Die Entscheidung für ein Kind

Nichts zu bereuen und ein Grund, es anders zu machen

Ich habe schon einige Dinge bereut! Mir mit 12 Jahren die Haare abzuschneiden, so manches Date in meiner Jugend oder die Entscheidung, ein rein geisteswissenschaftliches Fach zu studieren. Niemals aber habe ich bereut, Mutter zu werden. Eines würde ich allerdings anders machen, wenn ich noch einmal mit dem besten Mann der Welt voller Vorfreude und Ungeduld beschlossen hätte, eine Familie zu gründen:

Mit ihm über unsere berufliche Zukunft zu reden, über Haushaltskram und Arbeitsaufteilung. Das hatte ich nicht auf dem Schirm, als ich mit 27 Jahren schwanger wurde. Ich machte mir Gedanken um den richtigen Namen für das Kind, um den besten Kinderwagen und schadstofffreie Wickelunterlagen. Wie es aber mit mir in den nächsten Jahren so weitergehen sollte, das habe ich ausgeblendet. Ich habe ein Jahr Elternzeit beantragt, danach wollte ich in Teilzeit wieder arbeiten gehen. So machen es schließlich viele, oder?

Alles wie gewohnt

Wir wollten irgendwann ein zweites Kind, auch da habe ich nicht mit Anton darüber gesprochen, wer sich eigentlich um das Kind kümmert. Wir gingen beide davon aus, dass wir es so machen, wie gewohnt: das Baby kommt auf die Welt, der Papa nimmt zwei, die Mama 12 Monate Elternzeit, sie geht halbtags arbeiten, der Papa verdient mit einem Fulltime-Job den Großteil des Einkommens. Dass es auch andere Wege gibt, auch wenn das Gehalt sehr unterschiedlich ist, haben wir keinen Momen in Erwägung gezogen. Ich verlor dann meine Stelle, weil der Vertrag in der Elternzeit auslief, war mit zwei Kindern zuhause und mit dem Haushalt sowie den ganzen Erziehungsangelegenheiten völlig überfordert. Mir fehlte mein Job, dafür hatte ich eine Menge unbezahlter Arbeit am Hals, die ich nicht so gerne mache. Eine Änderung der Situation war nicht in Sicht und ich fragte mich: an welchem Punkt meines Lebens hatte ich nicht aufgepasst? Ich fing dann an, freiberuflich zu arbeiten und irgendwann wollten Anton und ich unsere Familie mit einem dritten Kind komplett machen.

Dieses Kribbeln im Bauch

Dieser Wunsch nach einem Kind ist ja nicht immer so leicht erklärbar, er ist da und der Gedanke an ein weiteres Baby ist aufregend, schön und erzeugt ein Kribbeln im Bauch. So kommt es sicher auch, dass sich künftige Eltern von diesem Kribbeln verführen lassen und die Zukunft und all die Arbeit, die anfällt, weit von sich schieben. Wird schon irgendwie, kriegen wir doch hin. Klar, jedes Kind ist so unglaublich bereichernd, dass jede durchwachte Nacht, jeder Nervenzusammenbruch, jedes „ich kann einfach nicht mehr-Gefühl“ belohnt wird mit Liebe und Glück darüber, dass dieser wunderbare kleine Mensch da ist. Noch heute gucke ich unseren kleinen Oskar an und bin froh, dass wir dieses Abenteuer gewagt haben.

