu gehen, auch über die zwei Monate hinaus. Dafür brauch es Vorbilder und das ist ein Punkt, in dem uns die Männer am besten unterstützen können. Werdet Vorbilder, ihr Papas! Oder schaut euch tolle Vorbilder an. Christian Hanne vom Familienbetrieb, die Twitter-Koryphäe und bekannt für seine Familientweets, zeigt in seinen Büchern, wie prima das klappt, wenn der Papa zuhause bleibt. Hier erzählt Hausmann Arne auf dem Blog StadtLandMamas vom Rollentausch und die Zeitschrift Men`s Health Dad thematisiert moderne Väterrollen und neue Wege für Teilzeit im Job.
Vielleicht ist es irgendwann üblich, dass Eltern reduziert arbeiten und ihnen dennoch kein Karriereknick droht. Für meine Kinder würde ich es mir sehnlich wünschen. Auch eine Idee: Wie sich zwei Personen eine Arbeitsstelle teilen und so Beruf und Familie vereinbaren, erzählen diese beiden Mütter hier.
Verantwortung teilen
Ich schlage außerdem vor, dass wir noch stärker darauf aufmerksam machen, dass wir Mütter nicht all den Orga-Kram alleine erledigen wollen. Dafür muss die ein oder andere Mama vielleicht auch mal zuhause auf den Tisch hauen oder einen kleinen Streik anzetteln. Ein freundlicher Hinweis, dass auch Papas die Schulklassen begleiten und Handynummern für den Notfall im Kindergarten deponieren können, wäre eine erste Idee. Eine empfehlenswerte Adresse zum Thema Mental Load ist der Blog von Patricia Cammarata sowie ihr Podcast „Mit Kindern leben“, den sie zusammen mit Caspar Mireau betreibt, speziell die Folge zum Thema Mental Load.
Finanzen klären
Außerdem müssen wir Frauen uns einsetzen für unsere finanzielle Unabhängigkeit. Mütter, die lange zuhause bleiben oder ihre Arbeitszeit über Jahre reduzieren, können sich bei der Deutschen Rentenversicherung vorrechnen lassen, wie hoch der Verlust in der Rente ist. Diese Differenz könnte das Paar dann gemeinsam beiseite tun und für die Frau anlegen. Mehr Infos dazu findest du bei mir unter der Rubrik MamasundMoneten.
Mädchen sollen gefallen: und zwar sich selbst!
Ich finde es außerdem wichtig, unseren Mädchen beizubringen, dass sie es nicht den anderen Menschen recht machen müssen, sondern sich selbst. Meine Oma predigte mir: „Sei wie ein Veilchen im Moose, sittsam, bescheiden und rein.“ Dass noch einiges von diesem Veilchen in uns steckt, zeigt die Aufopferung, die wir so oft an den Tag legen. Meine Luise soll eine stolze Rose sein. Sie soll wissen, dass sie als Mädchen nicht sittsam und bescheiden sein muss. Dass das Ziel ihres Lebens nicht ist, auf den Prinz zu warten, wie in so mancher Disney-Schmonzette gezeigt wird. Lesenswert dazu ist Caroline Rosales: Sexuell verfügbar. Unsere Jungs sollen lernen, dass sie nicht unweigerlich eine Familie ernähren müssen, sondern sich diese Verantwortung auch mit ihrer Partnerin teilen können. Sie können Gefühle zeigen und sind vor allem dann tolle Männer, wenn sich sich nicht zu schade sind für Haushalt und Kinderbetreuung.
Feminismus für Mütter
Ich fordere einen Feminismus, der auch die Mütter im Blick hat. Worum soll es da gehen? Zunächst einmal um Entscheidungsfreiheit, dass Mütter ihr Elternleben so gestalten können, wie sie sich das vorstellen, natürlich in Abstimmung mit dem anderen Elternteil. Die Freiheit zu wählen und die gleichen Chancen zu haben, das ist Gleichberechtigung, die Frauen und in erster Linie Müttern meist fehlt. Feminismus darf so wichtige Elemente wie die wirtschaftliche und finanzielle Gleichberechtigung nicht vergessen, forderte auch Katrin Wilkens in der Zeit Nr. 19 unter dem Titel „Fehlgelenkte Bewegung.“ Zum Glück ist die #MeToo-Bewegung so stark, aber Feminismus ist noch mehr als das. Wir brauchen einen Feminismus, von dem sich jede Mama angesprochen fühlt, auch die, die sich um die drei Kinder zuhause kümmert, weil ihr Mann als evangelischer Pfarrer den ganzen Tag in Sachen Seelsorge unterwegs ist . Von dem sich auch eine alleinerziehende Mutter angesprochen fühlt, die sich ein Bein ausreißt, weil sie wirklich ALLES alleine macht und nie Zeit für sich, dafür aber eine große Chance hat, im Alter sehr arm zu sein.
Lasst uns diesen Muttertag nutzen und uns beschweren. Lass dich nicht einschüchtern, wenn einer sagt, das wäre Gemecker oder woanders hätten es die Menschen viel schlechter. Mit diesem Argumenten lassen wir Frauen uns nun schon lange genug mundtot machen. Feminismus kann nerven, aber das muss er auch. Denn die Macht gibt Niemand gerne ab. Wir wollen nicht die Macht für uns, wir möchten sie uns teilen mit der Männerwelt, das ist die Forderung, die dahinter steckt. Wer hierzu mehr wissen möchte, lese Sophie Passmanns Buch „Alte weiße Männer.“
Wir sind alle gerne Mutter, aber die Bedingungen sind nicht fair. Zusammen mit den Vätern können wir gemeinsam dafür sorgen, dass diese sich ändern. Es gibt bereits viele Unterstützung und tolle Vorbilder im Netz. Susanne Mireau und Nora Imlau zeigen, das bedürfnisorientierte Erziehung nicht nur Sache der Mutter ist, sondern gleichberechtigt gelebt werden kann. Juramama Nina Straßner prangert Misstände in der Gesellschaft an und schreibt Texte, die aufrütteln. Der SZ-Familie-Newsletter hat gute Lese-Tipps und PinkStinks macht aufmerksam auf die Werbewelt, die Mädchen pinke Überraschungseier und dämliche Mottoshirts verkaufen will.
Ich wünsche dir einen schönen Muttertag und lass uns auf die Straße gehen. Es reicht!
Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura
Hast du Lust, mehr zu hören? Dann kannst du „Lauras Müttersprechstunde“ als Podcast bei Itunes und Co abonnieren.
Übrigens freue ich mich riesig, wenn du mein Glücksläufer-Projekt von der CFI-Kinderhilfe unterstützt. Unter dem #Mutterlauf laufe ich gegen den Stress und für Kinder in Not. Alle Infos findest du hier.