Mama allein zu Hause

Jetzt kommt mein Aber: in sehr vielen Familien bleibt die Arbeit rund um Kinder und Haushalt zu großen Teilen an den Frauen hängen. Einerseits gibt es immer mehr Eltern, die sich gleichberechtigt kümmern wollen, Väter, die länger Elternzeit nehmen und kein Problem damit haben, den Haushalt als ihre Angelegenheit zu sehen. Vor allem in meiner Social-Media-Bubble und in so manchen Bloggerfamilien gibt es zuhauf Familien, in denen nicht automatisch die Frau zuständig ist für Baby, Waschmaschine und Küche, sondern in denen all das je nach Bedarf und Können und nicht automatisch nach Geschlecht  verteilt wird. Andererseits ist außerhalb dieser Bubble alles beim Alten und meinen Freundinnen geht es wie mir. Die eine leidet darunter, die andere nimmt es hin, da sind die Menschen sehr unterschiedlich. Aber mehrheitlich ist es so, dass die Frauen zuhause zuständig sind: sie kümmern sich um das Baby, fühlen sich oft alleine und einsam mit dieser neuen und gewaltigen Aufgabe, warten darauf, dass der Papa endlich abends nach Hause kommt und sie ihm das Kind in den Arm drücken können und müssen die Hausarbeit oft alleine machen, weil: sie sind ja sowieso zuhause. Kriegen das nächste Kind, sind zuständig für Kita-, Schul- und Geburtstagsangelegenheiten und weil das doch so bequem war (für wen nochmal?), bleibt alles beim Alten. Manche gehen halbtags arbeiten, manche ahnen, dass sie einen Job zusätzlich nicht auch noch schaffen. Die wenigsten Frauen arbeiten wieder in Vollzeit und ist dies der Fall, können sie mit ihrem Partner ein Lied davon singen, was passiert, wenn das Kartenhaus aus Kinderbetreuung und Zeitmanagement einmal einstürzt. Gründe dafür wird es massenhaft geben.

Freiwillig Entscheidungen treffen

Es gibt Frauen, die machen sich all diese Gedanken und entscheiden sich bewusst für die Arbeit zuhause. Sind sie zufrieden, nicht laufend überfordert und außerdem finanziell abgesichert (zum Beispiel durch einen Ehevertrag, der ihnen im Falle einer Trennung zusichert, die finanziellen Einbußen durch die Kindererziehung zurück zu bekommen und / oder durch eine ordentliche Altersvorsorge, finanziert vom erwerbstätigen Partner), ist das ja durchaus ein prima Modell. Eltern sollten ihr Leben so gestalten können, wie sie möchten und eine Frau, die freiwillig und mit Hingabe die Care-Arbeit macht, die nicht zurück in ihren alten Job will und in der sich die Familien das auch leisten kann, lebt ja ein selbstbestimmtes Leben. Ist dies aber nicht der Fall und die Mutter macht die Hausarbeit mit Widerwillen oder sitzt ungewollt in einer Teilzeitfalle, dann wird das in naher Zukunft negativen Einfluss auf sie selbst, womöglich auch auf die Beziehung und damit auf die ganze Familie haben.

Es hält sich eines bis heute wacker: dieses vorgestrige Bild einer Familie. Die Frau hält dem Mann automatisch den Rücken frei, weil sie eben eine Frau ist, sie ist die Kümmerin und managt alle Angelegenheiten, die Haushalt und Kinder betreffen. Wenns gut läuft, „hilft“ der Mann im Haushalt und übernimmt am Wochenende auch mal die Kinder. Das Ergebnis sind Mütter, die unter Mental Load leiden, die ein schlechtes Gewissen haben, weil sie ausgelöst von dem Stress die Kinder anschreien und dann meinen, auch noch eine schlechte Mutter zu sein.

Reden, reden, reden

Was also würde ich anders machen? Was würde ich Frauen raten, die ein weiteres Kind möchten oder gemeinsam mit ihrem Partner die Familiengründung beschließen? Ich würde mich mit Anton zusammensetzen und überlegen, wie unser Leben aussehen soll. Wie werden die nächsten Jahre für uns, was ist mit unseren Jobs, wer kümmert sich um die Kinder? Ich würde nicht mehr selbstverständlich davon ausgehen, dass wir in die traditionellen Rollen schlüpfen. Denn ich mag meinen Job und möchte Geld verdienen. Unser Ziel würde es sein, dass wir ein Modell finden, das beiden Zufriedenheit verschafft. Sollte einer unglücklich sein, könnten wir uns neu ausrichten. Wir könnten überlegen, ob es finanziell möglich wäre, dass wir beide weniger arbeiten. Berechtigte Ängste, dass eine zeitweilige Reduzierung der Arbeitszeit Auswirkungen auf die Jobsicherheit und die berufliche Zukunft hätte, könnten wir ansprechen und das Risiko gemeinsam abschätzen. Wir würden besprechen, ob wir vielleicht in den nächten Jahren weniger Urlaub machen und erstmal kein neues Auto brauchen sowie auf eine eigene Immobilie verzichten, dafür weniger arbeiten und mehr Zeit für die Kinder und den Haushalt haben. Ich selber würde auf jeden Skiurlaub, auf jedes neue Sofa verzichten, könnten wir damit diesen Vereinbarkeitswahnsinn reduzieren.

Natürlich ist auch für viele Männer so eine neue Idee nicht einfach. Sie wuchsen auf mit einem männlichen Vorbild, das für das Einkommen zuständig war. Sich davon zu lösen, als Mann alleine für die Kohle verantwortlich zu sein, ist sicher nicht einfach. Aber auch diese Last läge bequemer auf mehreren Schultern. Daher brauchen wir mehr Vorbilder für unsere Jungen, damit sie sich als Erwachsene nicht automatisch wieder in dieser Rolle vorfinden, sondern mit ihrer Partnerin (oder ihrem Partner) gleichberechtigt überlegen, wer am besten was macht, wenn Kinder dazu kommen sollen.

Gleichberechtigte Elternschaft

Daher rate ich Eltern (in spe) dringend, sich über solche Fragen Gedanken zu machen. Dabei sollte unwichtig sein, was die Gesellschaft erwartet, was die Schwiegermutter gerne hätte oder die Freundinnen denken. Einzig und alleine das Paar muss abschätzen, wie es das alles so auf die Reihe kriegen könnten. Job und Kinder, Haushalt und Organisation, das alles zu vereinen ist für Mütter und Väter immer eine Herausforderung. Dass mit Kindern diese Belastung, ein gewisses finanzielles Risiko und berufliche Einbußen (für beide!) einhergehen, das war und ist so und wird sich vermutlich so schnell nicht ändern. Wichtig ist, dass Eltern einen Weg finden, in dem sie ihre Vorstellung von einem guten Leben möglichst erfüllt finden.

Noch ein Kind?

Neulich fragte mich auf Instagram eine Mutter, wie man sich denn für ein weiteres Kind entscheiden soll, wenn man sowieso schon überlastet ist. Ich würde sagen, Überlastungszustände sind mit Kindern völlig normal und sollten, solange sie auch wieder vorbei gehen, uns nicht davon abhalten, einen Kinderwunsch zu erfüllen. Ich würde aber in jedem Fall raten, sich vorher zu besprechen. Auch wenn die Mutter ganz klassisch erst einmal nicht arbeitet, wird sie mit einem weiteren Baby ordentlich was zu tun haben. Ist dann der Vater bereit, seinem Chef klarzumachen, dass er zuhause gebraucht wird? Kann er mitanpacken und früher aus dem Büro gehen? Gibt es Eltern oder Schwiegereltern in der Nähe, die helfen können, falls ein Schichtdienst oder strenge Chefs Gleitzeit unmöglich machen? Ist der Vater bereit, am Wochenende auf die Fußballrunde mit den Kumpels zu verzichten, um seiner Frau ein paar Stunden Auszeit zu gönnen? Oder wird er, wenn er auf die große Karriere und ein höheres Gehalt nicht verzichten möchte, seine Partnerin dafür mit Babysitter und Haushaltshilfe entlasten?

Wäre er bereit, beruflich zurückzutreten und seiner Frau den Weg zurück in den Beruf zu überlassen, wenn sie das möchte? Würden sie beide dafür die finanziellen Einbußen hinnehmen, auf gewissen Luxus zu verzichten, dafür aber in den beruflichen Werdegang der Frau investieren?

Ich finde es für die Zufriedenheit aller essentiell, solche Fragen möglichst vorher zu klären. Ich hätte es gerne gemacht und ich glaube, Anton und ich hätten uns dann so manche Diskussionen heute erspart. Wir haben unseren Weg nun gefunden, aber es hat uns Mühe gekostet. Es möge mir entgegengeworfen werden, dass man sich für ein Baby einfach aus dem Bauch heraus entscheidet. Aber solange meist die Frauen die sind, deren Leben sich über Jahre kolossal verändert, geschieht die Entscheidung aus dem Bauch heraus auf Kosten der Mutter. Das gleiche trifft zu, wenn ein Baby ungeplant in eine Familie kommt. Dann stellen sich doch im Prinzip dieselben Fragen, schließlich waren auch beide Eltern an dieser (schönen) Überraschung beteiligt.

Luxusprobleme

Im Übrigen wird mir manchmal im Zuge solcher Diskussionen vorgeworfen, dass alles seien Luxusprobleme. Finde ich keinesfalls. Und ich finde es für ein so reiches Land wie Deutschland umso schlimmer, dass sich viele Eltern solche Fragen gar nicht stellen können, weil beide aus finanzieller Not heraus Vollzeit arbeiten MÜSSEN und sogar noch Zweitjobs annehmen, weil Mieten und Kinderbetreuung in vielen deutschen Städten unglaublich hoch sind. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich in diesem Text schon einmal beschrieben habe. Dass es noch größere Ungerechtigkeiten gibt, heißt nicht, dass ich mich zu diesen Fragen nicht äußern kann.

Gemeinsam die Zukunft gestalten

Jedes Kind ist ein großes Glück für die Eltern und die Entscheidung dafür wird immer belohnt mit einem kleinen Leben, das in unserer Hand liegt und uns unglaublich selig macht. Diese seligmachende Glück bedeutet aber auch eine große Veränderung im Leben von Mann und Frau, egal ob es das erste oder das zweite und dritte Glück ist. Frauen sollen dabei ihre Zukunft mitgestalten. Dafür müssen sie eintreten und dem Papa in spe vielleicht ein Gespräch aufs Auge drücken, dass er so nicht erwartet hätte. Am Ende aber wird er davon ebenso profitieren. Denn eine zufriedene Mama, ob berufstätig oder zuhause, ist sehr maßgeblich für ein künftiges kleines großes Glück.

Am Anfang, vor allem dann, wenn eine Mutter stillt, mag sie für das Kind die Bezugsperson Nummer eins. Aber danach gibt es keinen Grund, warum nicht auch der Papa die Kinder gut und liebevoll versorgen kann. Vielmehr ist es furchtbar schade, dass so viele Männer die Kleinkindzeit verpassen und die Tage, an denen die Mäuse krabbeln lernen und die ersten Wörter sagen, bis abends im Büro sitzen.

Falls ihr euch also mit dem Gedanken beschäftigt, eure Familie  zu erweitern, dann setzt euch doch mal zusammen und sprecht darüber, wie ihr euch das ganze so vorstellt und was ihr BEIDE bereit sein möchtet, zu riskieren. Und wir sollten weiter darum kämpfen, dass sich in Deutschland Job und Familie besser vereinbaren lassen und Eltern nicht länger so sehr überlastet sind. Ein Kind aufzuziehen braucht ein ganzes Dorf, so lautet ein weiser Spruch. Eine(r) alleine kann das kaum schaffen. Zeit, sich das mal einzugestehen! Ein weiterer Grund übrigens, wieso alleinerziehende Menschen in unserer Gesellschaft dringend viel mehr Unterstützung brauchen. Wie ich mir das mit der gleichberechtigten Elternschaft so vorstelle, habe ich hier in einem Text bei Edition F beschrieben.

Bleib fröhlich und unperfekt, deine Laura

Hast du Lust, weiter zu diskutieren? Wir widmen uns in dieser Woche der Frage, wie man sich wohl für ein weiteres Kind entscheidet. Das ist natürlich immer sehr individuell, aber so manche Mama hat da sicher einen guten Rat. Komm doch mal rüber auf meinen Instagram-Kanal. Wir sammeln da unsere Erfahrungen, tauschen uns aus und schmeißen unser Mütter-Wissen zusammen.

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